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Kritik: Top Gun: Maverick

 
tgmaverick kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
36 Jahre nach Teil Eins kommt nun die Fortsetzung zu Tom Cruise’ erstem Welterfolg in die Kinos. Oder ist es eher eine Neuverfilmung?
 
You ‘ve lost that lovin’ feeling
 
Üblicherweise beginne ich meine Rezensionen gerne mit einem kurzen Ausblick auf die Handlung des Films. Im Fall von „Top Gun: Maverick“ ist das müßig. Die Handlung ist mehr oder weniger die Gleich wie damals 1986, bloß angereichert um ein paar weitere Klischees. Ein sehr viel passenderer Name für diesen Film wäre „Top Gun: déjà vu“. Und weil Studios dem Publikum noch weniger zutrauen als vor sechsunddreißig Jahren, fällt das Bisschen Handlung sogar noch deutlich simpler aus. Dafür wird immer und immer wieder alles erklärt.
 
Wozu brauchen wir die Episode am Anfang und wozu muss sich ein verdienter Schauspieler wie Ed Harris dafür hergeben, sie uns elendslang zu erklären? Es ist doch ohnehin alles sonnenklar: Maverick zieht mit einem Flugzeug wieder eine Nummer ab, für die er vor ein Kriegsgericht gestellt werden müsste. Stattdessen schickt man ihn nach Top Gun. Bloß diesmal eben als Ausbilder, weil alles andere für einen Mann von bald sechzig Jahren auch peinlich wäre.
 
 
Maverick ist übrigens gerade mal Captain, obwohl er Lieutenant war als er vor Jahrzehnten einen geheimen dritten Weltkrieg gewonnen hat. Warum das so ist, wird uns während des Films immer wieder von mehreren Admirälen, mehreren anderen Offizieren, einer Barkeeperin und auch noch Maverick selbst erklärt. Wozu? Wir haben doch alle den Anfang des Films gesehen. Auch der Angriffsplan eines Geheimauftrags wird immer und immer wieder erklärt und den hatte ich auch schon verstanden als er mir in „Star Wars – Episode IV“ erklärt wurde.
 
Selbst die Liebesgeschichte fällt dieses Mal noch ein bisschen lächerlicher aus als 1986. Maverick und die Barkeeperin sind beiden attraktivsten Menschen ihrer Altersgruppe weit und breit. Sollen wir jetzt so tun, als wäre der Ausgang ihres Flirts irgendwann ungewiss gewesen? Na also. Aber nicht nur die Handlung ist banal. Das Drehbuch haben mit Ehren Kruger („Dumbo“), Eric Warren Singer („American Hustle“) und Christopher McQuarrie („Edge of Tomorrow“) drei profilierte Autoren verfasst. Trotzdem klingen die Dialoge teilweise wie verworfene Ideen zur Parodie „Hot Shots“ von 1991. ACHTUNG SPOILER! Die einzige Szene des Films, die wirklich funktioniert, ist eine rührende Episode mit dem auch im wahren Leben an Kehlkopfkrebs erkrankten Val Kilmer.
 
Great Balls of Fire
 
Aber niemand, der eine Karte für „Top Gun: Maverick“ kauft, erwartet ein anspruchsvolles Drama um Altern, Verlust, Generationenkonflikte und reife Liebe. Wir erwarten Jets und aberwitzige Flugmanöver und eindrucksvolle Bilder von Jets und aberwitzigen Flugmanövern. Wie sieht es damit aus? Nun Regisseur John Kosinski ist sicher kein Tony Scott. Das merkt man schon mal am eklatanten Mangel von Vorhängen die im Gegenlicht zu sehen sind.
 
01 ©2021 Paramount Pictures02 ©2021 Paramount Pictures03 ©2021 Paramount Pictures04 ©2021 Paramount Pictures
 
Aber der verstorbene Tony Scott war nicht nur der Meister der Gegenlichtaufnahmen. Er hatte auch seinen ganz eigenen visuellen Stil, irgendwo zwischen Leni Riefenstahl und Werbespots für Coca Cola. Wäre der zweite Weltkrieg anders verlaufen, wäre Tony Scott der zweitgrößte Regisseur der UFA geworden. So hat er nicht nur mit „Top Gun“ die Filmindustrie nachhaltig geprägt. Filmemacher wie Michael Bay und Gore Verbinski wurden nachhaltig von seinem Stil beeinflusst.
 
Was uns John Kosinski 2022 zeigt, wird niemanden nachhaltig beeinflussen. Ja, alles sieht sehr hochwertig aus. Dieser Film ist enorm anspruchsvoll gestaltet. Und in den Pressetexten wird unermüdlich darauf hingewiesen, dass alle Flugaufnahmen real und nicht im Computer entstanden sind. Von mir aus. Aber eine noch hochwertigere Version dessen, was 1986 beeindruckend war, ist 2022 nicht automatisch noch beeindruckender.
 
Kosinski zeigt uns viel. Und er zeigt uns viel von dem was 1986 bereits gut angekommen ist. Und dabei findet er einfach keinen eigenen Stil. Irgendwann fragt man sich, sind das mittlerweile bloß zu viele Reminiszenzen an den ersten Film oder hat Kosinski einfach keine eigenen Ideen. Goose‘ Sohn spielt nicht bloß wieder „Great Balls of Fire“ am Klavier. Er spielt es in der gleichen Bar und sieht dabei praktisch genauso aus wie sein Vater. Und auch der Konkurrent und Arschgeigen-Streber dieses Jahrgangs sieht aus wie ein billiger Klon von „Iceman“.
 
04 ©2021 Paramount Pictures05 ©2021 Paramount Pictures06 ©2021 Paramount Pictures07 ©2021 Paramount Pictures
 
Kosinski liefert sogar eine Neuauflage der berühmt-berüchtigten Beachvolleyball-Szene aus Teil Eins. Und ja, auch diese Szene sieht wieder aus, wie der hochwertigste Softporno der Filmgeschichte. Allerdings wird diesmal statt Volleyball nun Football am Strand gespielt. Beim Volleyball kann man nämlich nicht schnell laufen. Und echte Filmfans wissen, wie gerne Tom Cruise in seinen Filmen schnell läuft …
 
Danger Zone
 
Auch sonst liefert Tom Cruise alles was man von Tom Cruise in einem Tom Cruise-Film erwarten darf. Er lächelt viel, ist überaus agil und rettet am Ende den Tag, den Kameraden und die Welt. Mehr kann man nicht erwarten und mehr sollte man von Tom Cruise auch nicht mehr erwarten. Der Mann, der vor langer Zeit dreimal für einen Oscar nominiert war und diesen auch zweimal mehr als verdient gehabt hätte, bietet seit zwanzig Jahren immer nur das Gleiche. An einer Stelle im Film meint eine der Nebenfiguren, „I don’t like that look.“. Und Cruise antwortet „It’s the only look I got“. Das war mal anders, Tom. Das war mal ganz anders.
 
Im Vorfeld wurde viel über das Fehlen von Kelly McGillis im neuen Film berichtet. Sie sei nicht einmal gefragt worden, ob sie für die Fortsetzung zur Verfügung stünde. Ich schreibe immer gerne gegen Altersdiskriminierung und die ungleiche Behandlung und Wahrnehmung der Geschlechter im Film an. Aber McGillis ist mittlerweile eine Frau von Mitte Sechzig, die auch aussieht wie eine ganz normale Frau Mitte Sechzig. Wenn sie nicht um ihre Mitwirkung gebeten wurde, dann war das eine künstlerische Entscheidung, eine Frage, welche Geschichte man mit welcher Darstellerin erzählen kann.
 
Ja, Jennifer Connelly ist jünger als Ihr Filmpartner Tom Cruise. Aber Acht Jahre sind in der Altersgruppe 50+ ein absolut vertretbarer Altersunterschied. Connelly ist mit ihrem frischen, natürlichen Charme das perfekte Gegenstück zu Tom Cruise. Ihre Präsenz auf der Leinwand lässt uns mehr Anteil an der banalen Liebesgeschichte nehmen als dieser zusteht.
 
Miles Tellers („Whiplash“) Beitrag zu dem Film besteht aus einer verblüffenden Ähnlichkeit zum jungen Anthony Edwards und einem ständig angepissten Gesichtsausdruck. Glen Powell („Hidden Figures“) scheitert an einer Imitation von Val Kilmer. Veteran Ed Harris („A History of Violence“) verschwendet sein Talent in einer Rolle, die nicht einmal ein reines Handlungselement ist.
 
Über Jon Hamm habe ich vor mehr als zwei Jahren in meiner Rezension zu Richard Jewell folgendes geschrieben: „Jon Hamm spielt nach „Brautalarm“, „The Town“, „Baby Driver“ und anderen Filmen wieder mal einen Armleuchter. Und er spielt den Armleuchter wieder ohne jede erkennbare Motivation, als reines Handlungselement. ... Demnächst bekommen wir Hamm in der Fortsetzung von „Top Gun“ zu sehen. Will jemand wetten, welche Art von Rolle er in dem Film spielen wird?“. Zwei Jahre später habe ich nichts hinzuzufügen.
 
Fazit
 
„Top Gun: Maverick“ bietet uns praktisch die gleiche Handlung und auch sonst fast alles, was bereits 1986 gut ankam. Das Fehlen des besonderen visuellen Stils von Tony Scott kann die moderne Technik nur teilweise kompensieren.
 
 
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