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Kritik: Furiosa: A Mad Max Saga

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Autor: Walter Hummer
 
Viele Filme machen es einem leicht, sie kritisieren. Nur wenige machen es einem leicht, sie zu genießen. Wie ist das beim Prequel zum Reboot eines Klassikers?
 
Ladies and Gentlemen! Start your engines!
 
Irgendwann nach der Apokalypse muss Furiosa als kleines Mädchen zusehen, wie der wahnsinnige Dementus und die von ihm angeführte Bande ihre Mutter ermorden. Vom Mörder ihrer Mutter als Geisel und Spielzeug gehalten, sinnt das Kind auf Rache. Doch dann geht das Mädchen eines Tages in den Besitz des aus „Mad Max: Fury Road“ bekannten Immortan Joe über. Dort erarbeitet sie sich zunächst auf ungewöhnliche Art eine ganz besondere Aufgabe …
 
Freunde und Familie haben mich schon mehr als einmal darauf angesprochen, manche Filme sehr hart kritisiert zu haben. Aber viele Filme machen es einem auch so furchtbar leicht, sie für alles Mögliche hart zu kritisieren. Da gibt es zum einen die Art von Film, die so unsagbar langweilig und unoriginell ist, dass einem vor lauter Langeweile gar nichts anderes übrigbleibt als festzustellen, was daran alles nicht stimmt. Wenn wieder mal ein alternder, männlicher Hollywoodstar auf Rachefeldzug geht, habe ich gar keine andere Wahl, als gelangweilt festzustellen, wie der Mann sich beim Töten ganzer Horden wesentlich jüngerer und sportlicherer Schurken kaum bewegt und der Eindruck von „Action“ nur durch Geballer, Explosionen und Schnitttechnik vorgetäuscht wird.
 
Dann gibt es auch noch diese Filme, an denen bereits von Anfang an einfach nichts stimmt. Wenn eine Darstellerin, die ihre beste Zeit längst hinter sich hat, auch noch Regie führen will obwohl sie das gar nicht kann und das in einem Genre das ohnehin kaum jemals funktioniert hat, dann fällt mir natürlich auch noch auf, was alles an diesem Film sonst noch nicht stimmt. Dann berichte ich natürlich über das beschissene Standbild, das für Zwischenschnitte benutzt wird und über den peinlichen Versuch des Stars, eine deutlich jüngere Frau zu spielen und über ihre Dreistigkeit, sich mit einer verstorbenen echten Könnerin zu assoziieren und so weiter und so fort.
 
 
„Furiosa: A Mad Max Saga” ist das genaue Gegenteil solcher Filme. Dieser Film ist so spannend so aufregend und gleichzeitig ist fast alles so hervorragend gemacht, dass mich irgendwelche Kleinigkeiten gar nicht stören können. Hier ist ein Film der uns unterhalten will und dabei ganz eigene Wege geht. Viele Entscheidungen sind lächerlich und trotzdem sinnvoll. Hier ist ein Film, dessen Handlung komplett durchgeknallt und trotzdem in sich stimmig ist. In diesem Film funktioniert sogar, was eigentlich nicht funktionieren sollte.
 
Ich hätte keine zehn Teile gebraucht, um von den lächerlich überzogenen und unrealistischen Autostunts der „Fast & Furious“-Reihe gelangweilt zu werden. Die Stunts und auch die Fahrzeuge in „Furiosa: A Mad Max Saga” wirken auch lächerlich. Und ebenso überzogen. Und trotzdem funktionieren diese Stunts. George Miller und sein fantastisches Team von echten Künstlern vermitteln uns selbst in den bizarrsten Szenen immer ein Gefühl für die Physik der Fahrzeuge und für den Raum, durch den sie sich bewegen. Das lässt alles so furchtbar aufregend und spannend wirken.
 
Wer genau hinsieht, wird erkennen, dass Miller sich in „Furiosa: A Mad Max Saga” sehr viel mehr auf CGI verlässt als noch einige Jahre vorher in „Mad Max: Fury Road“. Und das ist gut so. George Miller ist ein Filmemacher, der sich und sein Werk immer weiter entwickelt hat. Vor mehr als 40 Jahren hat er mit einem lächerlichen Budget einen Film erschaffen, der immens erfolgreich war. Also steckte er kaum zwei Jahre später das erwirtschaftete Geld in die Fortsetzung und schuf damit nicht nur den damals teuersten australischen Film aller Zeiten, sondern begründete auch noch ein neues Genre.
 
Und obwohl in den letzten zwanzig Jahren von „Star Wars“ über „James Bond“ und „Planet der Affen“ unzählige Fortsetzungen und Reboots von alten Filmserien produziert wurden, hat Miller vor neun Jahren den würdigsten Vertreter dieser manchmal unwürdigen Mode im Filmgeschäft ins Kino gebracht. Und nun hat der Mann 2024 mal eben eines der besten „Prequels“ oder „Spin-offs“ (oder „Sidequels“?) der Filmgeschichte geschaffen.
 
01 ©2024 Warner Bros Pictures02 ©2024 Warner Bros Pictures03 ©2024 Warner Bros Pictures04 ©2024 Warner Bros Pictures
 
Dabei hatte Miller aber hochwertige Hilfe. Für den großartigen Look des ganzen Films ist nach „Mad Max: Fury Road“ wieder Colin Gibson verantwortlich, der für seine Arbeit am Vorgänger u.a. mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Gibson hat auch für diesen Film wieder eine aus den Fugen geratene Welt erschaffen, die irgendwie immer Sinn ergibt. Das „Baukastensystem“ der Motoräder, eine ungewöhnliche Steinschleuder, ein umgebauter VW-Bus, ein Loch im Boden das sich beim näheren Hinsehen als Metzgerei entpuppt, ja sogar der Teddy einer bestimmten Figur und unzählige weitere Details machen diese kaputte, wahnsinnige Welt ebenso lebendig wie nachvollziehbar.
 
Die großartige, ebenfalls mit einem Oscar für den Vorgänger ausgezeichnete Margaret Sixel ist wieder für den Schnitt verantwortlich. Sie trägt mehr zum immensen Tempo des Films bei als alle aufgemotzten Schlitten und Motorräder der Bandenmitglieder zusammen. Sowohl Gibson als auch Sixel haben übrigens bereits bei „Schweinchen Babe in der großen Stadt“ mit Miller zusammengearbeitet, einer weiteren gelungenen Fortsetzung eines Erfolgsfilms, die dem Vorgänger mindestens ebenbürtig war.
 
Kameramann Simon Duggan ist neu im Team. Der Neuseeländer hat bisher Musikvideos aber auch Spielfilme wie „Hacksaw Ridge“ oder „The Great Gatsby“ gefilmt. Für „Furiosa: A Mad Max Saga” hat er einen visuellen Stil gefunden, der dem Vorgänger Referenz erweist, aber doch eigenständig genug bleibt um immer interessant zu wirken. Ähnliches gilt für die Musik, die wie beim Vorgängerfilm wieder von Tom Holkenborg (a.k.a. Junkie XL) stammt.
 
The question is, do you have what it takes to make it epic?
 
Ich meinte vorhin, in diesem Film funktioniert sogar, was eigentlich nicht funktionieren sollte. Ein wunderbares Beispiel dafür ist Chris Hemsworth Nase, die er als wahnsinniger Warlord Dementus im Gesicht trägt. Als ich diesen Zinken zum ersten Mal im Trailer gesehen habe, dachte ich bei mir, was soll das denn? Will sich dieser im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Gott gebauter Mann hässlich machen, wie das die attraktivsten weiblichen Hollywoodstars immer tun, wenn sie ernst genommen werden wollen (Nicole Kidman in „The Hours“, Charlize Theron in „Monster“ oder eben „„Mad Max: Fury Road“, Cameron Diaz in „Being John Malkovich“, …)? Oder will er demnächst den Shylock geben? („Oi’m a mate. Hath not a mate oyes?)
 
Nichts dergleichen. Die Nase muss sein. Der wahnsinnige Anführer einer Bande von Plünderern und Mördern muss einfach eine Fresse haben, die sich vom edlen Antlitz eines der mächtigsten Avenger unterscheidet. Anders ergibt es keinen Sinn. Anders geht es gar nicht. Nur mit Nase und Überbiss wird aus Chris Hemsworth erst der verabscheuungswürdige Dementus. Die Nase funktioniert also. Sie funktioniert zusammen mit Hemsworth grandioser, uneitler Darstellung so gut, dass wir hier eine der besten Schurkenfiguren der jüngeren Filmgeschichte sehen.
 
Aber auch wenn Chris Hemsworth jede Szene stiehlt, in der er auftritt, ist „Furiosa: A Mad Max Saga” ein großartiger Ensemblefilm. Der Brite Tom Burke ist bisher kein großer Star. Aber er vermittelt in seiner Rolle eine stille Kompetenz, die sehr viel cooler wirkt als vieles, worum sich Actionhelden mit sehr viel bekannteren Namen in ihren Filmen bemühen.
 
Im ersten Drittel des Films wird die Titelheldin Furiosa von einer jungen Dame namens Alyla Browne dargestellt (Dass Eltern, die ihrem Kind den Namen „Furiosa“ geben, doch eigentlich um Ärger betteln, ist eine von mehreren Kleinigkeiten, die ich bei anderen Filmen kritisieren würde, die mir bei diesem Film aber vernachlässigbar erscheinen). Die junge Schauspielerin legt mit ihrer effektiven Darstellung das emotionale Fundament für den ganzen Film.
 
Anya Taylor-Joy („Split“, „The New Mutants”) ist dann die erwachsene “Furiosa” im Hauptteil des Films. Vielleicht wäre es ein bisschen zu hart, sie mit der großartigen Charlize Theron zu vergleichen, also lasse ich das lieber bleiben. Vielleicht zeigt Regisseur George Miller ihr ganz besonderes Gesicht für meinen Geschmack ein paarmal zu oft in Nahaufnahme. Kann sein. Auf jeden Fall macht Anya Taylor-Joy einen guten Job. Sie agiert extrem agil und vermittelt die Wut der Titelheldin. Das ist bei einer Figur, die „Furiosa“ heißt, aber auch das mindeste, das man erwarten kann.
 
Fazit
 
„Furiosa: A Mad Max Saga” ist so hochwertig gemacht, so überaus gelungen, dieser Film macht es einem leicht, ihn zu genießen.
 
Noch ein persönlicher Hinweis: Natürlich wird dieser Film demnächst auf einem der großen Streaming-Dienste zu sehen sein. Aber „Furiosa: A Mad Max Saga” erzählt vom Leben nach der Apokalypse. Apokalypse bedeutet immer auch Verlust von Kultur, Zusammenbruch der Gemeinschaft. Nicht nur deshalb kann ich jedem echten Filmfan nur raten, diesen Film gemeinsam mit anderen in einem richtigen Kino zu sehen. Nur als Gemeinschaft hält man (Film-)Kultur am Leben.
 
 
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