*** Der Vorname ***

 
dvn kritik
 
Autor: Walter Hummer
      
In Sönke Wortmanns neuem Film steckt eine wirklich grandiose Gesellschaftskomödie. Leider steckt sie dort aber fest. Und niemand hilft ihr raus.
 
„It’s wonderful“
 
Universitätsprofessor Stephan (C.M. Herbst) und seine Gattin Elisabeth (Caroline Peters), ihres Zeichens Lehrerin am Gymnasium, haben Gäste zum Abendessen. Rene (Justus von Dohnányi), Elisabeths bester Freund seit Kindertagen, kommt als erster. Elisabeths Bruder Thomas (Florian Fitz), ein erfolgreicher Immobilienmakler, und seine Freundin Anna (Janina Uhse) erwarten Nachwuchs und sollten direkt von der Ultraschalluntersuchung kommen. Aber Anna verspätet sich. Und Thomas wird von Stephan erst ins Haus gelassen, nachdem er ein demütigendes Literatur-Quizz über sich ergehen lassen musste. Elisabeth verschwindet immer wieder in der Küche, um sich um das Essen zu kümmern. Und so verpasst sie erstmal die Neuigkeiten: Ihr Neffe soll nämlich ausgerechnet „Adolf“ heißen …
 
Neulich, nach der Pressevorführung von „Der Vorname“ meinte eine der Anwesenden, sie hätte den Film „gut“ gefunden. Ich fragte, was an dem Film ihrer Meinung nach denn gut gewesen sei. Er sei „lustig“ gewesen. Eine andere Dame meinte, es sei „wenigstens nicht wieder so ein deutsches Drama“ gewesen. Bloß „lustig“ und „kein so ein deutsches Drama“ sind uns bei cinepreview.de dann doch ein bisschen zu wenig. Wir liefern unseren Lesern gerne ein wenig Substanz und klären auch gerne mal die eine oder andere offene Frage zum Film.
 
 
Achtung Spoiler! (mir tut’s ja auch leid)
 
Wollen wir zum Beispiel wirklich einfach ignorieren, wie eine Figur in „Der Vorname“ einen saublöden Scherz sehr viel länger durchzieht, als das irgendjemand mit Verstand jemals tun würde? Und auch noch sehr viel länger, als es irgendeinem Film guttun würde? Der von Florian Fitz gespielte Thomas ist sicher kein kompletter Idiot. Warum erklärt er also nicht einfach irgendwann nach mehr als einer halben Stunde, dass er seinen Sohn nicht tatsächlich „Adolf“ nennen will und das alles bloß ein dummer Witz war? Nein, er schweigt sogar dann noch, wenn sein Schwager und seine schwangere Frau einander bereits anschreien.
 
Wollen wir übersehen, wie hier zwei viel zu gute Schauspieler, zwei intelligente Figuren spielen und dabei eine Viertel Stunde wertvolle Laufzeit des Films verschwenden, indem sie mit dummen Argumenten eine dumme Stammtischdiskussion führen?
 
Sollen wir so tun, als wäre uns nicht aufgefallen, wie an den Haaren herbeigezogen die weiteren Konflikte und Anschuldigungen in diesem Film wirken? Ich hätte niemals erwartet, mal über einen Film berichten zu müssen, in dem minutenlang darüber gesprochen wird, wie eine Figur „die Etiketten von teurem Wein abdampft“. Dieser lächerliche Vorwurf wird im Laufe des Filmes noch mehrmals wiederholt. Der Mord an einem Hund wird dagegen nur ein weiteres Mal erwähnt.
 
Und wollen wir uns nicht mal fragen, wie oft die Macher von „Adolf“ wohl „Der Gott des Gemetzels“ gesehen haben? Nur zu Vergleichszwecken, versteht sich …
 
Und was halten wir von den vielen inhaltlichen und strukturellen Fehlern dieses Films? Sollen wir dankbar sein, wenn der Konzertklarinettist sowohl beim Abendessen im Freundeskreis als auch nach einem Flug von Toronto nach München immer Frack tragen muss, damit wir ihn auch immer als Konzertklarinettisten erkennen? Und wenn der geizige Universitätsprofessor sich bei einem Pizzalieferanten über die Preise beschwert und ihn dann noch über die Etymologie des Wortes Thunfisch belehrt, damit wir ihn als geizigen Universitätsprofessor erkennen? Das mag im Bühnenstück funktioniert haben, das die Vorlage zum Drehbuch von Claudius Pläging („Schatz, nimm Du sie“) bildete. Was auf der Bühne das Publikum erreicht, hat aber oft auf der Leinwand eine ganz andere Wirkung. So wundert man sich auch, wenn eine Figur beim Telefonieren nicht belauscht werden will und sich dann doch nur zwei Schritte zur Seite bewegt, aber den Raum nicht verlässt.
 
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„Echt jetzt?“
 
Dabei hätte „Der Vorname“ so viel Potential. Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern“) hat oft genug gezeigt, was er als Regisseur zu leisten vermag. Und die sehr gute Besetzung schafft es beinahe aber leider nicht ganz, den Film doch noch zu retten. Ab und zu lässt der Film auch erkennen, was möglich gewesen wäre. Die Dialogzeile, mit der Elisabeth ein Telefongespräch mit ihrer Mutter beendet, ist witzig geschrieben und wird von Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) noch besser serviert. Sie hat dann auch die eine wirklich interessante Szene des Films, wenn sie endlich loswerden kann, wie emanzipiert es im modernen Intellektuellenhaushalt wirklich zugeht. Aber diese Szene kommt zu spät, ist zu schnell vorbei und führt daher leider nirgendwo hin.
 
Und so fasst die Gestaltung der letzten Szene den ganzen Film zusammen: Wir sehen einen mittelmäßigen Gag bereits von weitem kommen. Dieser Gag wird dann nicht besonders gut präsentiert. Und am Ende enthält man uns noch die Pointe vor.
 
„Adolf“, nicht „Addolf“
 
Üblicherweise berichte ich am Ende des Textes gerne noch über die Leistungen einzelner Darsteller. Das ist bei diesem Film leider müßig. Man weiß aus anderen Produktionen, was Caroline Peters, Florian Fitz und Justus von Dohnányi können. Hier sieht man zu wenig davon.
 
Zu Christoph Maria Herbst fällt mir nur folgendes ein: Warum spricht ein Literaturprofessor, der die Menschen in seiner Umgebung immer wieder über ihre Muttersprache belehrt, den Namen „Adolf“ so aus, als würde er mit zwei „d“ geschrieben? Die von Herbst gespielte Figur spricht den Namen im Laufe des Films immer und immer wieder „Addolf“ aus; also mit kurzem „a“, wie in „Addition“ oder „Addis Abeba“. In einem sorgfältig produzierten Film hätte der Regisseur den Darsteller bei der ersten Probe gebeten, das doch bitte sein zu lassen.
 
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Fazit
 
„Adolf“ hätte sehr viel mutiger gemacht werden müssen. Dann hätten wir vielleicht einen wirklich aufregenden Film bekommen. Oder der Film hätte sehr viel pointierter gestalten werden müssen. Dann hätten wir vielleicht einen wirklich witzigen Film bekommen. So haben wir weder das eine noch das andere.
 
 
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