Kann es so etwas wie einen deutschen „Taxi Driver“ überhaupt geben? Im Grunde schon, und das umso mehr, wenn man eine deutsch-europäische Sensibilität einbringt und die Geschichte in eine ganz andere Richtung lenkt – nicht hin zu einem Amoklauf, sondern zur Spitze dessen, was ein amoralisches Leben sein kann.
Der Taxifahrer
Thomas ist Taxifahrer. Er geht seinem Geschäft nach, er ist unsichtbar – niemand erinnert sich je daran, wie der Taxifahrer aussah, während er von A nach B unterwegs war. Diesmal nimmt Thomas ein paar Russen mit. Levan und seine Begleiter Andrej und Sasha, außerdem Levans Hund Roxy, einen Kampfhund, den er als echten Champion in Russland anpreist. Thomas ist behilflich. Als Roxy jemanden beißt, ist er es, der der Person das Geld bringt, um die Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Levan will ihn in den nächsten Tagen weiterhin als Fahrer beschäftigen.
Außerdem will er wissen, ob Thomas jemanden kennt, der falsche Pässe besorgen kann. Damit kann Thomas helfen, wie er überhaupt immer hilft und nie nein sagt. Thomas ist so neutral wie die Schweiz, ihn tangiert nichts, aber folgt er dabei einem eigenen Plan?
Zurückhaltendes Spiel
Devid Striesow in der Rolle des Taxifahrers ist großartig. Er verzieht nur selten eine Miene, und wenn er es doch tut, dann schwingt etwas Unheilvolles mit. Striesow spielt zurückhaltend. Er porträtiert einen Mann, dem die Mutter beigebracht, nie jemandem in die Augen zu sehen, weil man so unsichtbar wird. Levan wiederum sagt ihm, dass man immer jemandem in die Augen sehen muss. Das scheint Thomas zu beeindrucken.
An einem Punkt der Geschichte sagt Levan, dass Thomas ein merkwürdiger Typ ist. Er macht bei allem mit, er sagt nie nein. Moral scheint ihm fremd. Dabei ist er nicht böse, aber auch nicht gut. Er lebt. Wenn ein Hund fürs Sparring von Roxy gesucht wird, wird Thomas aktiv. Was danach folgt, würdigt ihm keine Reaktion ab. Wenn ein Verräter beseitigt werden muss, ist Thomas auch hier völlig von allem losgelöst. Er ist ein Chamäleon, ein Pendel, das in jede Richtung schwingen kann. Und er ist sich dabei nur selbst der Nächste.
Im Grunde ist es eigenartig, wie er in diese Situation gerät. Immer wieder kommen die Momente, in denen „normale“ Leute abgelehnt hätten. Aber nicht Thomas. Er sagt vielleicht nicht ja, aber er tut, was man erwartet.
Kann ein Mensch sich ändern?
„Roxy“ stellt die Frage, ob Gelegenheiten, von denen man nie dachte, dass sie kommen würden, das Leben verändern können. Können sie die Perspektive eines Menschen ändern? Mehr noch: Können sie ändern, wozu jemand fähig ist?
Hier hat man eine Figur, die keinerlei Partei ergreift, die tut, was gerade getan werden muss, die auf niemandes Seite steht, und doch von manchem als Freund gesehen wird. Aber Thomas ist weder Freund noch Feind. Er ist ein Mann, der die Gelegenheiten nutzt, egal, wie sie sich präsentieren – und das ohne Grübeln, ohne Gewissensbisse, ohne jedes Zögern. Das macht ihn faszinierend, aber im Grunde auch erschreckend.
Das ist von dem Georgier Dito Tsintsadze, der den Film nicht nur inszeniert, sondern auch geschrieben hat, eindrucksvoll umgesetzt worden. „Roxy“ ist ein Drama, eine surreale Farce, eine Komödie, ein Psychogramm - er ist all das und mehr. Ein Film, der sich einer genauen Einordnung entzieht, der sogar das Ende so einzigartig gestaltet, dass die Frage im Hinterkopf zurückbleibt: Steckt ein bisschen Thomas in jedem von uns?
Fazit
Auch aus Deutschland können großartige Filme kommen, die mit bissig-grimmigen Humor, mit harter Konsequenz, mit hoher Ambivalenz erzählt sind. Der Film fordert heraus, er ist nicht das, was man erwarten würde, keine Komödie, aber auch kein Drama, eher schon das Psychogramm eines Unsichtbaren, der die Gelegenheit beim Schopfe packt, die normale Tristesse seines Lebens hinter sich zu lassen. Großes Kino, das wirklich sehenswert ist.