*** Unsane - Ausgeliefert ***

 
unsane kritik
 
Autor: Walter Hummer
         
Steven Soderberghs neuer Film ist zuerst ein Psychothriller über eine junge Frau die das Opfer des gleichgültigen Systems einer psychiatrischen Anstalt wird. Dann wird er zum Horrorfilm in dem die junge Frau gegen einen gefährlichen Stalker kämpfen muss.
 
Erst lesen, dann unterschreiben
 
Sawyer Valentini (Claire Foy) ist eine junge Frau, die offensichtlich einige Probleme hat. Bei der ersten Verabredung mit einer Internetbekanntschaft kippt sie Kurze und Bier und lädt den Mann gleich zum Sex zu sich nach Hause ein. Dort angekommen scheint sie der körperliche Kontakt aber abzustoßen. Wie wir erfahren, ist Sawyer Opfer eines Stalkers. Obwohl sie in eine andere Stadt gezogen ist, glaubt sie immer noch, überall ihren Stalker zu sehen. Sawyer hat etwas, das in den USA ebenso wertvoll wie selten ist: eine Krankenversicherung. Also wendet sie sich an eine Klinik um Hilfe.
 
Die junge Frau ist froh, endlich mal mit jemandem sprechen zu können, der zuhört. Ganz nebenbei erzählt sie, auch schon mal an Suizid gedacht zu haben. Anschließend liest sie sich die Formulare nicht erst durch, die man sie unterschreiben lässt. Als Sawyer aufgeht, dass sie sich selbst für 24 Stunden zur Beobachtung in die Klinik eingewiesen hat, reagiert sie zunächst verständlicherweise aufgebracht.
 
 
Mit ihrem einzigen Anruf versucht sie die Polizei zur Hilfe zu rufen, was ihr als irrationales Verhalten ausgelegt wird. Als sie nachts wieder einmal meint, ihren Stalker zu sehen, greift sie einen der Pfleger an. Dafür wird sie nicht nur ruhig gestellt. Weil sie nun eine Gefahr für sich und andere ist, darf man sie für volle sieben Tage in der Klinik behalten. Und dann stellt sich heraus, dass Ihr Stalker David tatsächlich als Pfleger in der Klinik arbeitet ….
 
Im Anschluss an die Pressevorführung hatte ich ein kurzes Gespräch mit einer anderen Kritikerin. Die intelligente, gebildete Dame tat den ganzen Film pauschal als Unsinn ab. „So geht das alles doch gar nicht“. Ach, ist das so? Die Causa rund um Gustl Mollath ist zurzeit noch immer nicht abgeschlossen. Zur Erinnerung: Mollath, hatte sicher emotionale Probleme, aber die haben viele Menschen. Er hat sich vermutlich bloß einer Sachbeschädigung schuldig gemacht, die üblicherweise eine Geldstrafe eingebracht hätte. Wegen mehrerer Gutachten von Ärzten, die ihn zum Teil nie persönlich getroffen haben, musste Mollath aber mehr als 5 Jahre im psychiatrischen Maßregelvollzug verbringen. Diese und ähnliche Geschichten haben sich in Deutschland zugetragen. Ebenfalls hier in Deutschland geben Ärzte in Interviews immer wieder zu, überflüssige Behandlungen und sogar Operationen zu verschreiben, nur um Umsatzziele zu erreichen. In den USA, wo der Turbokapitalismus in letzter Zeit noch jede Menge Tuning erfährt, wirkt die Ausgangssituation des Films gar nicht mehr so weit hergeholt.
 
Ebenso wie bei der Handlung war sicher auch bei der Produktion das Geld ein entscheidender Faktor. Wegen des überschaubaren Budgets, hat sich die Einmischung des Studios sicher in Grenzen gehalten. So konnten eine Menge typischer Defizite von Hollywoodfilmen vermieden werden. Es gibt keine unnötige Nebenfigur, die für Lacher sorgt. Die Darstellerinnen sind keine Modells die man vor eine Filmkamera gescheucht hat. Die Heldin ist kein Engel. Und das Drehbuch musste nicht weichgespült werden. Vor allem gegen Ende hält sich der Film kein bisschen zurück.
 
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Der Doktor …
 
Selbst die weniger gelungenen Filme Steven Soderberghs haben meistens ihre originellen Aspekte. Und sie sind in technischer Hinsicht immer hervorragend gemacht. „Ocean’s Eleven“ war nicht mehr als eine belanglose Krimikomödie, die einfach nur extrem hochwertig produziert wurde. Mit „Solaris“ hat Soderbergh ein Buch verfilmt, das er offensichtlich nicht verstanden hat.
 
Trotzdem ist der Film schön anzusehen. Nun hat er „Unsane – Ausgeliefert“ laut Pressetext „vollständig mit einem iPhone“ gedreht. Auch wenn ich vermute, dass bei der Produktion mehr als ein Gerät benutzt wurde, ist das Ergebnis durchaus sehenswert. Wir sehen Bilder, die in ihrer Alltäglichkeit fast banal wirken und dann wieder Einstellungen, die den größten Teil der beängstigenden Wirkung des Films ausmachen. Angeblich hat die Drehzeit nur etwas mehr als eine Woche betragen. In dieser Zeit hat Soderbergh nach einem Drehbuch der noch weitgehend unbekannten Autoren Jonathan Bernstein und James Greer etwas Besonderes geschaffen: einen Horrorfilm der nicht komplett unlogisch und trotzdem spannend ist. Natürlich ist nicht alles in dem Film schlüssig. Aber gemessen an den Standards des Genres, sind die Entwicklung der Handlung und die Reaktionen der Figuren absolut nachvollziehbar.
 
… und die Patienten
 
Die britische Schauspielerin Claire Foy kennen wir als Queen Elizabeth in der TV-Serie „The Crown“. Hier spielt sie zunächst sehr glaubwürdig eine junge Frau mit emotionalen Problemen. Im weiteren Verlauf der Handlung muss sie sich besser in den Griff bekommen, klüger vorgehen und härter werden. Sehr viel härter. All das vermittelt Foy durchaus nachvollziehbar und trägt damit den Film.
 
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An Joshua Leonard erinnert sich vielleicht noch der eine oder andere aus „The Blair Witch Project“. Hier spielt er den Stalker David nicht als Monster, sondern als zutiefst gestörten Mann, den seine kranke Wahrnehmung immer weiter und weiter treibt.
 
Ein alter Bekannter von Steven Soderbergh ist in einem schrägen Cameo zu sehen. Offensichtlich hat er nach „Thor: Tag der Entscheidung“ Geschmack an solchen Auftritten gefunden.
 
Fazit
 
„Unsane – Ausgeliefert“ zeigt, dass es nicht viel braucht, um einen guten Film zu machen. Wenn ein Regisseur weiß was er tut und er dabei Unterstützung in Form einer guten Besetzung und eines brauchbaren Drehbuchs hat, kann selbst ein Horror-Film das übliche Niveau des Genres übetreffen.
 
 
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