Sprechen wir zunächst über alles, was Waititi richtig gemacht hat. Denn das ist eine Menge. Die visuelle Gestaltung des Films ist großartig. Gedreht wurde in den geschichtsträchtigen Barrandov Studios in Prag. Die UFA hat dort in den 40er Jahren gedreht, als die Studios in Berlin und Wien immer öfter von den Alliierten bombardiert wurden. Später entstanden dort u.a. die tschechischen Märchenfilmklassiker wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Die Außenaufnahmen von Jojos fiktiver deutschen Heimatstadt entstanden in Nordböhmen. Die Hintergründe wirken herrlich realistisch und in Kombination mit den fantastischen Elementen des Films entsteht ein ganz bezaubernder und einzigartiger Look.
Ebenso bezaubernd und einzigartig ist der Humor des Films. Die Gags überschreiten regelmäßig jede Menge Grenzen. Drehbuchautor Waititi hat sich offensichtlich nie gefragt, was „passend“ sein könnte oder was „ankommen“ könnte. Sein Auswahlkriterium lautete vermutlich bloß „ist es witzig?“. Ich gebe zu, ich hätte vor diesem Film nicht gedacht, mal darüber lachen zu können, wie ein kleiner Junge sich mit einer Handgranate fast selbst umbringt. Aber genau das habe ich getan. Und noch mehr. Waititi ist ein Meister seines Fachs und sein Sinn für Timing so präzise, dass ich mich sogar über Gags amüsiert habe, von denen ich weiß, dass sie nicht lustig sein sollten.
Wenn Adolf Hitler im Film ein eitler, verpeilter Idiot ist, muss man für diesen Ansatz dankbar sein. Er ist mittlerweile oft genug als Dämon oder genialer Wahnsinniger dargestellt worden. Wenn eine Jungvolk-Betreuerin stolz erklärt, 18 Kinder für Deutschland geboren zu haben und mit einer Geste andeutet, wie leicht die letzten paar Kinder entbunden wurden, ist das ein großartiger Kommentar zum Mutterkult, der ja nicht auf das Dritte Reich beschränkt blieb. Wenn die Gestapo als ein skurriler Haufen diensteifriger Beamter gezeigt wird, mag das gar nicht so weit von der Realität entfernt sein. Der Schrecken einer Hausdurchsuchung durch diese Meute sollte dadurch aber nicht abgeschwächt werden. Auch Jojos Bilderbuch kommt am Ende einmal zu oft vor.
Der größte Teil der Pointen funktioniert aber wunderbar. Und die Gags kommen in rascher Folge, wie aus einem MG42 abgefeuert. Wer will raten, wie lange es nach der Warnung eines Ausbilders „Kein Abstechen!“ dauert, bis das erste Jungvolkmitglied ein Messer im Bein stecken hat? So könnte man fast übersehen, wie gut der Film auch als Drama funktioniert. Jede Figur, nicht bloß der kleine Jojo, hat seine eigene Geschichte. Jede Figur ist ein eigener Charakter, mit einer eigenen, nachvollziehbaren Motivation. Wir können nachvollziehen, warum die Mutter die Gefahr auf sich nimmt, die junge Jüdin zu verstecken. Wir erkennen, was mit einem Hauptmann und seinem Unteroffizier los ist, lange bevor seine Uniform für den Endkampf zu sehen ist. Und wir können den Zorn und die Wut der jungen Frau unter dem Dach verstehen.
Wir sind dann Helden für einen Tag
Der Humor und das Drama dieser Geschichte können aber nur wirken, wenn die Schauspieler es schaffen, beides zu vermitteln. Und auch hier hat Waititi wieder alles richtig gemacht. Seine Besetzung ist erstklassig ausgewählt und jeder einzelne Darsteller zeigt eine persönliche Bestleistung.
Scarlett Johansson haben wir in letzter Zeit vor allem in Marvel-Filmen gesehen. In Filmen wie „Lucy“, „Ghost in the Shell“ und „Girl’s Night Out“ war es ihr auch nicht möglich, zu zeigen, was sie als Darstellerin zu leisten vermag. Und so sehen wir hier ihre beste Leistung seit langem. Jojos Mutter ist eine witzige, charmante, starke Frau und eine liebende Mutter, die in einer furchtbaren Zeit Erstaunliches leistet. Johansson hat auch ohne Leder-Catsuit eine unglaubliche Leinwandpräsenz.
Sam Rockwell war immer schon ein Spezialist für die Verkörperung schräger Charaktere, bevor er vor zwei Jahren für seine eher konventionelle Darstellung des Hilfssheriffs in „Three Billboards“ den Oscar bekam. Er hat als Hauptmann Klenzendorf leider nur wenige Szenen, von denen jede einzelne großartig ist. An einer Stelle zeigt er einen einfachen Akt großartiger Menschlichkeit, der zu Tränen rührt.
Rebel Wilson hat in den letzten Jahren in Filmen wie „Die Trauzeugen“, „Pitch Perfect 1-3“ und zuletzt „Glam Girls“ immer wieder die gleiche Figur gespielt. Und ehrlich gesagt, wurde das Ganze schon ein bisschen langweilig. Hier brilliert sie als Jungvolk-Betreuerin.
Regisseur und Autor Taika Waititi ließ es sich nicht nehmen, Jojos imaginären Freund Adolf Hitler selbst darzustellen. Und natürlich war Waititi nie an einer realistischen Darstellung gelegen. Als durchgeknallter, verwirrter Führer gibt er seinem Affen Zucker und sorgt so für einige nette Gags.
Eine der beiden besten Leistungen des Films liefert aber die junge Thomasin McKenzie als Elsa. Sie spielt das versteckte Mädchen erst bedrohlich und wütend, dann blitzgescheit und sensibel und das immer absolut authentisch. So ist es kein Wunder, wenn Jojo sich in das Mädchen verliebt.