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Kritik: The Nun II

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Was kann man von der Fortsetzung zum zweiten spin-off einer mittelmäßigen Reihe von Horrorfilmen schon erwarten?
 
Sister, you have a visitor.
 
Vier Jahre nach den Geschehnissen in “The Nun”, fünfzehn Jahre vor der Handlung von „Conjuring – Die Heimsuchung“, aber bloß vierzehn Jahre vor „Anabelle“, aber dann doch zehn Jahre nach dem Prolog zu „Anabelle 2“ und auf jeden Fall zweihundertdreiundachtzig Jahre nach dem Anfang aber dann doch siebzehn Jahre vor der Haupthandlung von „Lloranas Fluch“ ist die dämonische Nonne wieder oder immer noch unterwegs.
 
Und wer darf sich wieder mit ihr herumärgern? Die arme Schwester Irene! Der Vatikan hat ja wohl sonst keine Exorzist*innen. Wenn’s Irene nicht macht, macht’s ja wieder keiner. Da muss man sich nicht wundern, wenn jahrhundertlang ein „Conjuring“ nach dem anderen passiert …
 
„The Nun II“, der mittlerweile … Moment, … „Lloranas Fluch“ war Nummer sechs, … dann kam wieder die doofe Puppe, … also war „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ Nummer Acht, … jetzt hab ich’s: „The Nun II“, der mittlerweile neunte Beitrag zum „Conjuring-Universe“ ist eine Nummernrevue der altbekannten Tricks und Muster, auf die in Horrorfilmen immer und immer wieder zurückgegriffenen wird.
 
 
Die Autoren Ian Goldberg, Richard Naing („Eli“, „Fear the Walking Dead”) und Akela Cooper (“M3GAN”) liefern uns unter anderem:
  • eine erfahrene Heldin, die von einer jungen, unerfahrenen Novizin begleitet wird
  • eine Gruselsequenz, die sich als Alptraum herausstellt
  • ein mächtiges und für beide Seiten wichtiges Relikt
  • ein Gebäude, das wegen seiner dunklen Vergangenheit nicht betreten werden darf
  • einen Dämon, der seine Gegner mit Visionen quält, durch die dieser aber seine Pläne erfahren
  • und so weiter und so fort
Und Regisseur Michael Chaves („The Nun“, „Lloranas Fluch“) liefert uns unter anderem:
  • fake scares (wir denken, gleich passiert etwas, doch dann war es bloß eine Katze, ein Kind, der Wind oder ähnliches)
  • jede Menge schlecht beleuchtete Räume mit bedrohlichen Schatten
  • verwinkelte und ebenfalls schlecht beleuchtete Gassen
  • Protagonisten, die sich immer wieder trennen, obwohl sie zusammenbleiben sollten
  • einen Wettlauf gegen die Zeit (nach dem vier Jahre lang nicht viel passiert ist)
  • wichtige Hinweise auf Fotos oder anderem Bildmaterial
  • und so weiter und so fort
All diese altbekannten Tricks und Muster sind uns Filmfans längst vertraut. Aber wie der selige Harry Rowohlt zu sagen pflegte, „Wenn sowas gut gemacht ist, …“. Und tatsächlich ist rein gar nichts gegen den Einsatz altbekannter Tricks und Muster zu sagen. Nicht nur im Film haben diese durchaus ihre Berechtigung. In allen Kunstformen und allen Genres bedient man sich altbekannter Tricks und Muster.
 
02 ©2023 Warner Bros Pictures03 ©2023 Warner Bros Pictures04 ©2023 Warner Bros Pictures05 ©2023 Warner Bros Pictures
 
In Opern wird alles, was den Protagonisten gerade passiert, laut auf Italienisch kommentiert, gleichgültig, ob die Leute gerade einen Raum betreten oder an einer Stichwunde sterben. Alles wird auf Italienisch laut herausgeschrien. Außer in Wagner-Opern, in denen angeblich Deutsch gebrüllt wird, obwohl man trotzdem nichts versteht. Maler malen Objekte, wie sie diese sehen, nicht wie diese tatsächlich aussehen. Trotzdem hören wir uns Opern an und betrachten Kunstwerke.
 
Selbst die Größten haben ihre Tricks und Muster, die immer wieder zu erkennen sind. Quentin Tarantino platziert die Kamera gerne im Kofferraum eines Autos und benutzt coole Songs für den Soundtrack. Robert Redford verschiebt oft seinen Unterkiefer bevor er eine Frage beantwortet. Harrison Ford zeigt immer mit dem Finger auf Dialogpartner. Und Eva Green ist am besten, wenn sie sexy und an der Grenze des Wahnsinns dahinspielt. Und im Geiste Harry Rowohlts muss man zugeben, sie macht das immer sehr gut.
 
The demon lives!
 
Und auch die Macher von „The Nun II“ setzen die altbekannten Muster und Tricks recht gut ein. Manchmal stellen sie sich sogar recht geschickt an. 1956 waren 40-Watt-Glühbirnen ebenso selten wie kostbar. Daher ergeben die schlecht beleuchteten Räume durchaus Sinn und tragen zur gruseligen Stimmung bei.
 
An einzelnen Stellen lässt der Film durchaus eigene Ideen erkennen. Der abgeblätterte Putz an einer Wand, verdampfendes Weihwasser oder ein Kiosk mit einer Wand voller Zeitschriften vermitteln Grusel auf Arten, wie wir sie noch nicht unzählige Male gesehen haben. Und die Macher des Films vermeiden einen Fehler vieler moderner Horrorfilme, wenn sie die dämonische Nonne nicht von Anfang an und nur selten ganz zeigen. Auch ein Ministrant kann schaurige Stimmung vermitteln.
 
Der Film ist weit davon entfernt ein Meisterwerk zu sein. Weite Teile der Handlung sind kompletter Unsinn. Im Mississippi der Fünfzigerjahre gab es unter der schwarzen Bevölkerung vermutlich ungefähr so viele Katholiken wie Mormonen oder Scientologen. Aix-en-Provence war 1956 vom Papstpalast in Avignon sicher nicht in einer Stunde zu erreichen. Und gegen Ende des Films muss man sich fragen, in wie vielen Inkarnationen der Dämon gleichzeitig auftreten kann und ob er sich nicht schrecklich viel Zeit lässt und sich damit irgendwann verzettelt?
 
Wir erfahren auch praktisch nichts über die Protagonisten. Ist das Kind bloß sehr vertrauensselig oder einfach nur doof und warum? Ist die Lehrerin einsam oder einfach nur geil auf den Gärtner und warum? Und was ist das überhaupt für eine merkwürdige Schule? Und was treibt die junge Nonne überhaupt in Frankreich? Und wofür braucht der Dämon die Augen einer Heiligen?
 
In einem Film wie diesem gibt es für die Darsteller*innen keine Rollen zu gestalten, sondern nur Leistungen abzuliefern. Taissa Farmiga trifft als Schwester Irene nach Teil Eins auch in Teil Zwei wieder genau den richtigen Ton. Ähnliches gilt für Jonas Bloquet als „Frenchie“. Storm Reid („The Suicide Squad”) und Anna Popplewell (“Die Chroniken von Narnia”) haben reine Chargenrollen darzustellen.
 
Fazit
 
Die Fortsetzung zum zweiten spin-off einer mittelmäßigen Reihe von Horrorfilmen liefert vor allem altbekannte Tricks und Muster von Horrorfilmen. Diese sind aber gut umgesetzt, sodass Horrorfilmfans durchaus auf ihre Kosten kommen.
 
 
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