Professionelles Wrestling ist sicher mehr Show als Sport. Wie soll also ein Sportdrama funktionieren das in der Welt des Wrestling spielt?
Seifenoper in Spandex
Die junge Britani Knight tritt zusammen mit ihrem Vater Ricky, ihrer Mutter Julia und ihrem Bruder Zak als Wrestlerin auf. In kleinen Clubs in England bietet die Familie den Zuschauern für wenig Geld eine Show. Britani und ihr Bruder träumen davon von der WWE, der World Wrestling Entertainment Inc., unter Vertrag genommen zu werden. Aber nur Britani kommt über das Casting hinaus. Und auch vor ihr liegt ein langer harter Weg …
Sportdramas folgen immer dem gleichen Muster. Der Underdog bekommt wider Erwarten eine Chance. Wir sehen den Sportler trainieren. Zunächst läuft alles gut, dann kommt die Krise. Die kann meistens mithilfe der inspirierenden Rede eines Trainers, Familienmitglieds oder Teamkameraden überwunden werden. Dann sehen wir den Sportler nochmal trainieren, diesmal aber läuft alles viel besser. Und am Ende kann der Held sich im sportlichen Wettkampf beweisen.
Aber auch wenn man als Wrestler sicher extrem sportlich sein muss, so sind Wrestling-Kämpfe einfach keine sportlichen Wettkämpfe. Selbst die verschiedenen Wrestling-Verbände geben zu, dass Wrestling einem Drehbuch folgt und inszeniert ist. Es ist also mutig, wenn Drehbuchautor und Regisseur Stephen Merchant („The Office“) uns ein Sportdrama präsentieren möchte, dessen Finale nichts mit Sport zu tun hat.
Und so liegt das Hauptproblem des Films in seinem dramatischen Höhepunkt. Dieser Film tut so, als würde die Heldin in einem echten Kampf bestehen. Aber so funktioniert Wrestling leider nicht. Alles was uns der Film vorher gezeigt hat, den Casting-Prozess, das harte Training, die langen Zeiten der Trennung von Familie und Freunden, mag durchaus seine Entsprechung in der Wrestling-Welt haben. Aber der Höhepunkt dieses Sportdramas funktioniert einfach nicht.
A True Story
Ohne das Problem des dramatischen Höhepunkts haben wir hier einen netten kleinen Film. Die Handlung basiert auf der Karriere der ehemaligen Wrestlerin Saraya-Jade Bevis. Wir sehen die Heldin als kleines Kind, wie sie und ihr Bruder um die Fernbedienung raufen. Die Eltern hören den Tumult eilen herbei aber statt dazwischen zu gehen, geben Mama und Papa Anweisungen zu den richtigen Kampfgriffen und wie man sich daraus befreit. Bereits diese erste Szene des Films ist ganz bezaubernd gestaltet. In einer einzigen kurzen Szene wird uns vermittelt, in was für einer besonderen Familie dieses Mädchen aufwächst.
Es sind immer wieder die Szenen in und um Britanis Familie, die das emotionale Zentrum dieses Films bilden. Merchant hat herrliche Dialoge und berührende Szenen von Liebe, Verlust und Schmerz geschrieben. Die Inszenierung der komödiantischen Szenen ist superb. Ein Treffen zwischen zwei Familien ist pures Comedy-Gold. Und auch die dramatischen Szenen sind effektiv gestaltet.
Merchant tut gut daran, immer wieder zur Geschichte von Britanis Bruder Zak zurückzukehren. Neben der Erfolgsgeschichte seiner Schwester ist Zak der wahre Underdog dieses Films. Während die Schwester mit dem Druck des Trainings und des Konkurrenzkampfs fertig werden muss, hat Zak zu lernen wie man kein Star wird. Dieser junge Mann muss lernen, wie man mit einem Traum lebt, der nicht wahr wird.
Daneben ist die Geschichte von Britani, die ihren Namen für die Profikarriere zu Paige ändert, nicht nur vorhersehbar. Die Geschichte kommt einem auch recht bekannt vor weil man sie so oder so ähnlich schon oft gesehen hat. Wenn der Film mal die üblichen Sportdrama-Klischees vermeiden möchte, liefert er dafür Klischees aus alten Armeefilmen. Fast alle Szenen während der Wrestling-Ausbildung haben wir schon besser in Filmen wie „G.I. Jane“ oder „Ein Offizier und Gentleman“ gesehen.
Auch Paiges Wandlung und das Überwinden ihrer Krise haben wir schon oft genug besser gesehen. Wenn Paige beim „smack-talk“ versagt, dann berührt uns das kaum. Wer diesen wesentlichen Teil des Wrestling nicht drauf hat, ist vielleicht nicht zur Wrestlerin geeignet. Wenn Paige den größten Teil des Films braucht um ihre Wrestling-Kolleginnen als Personen wahrzunehmen, nimmt uns das auch nicht für die Heldin ein.
Wrestling-Family
Florence Pugh („Lady Macbeth“) zeigt eine solide Leistung als junge Heldin. Es ist sicher nicht ihre Schuld, wenn der Drehbuchautor ihre Rolle nicht gründlich überarbeitet hat.
Die Darstellungen von Lena Headey („300“, „GOT“) und Nick Frost („Shaun of the Dead“) sind allein den Preis der Kinokarte wert. Vor allem Headey überrascht als ungewöhnliche Mutter, voller Liebe zu ihrer Familie, die ihr Herz immer auf der Zunge trägt. Nick Frost spielt den Ehemann, Vater und Liebhaber mit vollem Körpereinsatz und genialem Sinn für Timing.
Jack Lowden („Dunkirk“) trägt das emotionale Gewicht dieses Films fast alleine auf seinen gut trainierten Schultern. Er vermittelt Kraft, Verletzlichkeit und Liebe und macht einen mit seiner Leistung neugierig auf seine nächsten Projekte.
Nach „Hacksaw Ridge“ liefert Vince Vaughn erneut eine light-Version der klassischen Ausbilder-Rollen von Louis Gossett Junior, R. Lee Ermey oder auch Viggo Mortensen. Seine Darstellung trägt nicht viel zum Film bei.
Dwayne Johnson spielt sich selbst and we all can smell what The Rock is cooking.
Fazit
Die Schwächen des Drehbuchs lassen den Film als Sportdrama schwächeln. Die fast durchweg großartige Besetzung, eine berührende Nebenhandlung und witzige Dialoge machen den Film trotzdem sehenswert.