D.C. is falling ...
Es ist immer wieder traurig, zu sehen, was für ein gut gemachter, interessanter Film unter dieser wilden Mischung aus falschen Entscheidungen, Unentschlossenheit und Filmklischees begraben liegt. In einzelnen Szenen wird uns das packende Drama vermittelt, das ein sehr viel besserer Regisseur vielleicht aus Alex Garlands Vorlage herausgearbeitet hätte. Ein ausgebrannter Militärhubschrauber vor einem JC Penney hätte ein hervorragendes Bild abgeben können. Aber Alex Garland hatte zwar die Idee zu diesem Bild, scheitert aber daran, uns dieses Bild so zu zeigen, dass es uns mit der gebotenen Wucht erreicht.
Eine kurze Dialogstelle rund um die Frage, welche Währung an einer Tankstelle akzeptiert wird, ist brillant. Leider bleibt diese Szene alleine für sich stehen und wir erfahren nichts über die wirtschaftlichen und anderen Bedingungen der Krise. Ein Selbstmordattentat reißt uns fast aus dem Kinositz. Aber danach plätschert der Film eine halbe Stunde ereignislos vor sich hin. Eine Szene rund um ein Massengrab mitten in der amerikanischen Provinz ist der pure Horror. Aber diese Szene konnte leider nur stattfinden, weil sich erfahrene Kriegsberichterstatter zuvor mitten in einem Kriegsgebiet wie unreife Teenager aufgeführt haben.
Am Ende wirkt „Civil War“ nicht wie ein einheitlicher Film, sondern wie Flickwerk. Die viel zu laut und viel zu aufdringlich eingesetzte Filmmusik hilft uns auch kein Bisschen, in den Film einzutauchen. Die Komponisten Geoff Barrow und Ben Salisbury haben bereits an Garlands Filmen „Ex Machina“, „Auslöschung“ und „Men“ mit ihm zusammen gearbeitet. Und auch wenn jeder dieser Filme seine Qualitäten hatte, so ist doch keiner wegen der subtilen Musik im Gedächtnis geblieben.
Das Episodenhafte von „Civil War“ wird beim Finale noch einmal extrem deutlich. Als sich die verbleibenden Hauptfiguren in Washington D.C. die Pennsylvania Avenue hinunter kämpfen geht es plötzlich um etwas, das zuvor nie Thema war. Wie in einem Computerspiel gilt es plötzlich eine Aufgabe im Haus mit der Nummer 1600 zu bewältigen. An dieser Stelle wird der anderthalb Stunden unentschlossen, von einer Episode zur anderen mäandernde Film plötzlich zum Actionfilm. Die zynische Schlusspointe soll wohl kurz vor dem Abspann einen Gehalt vermitteln, den der Film leider nie hatte.
We just try to stay out
Wenn „Civil War“ wie ein Episodenfilm ohne Rahmenhandlung und Überbau wirkt, dann hilft das den Darstellern natürlich auch nicht. Kirsten Dunst hat während der letzten dreißig Jahre ihr Talent in so unterschiedlichen Filmen wie „Interview mit einem Vampir“, „Marie Antoinette“ oder „The Power of the Dog“ bewiesen. In „Civil War“ vermittelt sie uns keinen Charakter und keine Geschichte. Sie wirkt eigentlich nur alt und müde. Die Liste der Darstellerinnen, die das vermitteln können ist lang. Dafür braucht es keine Künstlerin vom Kaliber einer Kirsten Dunst.
Cailee Spaeny hat erst neulich mit Sofia Coppolas „Priscilla“ einen hervorragend gemachten, anspruchsvollen Film fast allein auf ihren schmalen Schultern getragen. In „Civil War“ kann sie uns nicht einmal ihre unreife kleine Nebenfigur vermitteln. Wenn Kirsten Dunst nur alt und müde wirkt, dann wirkt Cailee Spaeny vor allem jung und dumm. Die Liste der Darstellerinnen, die das vermitteln können, ist noch länger als die vorangegangene.
Wagner Moura kennt man als Pablo Escobar in der TV-Serie „Narcos“. In Filmen hat er bisher vor allem klischeehafte Nebenrollen wie „Vierter Gauner von links“ in „The Gray Man“ dargestellt. Seine Figur in „Civil War“ bietet Moura nicht einmal genug Substanz um seine Darstellung klischeehaft zu gestalten. Stephen McKinley Henderson ist einer dieser Nebendarsteller, die man immer wieder in Filmen sieht („Lady Bird“, „Dune“), deren Namen aber niemand kennt. Hätte Alex Garland sich mit seiner Figur ein bisschen mehr Mühe gegeben, hätte er das Klischee des „Magical Negro“ darstellen können.
Den großartigen Nick Offerman („Parks and Recreation“, „Bad Times at the El Royale”) als US-Präsidenten zu besetzen und sein Talent dann so zu verschwenden, ist das deutlichste Anzeichen dafür, dass man Alex Garland nicht alleine über einen ganzen Film entscheiden lassen darf.
Jesse Plemons hat sich im Lauf der letzten Jahre von kleinen Nebenrollen in Filmen wie „The Master“ und „The Homesman“ und „Vice“ zu einem der vielseitigsten Charakterdarsteller Hollywoods entwickelt („The Power of the Dog“). Sein kurzer Auftritt in „Civil War“ bildet einen der wenigen Höhepunkte dieses Films. Die Sequenz mit Plemons vermittelt einen kurzen Einblick in den Verstand eines Menschen, der keine Mitmenschen sondern überall nur „Fremde“ und „Andere“ und irgendwann nur noch „Feinde“ sieht. Diese Sequenz vermittelt auch einen kurzen Einblick in das Potential, das Alex Garland mit „Civil War“ verschenkt hat.