***Radio Heimat***

 rheimat kritik
 
Autor: Peter Osteried
 
Autobiographische Geschichten haben es in sich. Weil das Leben doch eh die besten Geschichten schreibt. Und ohnehin nichts über den nostalgischen Blick zurückgeht, der zwar rosarot gefärbt ist, aber einen selbst glauben lässt, dass früher eben doch alles besser war. So auch in Frank Goosens Geschichtensammlung „Radio Heimat“, mit der er seine eigene Jugend im Pott der 1980er feiert. Filmisch umgesetzt wurde das Ganze von Matthias Kutschmann.
 
Fünf Freunde
 
Bochum, 1983. Frank und seine drei Freunde Pommes, Spüli und Mückewollen eigentlich nur eins. Endlich mal vögeln. Aber es ist verdammt schwer, dem anderen Geschlecht näherzukommen. Ein Plan muss her. Also schreibt man sich flugs bei einem Tanzkurs ein, aber ganz so wie erhofft, funktioniert das dann trotzdem nicht. Denn Frank hat ja nicht nur irgendeine im Blick. Er will die wunderschöne Carola, in die jeder in seiner Klasse verknallt ist. Aber zum Schuss kommt er trotz einiger Versuche nicht.
 
Aber das Schuljahr ist ja noch lang – und irgendwann steht schließlich auch die große Klassenfahrt an. Aufsichtslehrer hin oder her, hier muss, hier soll es endlich passieren. Aber die Irrungen und Wirrungen der jungen Liebe haben eben auch so ihre Tücken …
 
 
Die Liebe zur Heimat
 
Man merkt dem Film schon die bedingungslose Liebe zum Pott an. „Woanders ist auch scheiße“, sagt man hier, und liebt die graue Tristesse doch. Fachwerkhäuser kann jeder lieben, sagt eine der Figuren, aber um den Pott schön zu finden, muss man schon hier aufgewachsen sein.
 
Erfreulicherweise gilt dies jedoch nicht, um „Radio Heimat“ toll finden zu können. Tatsächlich ergibt sich eine zusätzliche Unterhaltungsebene, wenn man nicht aus der Gegend stammt. Denn ein paar der Nebenfiguren haben sehr lustige Akzente.
 
Das Highlight ist hier ganz klar der Laberfürst, der seinem Namen alle Ehre macht. Denn er hat immer eine langweilige, ausufernde und nicht enden wollende Geschichte auf Lager, obwohl er im Grunde von Nichts eine Ahnung hat.
 
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Es hat sich nichts verändert
 
Im Grunde wird eine ganz normale Coming-of-Age-Geschichte erzählt, die halt nur zufällig in den 1980er Jahren spielt. Der einzige Unterschied zu heute sind die Frisuren, die Klamotten und der eklatante Mangel an praktischer Technik, mit der man heute durchs Leben geht. Ansonsten ist die Achterbahn der Gefühle aber immer gleichgeblieben.
 
Die Geschichte ist dabei alles andere als neu. Im Gegenteil: Sie ist wohlig vertraut. Man fühlt sich hier sofort zuhause, weil die Figuren so sympathisch sind, weil aber auch die Gefühlswelten, die hier beschrieben werden, so echt sind. Darüber hinaus wirken die 1980er authentisch. Nicht nur der Optik, sondern auch der knackigen Musik wegen.
 
Was im Buch eine Aneinanderreihung von Geschichten ist, hat auch im Film leicht episodischen Charakter. Nicht zuletzt, weil auch immer wieder Rückblenden eingestreut werden, die zeigen, wie sich Franks Eltern kennen lernten. Aber Kutschmann schafft es, aus diesem Wust an Episödchen ein homogenes Ganzes zu machen. Er spielt sogar mit der Form, indem er immer wieder Kapiteltitel einblendet, die häufig in die Irre führen.
 
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Fazit
 
„Radio Heimat“ ist eine vergnügliche Geschichte übers Erwachsenwerden, die die nötige Ausgelassenheit und Freiheit besitzt, die mit dieser Zeit assoziiert wird. Damit einher geht reichlich Komik, aber das ist längst nicht alles, da es der liebevolle Umgang mit den Figuren auch versteht, ein wenig dramatischen Tiefgang einfließen zu lassen. Das erhöht „Radio Heimat“ automatisch.
 
Einerseits hat man das an sich schon amüsante 1980er-Jahre-Flair, andererseits gibt es eine Wahrhaftigkeit, die universelle Gültigkeit hat. Darüber hinaus stimmt der Humor einfach, und das nicht nur, indem mit Ralf Richter, Heinz Hoenig und Willi Thomczyk ein paar Größen des Pott-Films in launigen Cameos auftauchen, sondern vor allem, weil die Figuren so exakt getroffen sind. Die Jungdarsteller sind dabei durch die Bank gut, besondere Beachtung verdient jedoch David Hugo Schmitz als Frank.
 
Eine sympathische Verbeugung vor dem Pott, die nicht nur nostalgisch daherkommt, sondern auch reichlich frech ist. Mit einer Erkenntnis, die schon der Untertitel zu bieten hat: Damals war auch scheiße.
 
 
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