Wie hat es Regisseur Neill Blomkamp also geschafft, jemanden wie mich, mit meiner Affinität für schnelle Autos, mit seinem Film über weite Strecken einfach nur zu langweilen? Blomkamp ist, wie auch die drei Drehbuchautoren, ein Profi auf seinem Gebiet. Sein erster Spielfilm „District 9“ war einer der originellsten Science-Fiction-Filme der letzten zwanzig Jahre. Aber bereits „Elysium“ war zwar gut gemeint, aber nur teilweise gut gemacht. Und bei „Chappie“, einer Art „Pinocchio“ mit Drogen und vollautomatischen Waffen, hatte Blomkamp während der Ausführung offensichtlich die Kontrolle über seine eigene Idee verloren.
Vielleicht wollte er sich dieser Gefahr bei „Gran Turismo“ nicht mehr aussetzen und lässt daher keinerlei eigene Ideen erkennen. Jede einzelne Sequenz, jede einzelne Szene, einfach alles in diesem Film läuft nach den immer gleichen altbewährten Mustern ab. Der Film ist teilweise sehr hochwertig gestaltet. Aber niemals vermittelt uns dieser Film ein Gefühl für die Fahrzeuge, die Rennstrecken, die Geschwindigkeit und die Gefahr. In diesem Film wird ein tödlicher Unfall gezeigt, der niemanden im Publikum berührt und der auch schnell folgenlos bleibt.
Der Handlung findet auf und rund um ein Dutzend verschiedener Rennstrecken statt, die kaum zu unterscheiden sind. In einer Szene wird von einer Reise nach Wien gesprochen. Dann sieht man die Protagonisten im Privatflugzeug nach Wien sitzen und über Wien sprechen. Und alles was wir von Wien zu sehen bekommen, ist eine nächtliche Luftaufnahme und der Eingang zu einem Hotel, das auch in Budapest stehen könnte und vermutlich auch dort steht, weil der größte Teil des Films dort gedreht wurde.
You get extra points for that in the game?
Selbst die Autos wirken langweilig und austauschbar. Der Nissan GT-R ist einer der besten Sportwagen der Welt. Aber leider ist er ein Nissan und so mancher echte Autofreak hält ihn für ein Spielzeug für Nerds. Leider sehen wir die erste Hälfte des Films nur Nissan GT-Rs gegeneinander antreten. Und die sind auch noch alle weiß. Sehr viel langweiliger kann man Sportwagen mit 600 PS kaum in Szene setzen.
Auch während der späteren Rennen, bekommen wir kaum ein Gefühl für die unterschiedlichen Fahrzeuge vermittelt. Es gibt einen goldenen Lamborghini, damit wir jederzeit erkennen, in welchem Auto der Bösewicht sitzt. Und es gibt einen Audi mit einem Regenbogenmotiv auf dem Lack, damit der zweite Bösewicht ebenso erkennbar bleibt. Ein Ferrari wird erwähnt, weil er ausfällt. Eine ganz besonders wichtige Runde fährt der junge Nachwuchsfahrer mit einem Porsche. Warum er mit einem Porsche fährt, bleibt unklar. Ob ihn sein Trainer auf die Unterschiede der Fahrzeuge hingewiesen hat, ebenso.
In einem Film, in dem die Autos die Stars sein sollten, lernen wir die Autos nie richtig kennen. Wie sieht es also mit den menschlichen Stars aus? Der noch recht unbekannte Archie Madekwe hatte eine kleine Rolle in „Midsommar“. Als Hauptdarsteller einen einzelnen Film zu tragen, scheint ihn zu überfordern. Vielleicht spricht er deshalb während des Films immer, als würde er gleich anfangen zu weinen. Das wirkt irritierend, weil seine Figur später im Film tatsächlich weinen muss und wir das dem jungen Darsteller zu dem Zeitpunkt nicht mehr abkaufen.
Der von mir sonst sehr geschätzte David Harbour („Stranger Things“) spielt den Rennstallchef , der zu Anfang des Films keinen Bock auf den Job hat. Leider merkt man, wie wenig Bock der Darsteller David Harbour auf seinen Job hatte und das während des ganzen Films.
Natürlich kann es dem Schauspieler nicht leicht fallen, die fast ausnahmslos wirklich strohdummen Dialogzeilen von sich zu geben. In einer Szene muss Harbour (191 cm und sicher 100 kg) den Hauptdarsteller (193 cm und sehr schlank) darauf ansprechen, dass er vielleicht gar nicht in die Rennwagen passen wird, obwohl die beiden praktisch gleich groß sind und auch Harbours Figur diese Rennwagen fährt. Trotzdem hätte der Darsteller sich mehr Mühe geben können. Orlando Bloom spielt den Marketingboss als Marketingboss. Seine Rollenbeschreibung lautete vermutlich Marketingboss und die einzige Regieanweisung, die er während der Dreharbeiten bekommen hat, lautete vermutlich auch, „Du bist der Marketingboss“.
Es gibt noch eine Liebesgeschichte mit einer jungen Frau, die über die Persönlichkeit eines Hundewelpen im Schaufenster einer Tierhandlung verfügt. Wir erfahren über diese Figur bloß, dass sie gerne nach New York möchte, weil es dort wohl gute Pizza gibt. Daher lädt der Held sie nach Tokio ein, was schon ausreicht, dass sie sich in ihn verliebt. Ich habe sowohl den Namen der Figur als auch den der Darstellerin vergessen. So wenig Eindruck haben beide hinterlassen.
Der stets verlässliche Djimon Hounsou hat schon so manchen misslungenen Film aufgewertet („Genauso anders wie ich“, „The King’s Man: The Beginning“). Hier machte er das Beste aus seiner Rolle als Vater, die wir so oder so ähnlich schon in ein paartausend Filmen gesehen haben.
Ein Unfall im letzten Drittel des Films lässt uns nur wegen Geri Halliwells Reaktion als Mutter nicht komplett kalt. Wenn einer von zwei emotional berührenden Momenten eines Films von einem ehemaligen Spice-Girl vermittelt wird, sagt das eigentlich alles über die Qualität des Films aus.
Fazit
Die meisten Verfilmungen von Videospielen sind weder besonders spannend noch besonders berührend. Aber „Gran Turismo“ ist über weite Strecken so spannend und berührend, wie jemandem dabei zuzusehen, wie er das Videospiel spielt.