Aber auch in jeder anderen Hinsicht ist der Film extrem hochwertig gemacht. Der Look ist hyper-realistisch. Einzelne Einstellungen lassen einen komplett vergessen, dass man einen Animationsfilm sieht. Was man gezeigt bekommt, ist auf einer Meta-Ebene realistischer als jeder Realfilm. Die Einstellung, in der Joe die Noten auf seinem Klavier durch einige Erinnerungsstücke an sein Abenteuer mit 22 ersetzt, könnte als Fotokunst an der Wand jeder Galerie hängen.
Die visuelle Gestaltung der Zwischenwelt ist komplett anders, als man vergleichbares in so vielen anderen Filmen bisher zu sehen bekommen hat. Die Betreuer der Seelen wirken wie moderne Kunstwerke, imitieren aber keinen bestimmten Maler. Die verlorenen Seelen sind voll von dunklem Ballast, der ihre wahre Gestalt ebenso belastet wie verbirgt. Die Macher dieses Films haben wohl keine einzige künstlerische Entscheidung dieses Films leicht genommen, haben nie eine einfache Lösung gewählt. Trotzdem wirkt das Ergebnis ihrer Mühen stets leichtgängig und heiter. Nichts ist bedeutungsschwanger und überladen.
Und dann bekommt man in „Soul“ auch noch großartige Musik geboten. Selbst Filmfans, die keine Jazz-Fans sind, werden sich der wunderbaren Musik im Film nicht entziehen können. Die Musik ist hier nicht nur Untermalung der Bilder, bildet nicht bloß die Klangkulisse. Obwohl der Jazz hier angenehm unaufdringlich eingesetzt wird, bildet er doch einen wesentlichen Bestandteil des Films.
Großen und kleinen Filmfans, deren Englischkenntnisse ausreichen, muss ich – wie bei den meisten Animationsfilmen – die Originalversion ans Herz legen. Jamie Foxx („Django Unchained“) hat schon in den beiden Teilen von „Rio“ einer animierten Figur seine Stimme geliehen. Aber als Joe zeigt er, nur mit seiner Stimmer, eine seiner besten Leistungen seit langem. Und das muss auch so sein, denn während des größten Teils des Films ist Joe nicht in seinem Körper zu sehen. Wenn Joe also verwirrt ist, Angst hat oder Hoffnung schöpft, lässt Jamie Foxx uns das vor allem mit seiner Stimme spüren.