Romane werden gerne als Grundlage für Filme genommen, umso mehr solche, die auch erfolgreich waren. Auch Mariana Lekys Roman WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN erwies sich als Bestseller. Vielleicht auch deswegen, weil er sich so herrlich weit vom üblichen Einerlei entfernt und eine ausgesprochen skurrile Geschichte erzählt hat.
Aber das hätte auch dazu führen können, dass deutsche Studios einen Bogen um den Stoff machen. Denn dies ist eine Geschichte, wie man sie aus deutschen Landen wirklich nur selten zu sehen bekommt.
Der Traum vom Okapi
Immer dann, wenn Luises (Luna Wedler) Großmutter (Corinna Harfouch) von einem Okapi träumt, stirbt jemand in dem kleinen Dorf im Westerwald. Als das die ersten paar Male passierte, sah darin noch niemand einen Zusammenhang. Später wurde klar, dass die Großmutter eben eine Gabe hat. Das Problem ist nur: Man weiß nie, wen es erwischen wird.
Als darum die Oma wieder einen Okapi-Traum hat, bereitet sich das ganze Dorf aufs Ableben vor. Jeder regelt seine Angelegenheiten und trifft Vorbereitungen. Nur Luise nicht, denn die hat andere Probleme. Seit einem Schicksalsschlag in ihrer Jugend ist sie einsam. Irgendwie verloren. Aber dann kommt ein Mann aus Hessen ins Dorf, der wenig später in ein Kloster in Japan will. Mit dem versteht sich Luise sehr gut, derweil der Tod im Dorf auf neue Beute wartet. Wen wird es erwischen? Palm, der seine Trauer hinter Wut verbirgt, den Optiker, der Luises Großmutter liebt, ihr diese Liebe aber nie gestand, die traurige Marlies oder doch jemand anderen?
Ein dunkles Märchen
WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN mutet an wie ein düsteres Märchen. Überhaupt ist dies ein märchenhafter Ort, nur kein besonders schöner, denn dieses Dorf im Westerwald ist in der Zeit stehengeblieben. Oder aber die Geschichte spielt vor Jahrzehnten. So genau weiß man das nicht, und eigentlich ist es auch egal. Was zählt: Trist ist das Leben in diesem Dorf allemal.
Der Film hat eine märchenhafte Ausstrahlung, zugleich ist er aber höchst absurd und abstrus. Das liegt auch daran, dass die Läden keine Namen haben, sondern nach ihrer Funktion benannt sind – etwa der „Buchladen“. Auch haben manche Figuren wie der Optiker, wundervoll von Karl Markovic gespielt, keinen Namen. Selbst Luises Hund Alaska fügt sich ins Bild ein. Sie hat ihn schon als Kleinkind, und dann als junge Erwachsene. Aber zu altern scheint dieser Hund nicht.
Skurriler Film
Ein Werk wie dieses erwartet man nicht unbedingt von deutschen Filmemachern. Von einem Jean-Pierre Jeunet oder Anders Thomas Jensen schon, aber doch nicht von Filmemachern eines Landes, dessen Filme immer ein bisschen spießig sind. Aber Aron Lehmann stürzte sich mit Haut und Haar in dieses Abenteuer. Er hat den Roman selbst adaptiert und dann auch filmisch umgesetzt. Dabei bleibt er der Vorlage nicht nur treu, sondern findet auch immer noch weitere Möglichkeiten, das Irreale der Geschichte zu unterstreichen.
Etwa dann, wenn ein Haus zusammenbricht. Denn Luise hat eine Fähigkeit, wenn man das so nennen will. Denn wenn sie etwas anderes sagt, als sie denkt, stürzt buchstäblich der Himmel über sie herum ein. Oder eben auch ein Haus. Das hat Lehmann filmisch sehr verspielt umgesetzt.
Er setzt aber nicht nur auf visuelle Kinkerlitzchen, sondern auch auf die wunderbar schrägen Figuren, die alle ihre Eigenheiten haben, egal, wie nebensächlich sie für die Handlung auch sind.
Fazit
WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN ist ein herrlich entrückter, völlig verrückter, mit allerhand Überraschungen und schrägen Ideen aufwartender Film, wie man ihn gerade aus Deutschland echt nicht erwartet hätte. Aron Lehmann betritt mit diesem Film die Bühne der Meister des Absurden. Viele gibt es davon nicht, so manche haben aber Werke erschaffen, die ihrer Eigenheit wegen die Zeit überdauert haben.
Das könnte auch diesem Film gelingen, der so herrlich anders ist, als man das erwarten würde. Ein Provinzdorfdrama, das durch die bizarre Mangel gedreht wird, um zu etwas anderem zu werden: Einem Märchen voller Wunder.