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Kritik: Das Zimmer der Wunder

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Bitte nicht noch ein Film über eine Mutter, die ihr krankes, komatöses oder sogar totgeglaubtes Kind mithilfe ihrer Liebe wieder ins Leben zurückbringt! Bitte nicht! Wirklich nicht! Oder ...?
 
Sie brauchen Hilfe, Madame Carrez
 
Thelma ist eine hartarbeitende alleinerziehende Mutter. Ihr Sohn Louis ein typischer Zwölfjähriger. Und wenn wir den Sohn bereits in seiner zweiten Szene mit seinem Skateboard rumlaufen sehen, wissen wir doch alle schon, welcher Schicksalsschlag auf ihn wartet und dass die Mutter dann stark sein muss und nur ihre Liebe ihr aus der Trauer und dem Kind wieder ins Leben zurückhelfen wird. Und wenn die Mutter dann auch noch in den Notizen des Sohnes eine Liste mit 10 Dingen findet, die man vor dem Ende der Welt tun muss, dann wissen wir doch alle schon wie es weitergehen wird, oder? Ja ... und nein.
 
„Das Zimmer der Wunder“ ist ein netter, kleiner Film. Dieser Film ist aber auch noch mehr. Er ist ein nettes, kleines Beispiel dafür, dass man jede Art von Film auch gut machen kann. Es braucht dazu nur echte Künstler, die sich ein bisschen Mühe geben.
 
 
Ist die Handlung klischeehaft? An einigen Stellen der Films ist sie das sicher. Aber gerade zu Beginn des Films, aber auch ein genug anderen Stellen, vermittelt der Film eine überaus realistische Stimmung. Wir sehen eine echte erwachsene Frau, nicht bloß eine Mutterfigur aus einem Drehbuch. Und wir sehen sie zusammen mit ihrem echten, zwölfjährigen Sohn ihr Leben führen und nicht bloß mit einen Nachwuchsschauspieler Szenen häuslichen Glücks darstellen. Nur weil wir während der ersten neun Minuten Anteil am Leben dieser beiden Menschen nehmen konnten, erschüttert uns das, was nach neun Minuten und dreißig passiert.
 
Im Krankenhaus liefern uns Regisseurin Lisa Azuelos und die Drehbuchautoren fast im Vorbeigehen ein berührendes Bild. Aber der Zauberstab ist aus Plastik und so funktionieren das Leben, das Universum und der ganze Rest nun mal leider nicht. Und nach wenigen Minuten vermittelt eine erfahrene Pflegerin eine wichtige Wahrheit. Auch die Mutter braucht Hilfe. Für den Sohn wird im Krankenhaus gesorgt. Aber die Mutter muss draußen zurechtkommen.
 
Denken Sie, ich kämpfe umsonst?
 
Leider kann „Das Zimmer der Wunder“ dieser erfrischen realistischen Stil nicht während des ganzen Films aufrecht erhalten. Vielleicht haben es sich die erfahrenen Autor*innen Juliette Sales und Fabian Suarez („Normale“) an manchen Stellen zu leicht gemacht. Vielleicht ist die Schuld bei der literarischen Vorlage zu suchen (von der ich wusste, dass das Cover in einer freundlichen hellen Farbe gehalten ist und eine lieblich geschwungene Schrift trägt). Aber an einzelnen Stellen wird die wunderbar realistische Stimmung ohne Not einer kitschigen Dramatik geopfert, die der Film gar nicht gebraucht hätte.

03 ©2024 SquareOne Entertainment05 ©2024 SquareOne Entertainment07 ©2024 SquareOne Entertainment09 ©2024 SquareOne Entertainment
 
Wenn über einen erfolgreichen Manga-Künstler rein gar nichts im Internet zu finden sein soll, dann ist das Schwachsinn. Wenn Mutter dann trotzdem nach Tokyo reist und auf der Straße zufällig Manga-Fans trifft, diese anspricht und diese zufällig zu einem Event unterwegs sind, bei dem zufällig das neue Buch des Künstlers vorgestellt wird und Mama dabei zufällig den Verlagsmitarbeiter trifft, der sie schon einmal abblitzen ließ und dieser zufällig doch noch Mitleid hat, dann ist das lächerlicher als die Pläne der meisten Bond-Bösewichte. Das hat schon etwas von „Somehow, Palpatine returned.“.
 
Aber Regisseurin Lisa Azuelos inszeniert einfach über diese und andere unnötige, Kitschdrama-Momente hinweg. Bereits in „Dalida“ hat sie eine starke und doch verletzliche Frau auch visuell ins Zentrum ihres Films gestellt. Die Räume und Umgebungen ihres Films sind trist und grau, kalt und weit oder hell und freundlich, so wie sie von der Protagonistin wahrgenommen werden. Das alles wird von Guillaume Schiffman („The Artist“) in angenehm unaufgeregten Bildern gezeigt, die viel zum realistischen Stil des Films beitragen.
 
Dazu trägt auch die kompetente Besetzung bei. Die in Frankreich bestens bekannte Muriel Robin muss sich zurückhalten, um nicht in jeder ihrer Szenen ihre Kolleg*innen an die Wand zu spielen. Der junge Hugo Questel vermittelt seine Zuneigung zu seiner Mutter ebenso, wie auch die Anstrengung die diese dem Zwölfjährigen kostet.
 
Aber der Star des Films ist natürlich Alexandra Lamy. Madame Lamy ist in Frankreich längst bekannt. Vor einigen Jahren, war sie die einzige Komponente von „Liebe bringt alles ins Rollen“, die uns nicht unsympathisch war. Hier vermittelt sie uns Liebe und Schmerz, Stärke und Erschöpfung, Hoffnung und Verzweiflung und noch vieles mehr. Dabei trägt sie nie zu dick auf. Ihr Spiel wird selten „dramatisch“ und bleibt meistens realistisch. So kann sie das Publikum emotional erreichen und diesen etwas unausgewogenen Film in einigen Szenen vor dem Umkippen bewahren.
 
Fazit
 
Die kompetente Regie, die sehr gute Besetzung und ein über weite Strecken realistischer Ansatz verhindern ein weiteres ödes Kitschdrama über eine zu allem entschlossene Mutter. Am Ende bleibt ein gut gemachter Film, der sein Publikum durchaus zu erreichen vermag.
 
 
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