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Kritik: Infinity Pool

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Autor: Peter Osteried
 
Der Sohn läuft mittlerweile dem Vater den Rang ab: Brandon Cronenberg. Dessen neuestes Werk INFINITY POOL hat am ersten Wochenende schon mehr eingespielt, als CRIMES OF THE FUTURE von David Cronenberg über seine ganze Laufzeit.
 
Das mag auch daran liegen, dass die Filme des jungen Cronenberg zwar nicht unbedingt zugänglicher sind, den Zuschauer aber leichter in ihre delirierende Welt hineinziehen. Auf jeden Fall ist INFINITY POOL ein ungewöhnlicher, origineller, bis zum Schluss überraschender Film.
 
Die ultimativen Hedonisten
 
Der erfolglose Schriftsteller James Foster (Alexander Skarsgard) macht mit seiner reichen Frau Em (Cleopatra Coleman) in einem südamerikanischen Land Urlaub. Das Ressort sollen sie nicht verlassen, dann lernen sie aber Gabi (Mia Goth) und ihren Mann Alban (Jalil Lespert) kennen. Die beiden kennen sogar James‘ Buch, was diesem sehr schmeichelt. Man freundet sich an und verbringt einen Tag außerhalb des Ressorts. Bei der Rückfahrt geschieht jedoch ein Unglück. James überfährt jemanden!
 
In Panik wird Fahrerflucht begangen, doch das ist nur der Auftakt zu einer neuen Erfahrung, von der James hinweggefegt wird. Denn mit Mördern verfährt man in diesem kleinen Ländchen auf ganz besondere Weise …
 
 
Ein Bilderrausch
 
Schon das erste Bild des Films illustriert, dass bald nichts mehr ist, wie es war. Die Kamera dreht sich und das Gezeigte steht auf dem Kopf. Dem folgt Brandon Cronenberg dann auch konsequent in seiner Erzählung. Schon mit seinem vorherigen Film POSSESSOR hat er bewiesen, dass er es versteht, tief in die Psyche seiner Figuren hineinzukriechen und Dinge ans Licht zu holen, die zutiefst hässlich sind. Hier ist es nicht anders. Er wirft einen Blick auf die ultimativen Hedonisten, auf Menschen, die alles erleben und genießen wollen, die diese Urlaubszeit in dem fiktiven Staat nutzen, um jedwede Scham abzustreifen. Sie folgen ihren Trieben, weil sie Geld haben und nichts ihnen etwas anhaben kann.
 
Es wäre leicht zu glauben, dass man wissen würde, wie die Geschichte von INFINITY POOL sich entwickelt. Aber dem ist nicht so. Der Film ist nicht nur ungreifbar in seiner Erzählweise, unwirklich in der Welt, die er etabliert, sondern auch eiskalt. Fast schon abstoßend, und das umso mehr, wenn Skarsgards Figur in diesen Sog der Transformation gerät – weg von dem Menschen, der er war, hin zu einer Kreatur, die sich am eigenen Leid ergötzt. Das klingt paradox, im Film ergibt es aber Sinn. All das packt Cronenberg in eindrucksvolle Bilder. Der Anfang erinnert an Gaspar Noe, ebenso die Sex- und Orgienszenen, die ein einziger Rausch an Bild und Ton sind.
 
Kein Wunder, denn er konnte sich die Prozesse des Filmemachens schließlich schon als kleiner Junge von seinem berühmten Vater David Cronenberg abschauen. Wie er uns im Interview auf der Berlinale 2023 verraten hat: Ich bin mit dem Filmemachen aufgewachsen und habe daher ein sehr gutes Verständnis für diesen Prozess entwickelt. Aber ich und mein Vater arbeiten nicht zusammen und diskutieren auch nicht viel darüber. Ich meine, nicht mehr als jede Familie darüber spricht, was jeder vorhat. Aber er sieht sich natürlich meine Filme an und ich sehe mir seine Filme an.
 
Für eine Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn wäre bei diesem Projekt ohnehin keine Zeit gewesen. Denn die Dreharbeiten waren alles andere als entspannt, so Brandon Cronenberg: Das war eine ziemlich stressige Angelegenheit. Weil wir versucht haben, in relativ kurzer Zeit sehr viel zu realisieren. Es ist eben ein sehr kleiner Film gewesen, mit einem noch kleineren Budgt. Die Dreharbeiten waren also sehr anstrengend.
 
01 ©2023 Universal Pictures02 ©2023 Universal Pictures03 ©2023 Universal Pictures04 ©2023 Universal Pictures
 
Stark gespielt
 
In den USA hätte der Film in seiner ursprünglichen Form ein NC-17-Rating erhalten. Das ist der kommerzielle Tod. Darum musste ein Moment gekürzt werden. Bei der Fassung, die beim Sundance-Festival gezeigt wurde, ist sie vorhanden, hierzulande auch. Sie enthält einen Cumshot, der folgt, als Gabi sich an James heranmacht. Es hätte diesen Moment nicht gebraucht, er unterstreicht jedoch die konsequente Kompromisslosigkeit, mit der Cronenberg erzählt.
 
Skarsgard ist hervorragend. Ursprünglich war ein Angebot an Robert Pattinson gegangen, aber der hatte abgelehnt. Gut für den Schweden, der hier wirklich gefordert wird. Seine Figur begibt sich hier in die neun Höllenkreise – der letzte ist wohl den absoluten Hedonisten vorbehalten. Skarsgard zu seiner intensiv eindringlichen Rolle: Ich glaube, ich habe mich immer zu Figuren hingezogen gefühlt, die mich herausgefordert haben und die besonderes sind. Ich fühle mich zu Nonkonformität hingezogen, zu etwas, von dem ich glaube, dass es die Grenzen in irgendeiner Weise verschiebt.
 
Ihm zur Seite steht Mia Goth, die nach Filmen wie NYMPHOMANIAC, X und PEARL bei vielen schon Kultstatus genießt. Sie ist eine der eindringlichsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Zurecht hat sie beklagt, dass Prestige-Verleihungen wie die Oscars Genre-Filme regelmäßig ignorieren. Dabei hat gerade sie in letzter Zeit gezeigt, was in diesem Genre für schauspielerische Herausforderungen zu meistern sind.
 
Die Chemie mit Skarsgard ist also vorhanden, weswegen der Stimmungswechsel bei ihrer Figur dann auch umso mehr wie ein Schlag in die Magengrube wirkt. Denn der Hedonist interessiert sich nur für das eigene Vergnügen und bezieht es auch daraus, sich über andere zu erheben.
 
Szenen, welche die Schauspielerin ziemlich genossen hat: Es hat großen Spaß gemacht, sie spielen, weil man selbst in den Szenen ständig etwas über diese Figur gelernt hat und es Dinge gab, die ich nicht geplant und nicht vorbereitet hatte. Und sich deshalb echt und sehr authentisch anfühlen.
 
Fazit
 
Wenn es einen legitimen Nachfolger für David Cronenberg gibt, dann nur seinen Sohn Brandon. Er hat mit seinen bisherigen Filmen gezeigt, dass er wie sein Vater Geschichten erzählen kann, die sich jeder Konvention entziehen, aber immer faszinieren.
 
Das gilt auch für INFINITY POOL, der über knapp zwei Stunden keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt, sondern mit der Irrealität dieser Welt, in die die Hauptfigur hineingeraten ist, auch den Zuschauer den Boden unter den Füßen wegreißt.
 
 
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