*** Der Nussknacker und die Vier Reiche ***

dnkudvr kritik
 
Autor: Walter Hummer
      
Disney präsentiert uns ein Fantasy-Abenteuer um eine junge Frau, die sich plötzlich in einem von märchenhaften Figuren bewohnten magischen Reich wiederfindet. Leider wirkt nicht alles an dem Film so neu und überraschend wie sein originelles Konzept.
 
Junge Frau zum Mitreisen gesucht
 
Die junge Clara (Mackenzie Foy) hat es nicht leicht. Weil sie eine Figur in einem Disney-Fantasy-Film ist, darf sie höchstens einen lebenden Elternteil haben. In Claras Fall ist es die Mutter, die erst kürzlich verstorben ist. Und wie in jedem vergleichbaren Film darf der überlebende Erziehungsberechtigte keinerlei Verständnis für das Kind zeigen. Claras Vater schleppt sie also am ersten Weihnachtsabend nach dem Tod der Mutter erst zu einem Ball, um ihr dann mehrmals barsch zu befehlen, gefälligst zu tanzen und sich zu amüsieren. Zum Glück haben junge Leute in solchen Filmen immer exzentrische Verwandte, die ihr Leben interessant gestalten. Claras Pate ist Morgan Freeman und der ist lange genug im Filmgeschäft, um zu wissen, dass es nach bald zehn Minuten Laufzeit höchste Zeit ist, die jugendliche Protagonistin endlich in die Märchenwelt zu schaffen.
 
Nachdem Clara durch das Loch des Kaninchenbaus gefallen, … ähm, … durch den Schrank marschiert, … quatsch, das war anders, … nachdem Clara einer quer durch das Anwesen des Paten gespannten Schnur zuerst durch einen klaustrophobischen Flur und dann durch einen höhlenartigen Baum gefolgt ist, kommt sie auch endlich in einem der vier Königreiche an. Dort trifft sie den jungen Offizier Phillip (Jayden Fowora-Knight). Der fesche junge Mann sieht zwar kein bisschen wie ein Nussknacker aus, trotzdem spricht ihn Sarah darauf an. Irgendeinen Bezug zur literarischen Vorlage braucht man schließlich. Clara und die Zuseher erfahren dann von einem einen Krieg zwischen Gigoen (Helen Mirren) und den anderen Regenten der Reiche und auch, wie diese ganze fantastische Welt von Claras Mutter erschaffen wurde. Dann gibt es noch eine überraschende Wendung (die ungefähr so überraschend wie ein Sonnenaufgang am Morgen ausfällt) und ein bisschen Kampf der Zauberwesen, bevor Clara wieder zurück in ihre Welt muss, um sich mit ihrem endlich viel verständnisvollerem Vater zu versöhnen.
 
 
… und dann auch noch eine Eule
 
Man kann Disney-Filme mögen oder nicht. Aber man muss zugeben, dass sie jahrzehntelang immer wieder originell gestaltet wurden. Das gilt nicht nur für die Animationsfilme, sondern auch für die Realfilme. Vor mehr als vierzig Jahren hat Disney mit „Freaky Friday“ die erste generationenübergreifende „body-switch“-Komödie gedreht. Und vor „Herbie“ hat es keine Filme über Autos mit eigener Persönlichkeit gegeben. Und wer außer Disney hätte das verstaubte Genre des Piratenfilms erneuern können, einfach indem man es vor fünfzehn Jahren komplett auf den Kopf stellte?
 
Aber nach gefühlt einem Dutzend Filmen mit Johnny Depp als Piraten-Captain, ebenso vielen Ausflügen ins Wunderland, nach Narnia, Therabitia und sonstwohin bringt Disney nun einen Film ins Kino, in dem wir einfach in jeder einzelnen Szene das Gefühl haben, das alles schon mal gesehen zu haben. Und nicht bloß einmal. Und auch jedes Mal besser.
 
Es ist müßig alle Szenen, Figuren oder sogar Handlungsstränge aufzuzählen, die hier besseren Filmen „entlehnt“ wurden. Vielleicht so viel: in dem Film spielt sogar eine Eule mit. Eine Eule. Und der Vogel bringt nicht mal irgendwelche Post. Das Vieh fliegt bloß über London und trägt ansonsten überhaupt nichts zur Handlung bei. Es kommt einem vor, als hätten die Macher dieses Films einander bei den Drehbuchbesprechungen nur gegenseitig daran erinnert, was sie an besseren Filmen toll gefunden hatten.
 
Ein Heer von zwanzig Mann
 
Natürlich hat Disney vor allem in den letzten Jahren nicht ausschließlich originelle, überraschende Stories ins Kino gebracht. Wenn im fünften Teil von „Pirates of the Caribbean“ wieder mal ein verfluchter Seeräuber auftaucht um Captain Jack Sparrow zu suchen, überrascht das niemanden mehr. Und in Narnia gab es in letzter Zeit auch nicht viel Neues. Aber selbst diese Disney-Filme ließen immer das gewohnt hohe Produktionsniveau erkennen. Davon bekommt man bei „Der Nussknacker und die vier Reiche“ nicht viel zu sehen. Die computergenerierten Effekte sind nicht schlecht, aber eben leider auch nicht wirklich gut. Vieles spielt im Halbdunkel, damit sich die Computer mit dem Errechnen der CGI-Szenen nicht so schwertun.
 
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Daher hat der Film auch nicht viel Action zu bieten. Die entscheidende Schlacht gegen Ende des Films ist eher ein Scharmützel. Helen Mirren hüpft ein bisschen rum und schwingt eine Peitsche. Aber auch das wirkt nur beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die Dame gut über siebzig ist.
 
Humor, bisher ein wichtiger Bestandteil aller Disney-Filme, fehlt diesem Film fast völlig. Omid Djalili (Der Hafenmeister aus „Mamma Mia 2“) und der bei uns noch recht unbekannte britische Komiker Jack Whitehall haben eine einzige witzige Szene als Wachleute. Davon abgesehen bietet der Film nicht einen Lacher.
 
„Der Nussknacker und die vier Reiche“ hat übrigens zwei verschiedene Regisseure, weil der erste Regisseur Lasse Hallström für den Nachdreh nicht mehr zur Verfügung stand. Solche Nachdrehs sind bei großen Filmprojekten nicht unüblich. Hier hat Regisseur Joe Johnston aber nochmal volle 32 (in Worten: zweiunddreißig) Drehtage nachgedreht. Hallströms frühes Meisterwerk „Mein Leben als Hund“ wurde in einem geringeren Zeitraum gedreht. Und auch „Gilbert Grape“, einer der besten Filme der neunziger Jahre, wurde von Hallström in vergleichbarer Zeit fertig gestellt. Wenn Disney nun nur für den Nachdreh den Regisseur von Filmen wie „Captain America: The First Avenger“ nochmal volle 32 Tage arbeiten ließ, sollte man davon doch irgendwas auf der Leinwand sehen können. Das ist aber leider nicht der Fall.
 
Von Mäusen und Nussknackern
 
Die siebzehnjährige Mackenzie Foy hat vor einigen Jahren in „Interstellar“ eine beeindruckende Leistung gezeigt. Hier muss sie abwechselnd erstaunt und entschlossen dreinschauen. Dazu braucht es nicht viel.
 
Keira Knightleys Rolle als verhuschte Regentin wäre halbwegs witzig, wenn Anne Hathaway nicht bereits vor einigen Jahren in „Alice in Wonderland“ einen vergleichbaren Part so viel schillernder und subtiler gespielt hätte.
 
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Helen Mirrens Talent wird hier grundlos verschwendet. Und warum man einen so einzigartigen Darsteller wie Richard E. Grant in einem mittelmäßigen Faschingskostüm versteckt, ist komplett unverständlich.
 
Morgan Freemans Rolle in diesem Film hat sicher sein Steuerberater für ihn ausgesucht. Weil Herr Freeman hier darstellerisch absolut nichts zu tun hat, hat er seinen Masken- und Kostümbildnern wohl die Zügel schießen lassen. Er trägt in seinen gerade mal zwei Szenen einen Afro mit weißer Strähne, eine Augenklappe mit Goldbesatz, einen Gehrock den Stanley Tucci in „The Hunger Games“ als zu affig abgelehnt hätte und, wenn ich mich recht erinnere, einen Spazierstock mit einem goldenen Eulenknauf. So tief greifen sonst nur miese Bühnenkomiker in die Klamottenkiste, wenn sie wissen wie schwach ihr Material ist.
 
Fazit
 
Disney hat hier einen Familien-Film produziert, der kleinere Kinder sicher überfordert, während bereits Zwölfjährigen die Action fehlen wird. Erwachsene werden sich wegen der Vorhersehbarkeit des Films langweilen. Und echte Filmfans werden erkennen, wie wenig originell das Ganze ist. Mit großem Aufwand wurde hier nur wenig erreicht.
 
 
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