Im neuesten Thriller von Bill Condon spielt Ian McKellen einen notorischen Berufsverbrecher, der es auf eine reiche Dame abgesehen hat, die er um ihr Vermögen erleichtern will. Leichter gesagt als getan, entwickelt sich doch ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem man nicht mehr sicher sein kann, wer nun hereingelegt werden soll.
Katz und Maus
Roy Courtnay (Ian McKellen) lebt davon, andere Leute hereinzulegen und auszunehmen. Dafür geht er auch über Leichen. Hauptsache, die Kasse stimmt. Nach seinem jüngsten Coup beginnt er sich für die Witwe Betty McLeish (Helen Mirren) zu interessieren. Beide treffen sich, lernen sich kennen, finden einander sympathisch. Es dauert nicht lange und Roy, der sich gebrechlich gibt, zieht bei Betty ein.
Das wiederum gefällt ihrem Enkel Steven (Russell Tovey) gar nicht, weil ihm das alles viel zu schnell geht und er Roy misstraut. Steven glaubt, dass Roy nur hinter dem Geld seiner Großmutter her ist. Roys Pläne entwickeln sich derweil. Diesmal will er den ganz großen Coup landen, nach dem er sich zur Ruhe setzen kann. Aber Betty hereinzulegen, erweist sich als schwieriger als gedacht. Könnte sie am Ende ahnen, was er wirklich vorhat?
Vom Roman zum Film
THE GOOD LIAR basiert auf Nicholas Searles Roman „Das alte Böse“. Bei der Adaption hat man sich jedoch einige Freiheiten genommen, die zu Lasten des Films gegangen sind. Searle erzählt von Roy in Rückblicken, die immer weiter in die Vergangenheit zurückführen und aufzeigen, wozu dieser Verbrecher wirklich bereit ist.
Im Film gibt es diese Rückblenden nicht. Es gibt insgesamt nur zwei, eine aus Roys, eine aus Bettys Sicht. Sie haben aber nicht die durchschlagende Wirkung der kulminierenden Szene des Romans. Weil der Vorbau einfach fehlt. Dem Film hätte es gutgetan, die Struktur des Romans nachzuempfinden. Stattdessen hat man sich entschieden, Roys Verkommenheit mit einer gegenwärtigen Nebengeschichte zu illustrieren.
Das Problem damit ist aber, dass der Film deutlich an Vorhersehbarkeit zunimmt. Und: Als Zuschauer ahnt man, auf was für einen Twist der Film hinausläuft, der gibt sich aber reichlich stur und spult seine Geschichte vollkommen geradlinig ab – in der Hoffnung, das Ende würde mit einem Aha-Erlebnis überraschen. Stattdessen bestätigt es nur, was man erwartet hat.
Tolles Duo
Der Film mutet ein wenig wie die grimmigere Version von ZWEI HINREISSEND VERDORBENE SCHURKEN an, schafft es aber nie, sich über die Notwendigkeit eines Twists zu erheben. Der Vorhersehbarkeit wegen hält sich die Spannung in THE GOOD LIAR in Grenzen. Das wäre eigentlich das Königsrezept, um den Zuschauer so richtig zu langweilen. Langweilig ist der Film aber nie, denn einerseits hat Bill Condon ihn mit der gebotenen Eleganz inszeniert, andererseits lebt er vor allem von seinen großartigen Schauspielern.
Die Nebenrollen sind mit Jim Carter und Russell Tovey hervorragend besetzt, es sind aber Ian McKellen und Helen Mirren, die diesen Film zum Erlebnis werden lassen. Es ist einfach grandios, diesen beiden Mimen beim Spiel zuzusehen. McKellen hat dabei noch die dankbarere Rolle, weil er seine Figur weit vielschichtiger anlegen kann: Gebrechlich, stark, verschlagen, charmant, brutal, mordlüstern.
Fazit
„The Good Liar“ hätte mit einem filigraneren Skript wohl das Zeug zum großen Klassiker gehabt, so reicht es aber nur zum gefälligen Thriller, der nicht von seiner Geschichte, sondern einzig und allein von den beiden Hauptdarstellern lebt.
Hinzu kommt, dass die Geschichte bei genauerem Nachdenken etwas auseinanderfällt, da die sie stützende Logik nicht wirklich überzeugen will. Aber über all das sieht man gerne hinweg, wenn man Ian McKellen und Helen Mirren fast zwei Stunden bei dem zuschauen kann, was beide am besten können.