Wenn die Verfilmung einer Vorlage nicht funktioniert, stellt sich manchmal die Frage, ob die Filmemacher die Geschichte nicht verstanden haben. Regisseur Michael Noer meint über den Helden der Geschichte, er„ … lernt schließlich, dass seine Freundschaft zu seinem Mitgefangenen Dega der einzige wirkliche Grund ist am Leben zu bleiben.“ Aha. Das hat zwar nichts mit dem Buch von Henri Charrière zu tun, klingt aber irgendwie sehr gut. Noer erkennt auch „… Ähnlichkeiten eines Gefängnisses mit einer Theaterbühne; jeder hat dort eine Rolle zu spielen.“
Auch das klingt sehr tiefgründig. Jedenfalls so lange man nicht wirklich darüber nachdenkt. Oder solange man das nicht jemanden erzählen will, der tatsächlich mal ein Gefängnis von innen gesehen hat. Wer solch pseudo-philosophisches Blabla unreflektiert von sich gibt, wird auch seine Entscheidungen beim Filmemachen nicht kritisch hinterfragen. Und so verschwendet Noer gleich zu Beginn wertvolle Laufzeit auf eine komplett überflüssige Sequenz, in der Henris Leben in einer Kulisse gezeigt wird, die wohl Paris 1931 darstellen soll. Der visuelle Stil dieser Szenen erinnert an eine mittelmäßige „Magnum“-Werbung (das Eis-am-Stil, nicht die Schusswaffen).
Bereits vor der Überfahrt muss man sich wundern, wie gut Hauptdarsteller Charlie Hunnam seine Sträflingskluft passt. Er sieht aus, als wäre Werbeträger für „Gap“ oder „H&M“. Auf der Überfahrt kommt es zu einem Raubmord, den nur ein sehr fähiger Viszeralchirurg so schön ausführen könnte, wie das im Film gezeigt wird. Und obwohl Regisseur Noer und Kameramann Hagen Bogdanski („Das Leben der Anderen“) offensichtlich bemüht sind, uns nur „schöne“ Bilder in Werbefilm-Ästhetik zu präsentieren, sehen wir kaum „interessante“ Bilder. Das Gefängnis wirkt eher abgewohnt als bedrohlich oder bedrückend. Der Dschungel kommt kaum ins Bild. Und selbst die Klippen der Teufelsinsel wirken hier wenig eindrucksvoll. Auch das Altern der Hauptfigur in all den Jahren der Haft wird kaum sichtbar gemacht. Hunnams Haar ist am Ende des Films etwas weniger blond als zu Anfang. Das schaffen Salzwasser und Sonne auch nach einem längeren Urlaub am Meer. Steve McQueen war am Ende der Version von 1973 kaum wiederzuerkennen. Das ist es nämlich, was jahrelange Gefangenschaft mit einem Menschen macht.
Ein Dialog über Henris Eltern führt nirgendwo hin. Sinnlos sind auch die vielen Szenen in denen heimtückische Gewalttäter ihre Mord-und Raubversuche ausführlich ankündigen. Es gibt Zauberkünstler, die ihre Tricks auf der Bühne weniger wortreich einleiten, als der durchschnittliche Häftling in diesem Film seine Gewalttaten.
Der ganze Film wirkt eigenartig uneinheitlich erzählt. Die Eingangssequenz ist viel zu lang. Dafür sind die Fluchtversuche viel zu schnell vorbei. Die interessanten Episoden mit den Leprakranken und den Eingeborenen sind in dieser Version sogar komplett gestrichen worden. Dadurch fehlt dem Film viel an dringend benötigter Substanz. Und so bekommt man auch in dieser Hinsicht einen bestenfalls passablen Film geboten. Und „passabel“ ist als Ergebnis einer Neuverfilmung leider ein bisschen arg wenig, wenn die erste Version hervorragend war.
Vielleicht wirkt es hart, diese neue Version mit der von 1973 zu vergleichen. Aber es war die Entscheidung der Filmemacher, einen bekannten Klassiker neu zu verfilmen. Und der Vergleich fällt in vieler Hinsicht eben einfach lächerlich schlecht für die Neuverfilmung aus. Der große, leider verstorbene Jerry Goldsmith wurde für seine Musik 1973 zu Recht für den Oscar nominiert. An die Musik der Version von 2018 hatte ich eine Minute nach dem Abspann keinerlei Erinnerung mehr. Und die Darsteller der aktuellen Version mit Steve McQueen und Dustin Hofmann zu vergleichen, ist einfach nur müßig. Charlie Hunnam hat in der Serie „Sons of Anarchy“ immer eine solide Leistung gezeigt. Im Kino hat er bisher einfach noch nicht das richtige Projekt für sich gefunden. Rami Malek sehen wir demnächst als Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“. Hoffen wir, dass er dann nicht wieder an einem großen Vorbild scheitert.