Und doch fehlt irgendetwas. Vielleicht der Reiz des Neuen? „Thor: Tag der Entscheidung“ war eine wunderbare Überraschung. Nun sind wir an Waititis herrlich schrägen Stil gewöhnt. Vielleicht bin ich einfach nur undankbar. Immer wieder beklage ich den Mangel an Originalität der meisten Filme und hier habe ich einen Film mit einem eifersüchtigen Hammer und durchs All galoppierenden Ziegen und bin doch nicht vollständig zufrieden. Vielleicht ist es auch einfach nur zu viel des Guten?
„Thor: Love and Thunder“ ist der neunundzwanzigste Spielfilm des Marvel Cinematic Universe seit „Iron Man“ im Jahre 2008. Seit vierzehn Jahren bekommen wir mindestens zwei Marvel-Filme pro Jahr. Tatsächlich werden die Abstände immer kürzer. „Black Widow“ lief am 08.07.2021 an, also vor fast genau einem Jahr. Seither kamen mit „Shang-Chi“, „Eternals“, „Spider-Man: No Way Home“ und zuletzt „Doctor Strange in the Multiverse of far too many Marvel Heroes” vier weitere Filme in die Kinos. Wir sind also mittlerweile bei fünf Marvel-Filmen pro Jahr angekommen.
Obwohl „Shang-Chi“ sicher kein Höhepunkt des MCU war, waren alle diese Filme unterhaltsam. Alle waren gut gemacht. Bei keinem dieser Filme wollte man das Geld für die Eintrittskarte zurück haben. Und „Thor: Love and Thunder“ ist noch unterhaltsamer als all diese Filme des letzten Jahres, noch besser gemacht. Bin ich also undankbar, wenn ich meine, ein fantastischer Regisseur wie Taika Waititi hätte mit dem Budget, den Darsteller*innen und dem ganzen kreativen Potential dieses Films etwas ganz anderes, noch viel besseres und vor allem Neues machen können? Stattdessen liefert man uns nur noch mehr vom Vertrauten und erinnert damit an das Repertoire der Schauspieltruppe in New Asgard.
Thor des Monats
Abgesehen von asgardischen Schauspieltruppe hat „Thor: Love and Thunder“ noch weitere Stars zu bieten. Chris Hemsworth ist natürlich wieder dabei. Er könnte den Donnergott vermutlich im Schlaf spielen, gibt sich aber immer noch Mühe. Er zeigt nicht nur wieder vollen Körpereinsatz. Er vermittelt auch eine begeisterte und begeisternde Energie, die gerade Darstellern in wiederkehrenden Rollen oft fehlt.
Natalie Portman ist wieder mit von der Partie. Sie ist nicht bloß einfach wieder Dr. Jane Foster, das haben bereits der Trailer und das Plakat zum Film verraten. Sie spielt ihre Rolle mit der Kompetenz, die man von der erfahrenen Darstellerin („Black Swan“, „V for Vendetta“) erwarten darf. Auch sie muss sich sehr gut vorbereitet haben. Der Oberarm dieser sonst so zarten Person wirkt nicht viel dünner als der von Chris Hemsworth. Andererseits wirkt Frau Portmann, von der wir wissen, dass sie gerade mal 160 cm groß ist, in einigen Szenen nur unwesentlich kleiner als Hemsworth mit seinen 191 cm. Man darf also annehmen, dass der eine oder andere Filmtrick Anwendung gefunden hat.
Tessa Thompson („Creed“) ist in ihrer Rolle der Walküre angekommen. Sie ist witzig und wirkt in Kampfszenen bedrohlich. Taika Waititi ist wieder ebenso witzig als Stimme von Korg. Und Russell Crowe ist auch witzig als Göttervater Zeus, auch wenn der rassistische Akzent nicht nötig gewesen wäre.
Die Besetzung von Christian Bale als Widersacher Gor ist ein Geniestreich. Waititi hat exakt den richtigen Darsteller für den richtigen Part besetzt. Bale ist unter anderem ein unterschätzter Darsteller, weil er unter den falschen Regisseuren immer entweder übertreibt oder bloß markiert. Für jeden Film in dem Bale fantastisch war, wie „The Prestige“ oder „3:10 to Yuma“, hat er Filme wie „Terminator Salvation“, „Exodus“ oder „Vice – Der zweite Mann“ gedreht.
Waititi lässt Bale hier einen gebrochenen Mann spielen, der alles verloren hat und darüber wahnsinnig geworden ist. Bale trägt selbst in der Darstellung des abgrundtief Bösen nie zu dick auf. Sogar der Wahnsinn seiner Figur ist nachvollziehbar. Dieser Gor bleibt immer menschlich, selbst wenn er Götter tötet. So wirkt seine Entwicklung bis zum Ende logisch und homogen.