Kritik: Oppenheimer
Nach „Tenet“ zerstritt sich Christopher Nolan mit Warner Bros.. Dem Studio, welches seine bisherigen Filme in die Kinos gebracht hat. Weil es „Tenet“ auch im Streaming anbot, Nolan aber ein Mann des Kinos ist.
Mitten in der Pandemie wollte er es mit seinem Film retten, gelungen ist das nicht. In einem Sommer der Blockbuster-Enttäuschungen blickt man nun abermals auf Nolan und fragt sich, ob ihm mit „Oppenheimer“ der große Erfolg gelingt. Im Grunde wäre es ein Wunder, weil der Film wegen ein paar sehr harmloser Nacktszenen von Florence Pugh in den USA sogar R-Rated ist.
Der Mann, der die Bombe baute
Robert Oppenheimer ist wegen seiner Vergangenheit, in der er Kontakt zu kommunistischen Kreisen hatte, nicht unumstritten, und dennoch wird er als Leiter für das Manhattan Project ausgewählt. Weil er der beste Mann für den Job ist. Man befindet sich mitten im Zweiten Weltkrieg und eines ist klar: Die Nazis arbeiten an einer Atombombe. Man muss ihnen zuvorkommen. Dafür lässt man Oppenheimer freie Hand, gibt ihm die Leute, die er braucht, und zwei Milliarden Dollar. Fieberhaft arbeitet man in Los Alamos an der Schaffung der Waffe, die die Welt verändern wird.
Jahre nach dem Krieg ist Oppenheimer, der 1946 die Medal of Merit erhielt, in Ungnade gefallen, weil er mittlerweile vor den ultimativen Waffen warnt und gegen den Bau der Wasserstoffbombe Stimmung macht.
Interessante Erzählform
Nolan beginnt seinen dreistündigen Film mit der Vernehmung von Oppenheimer Jahre nach dem Krieg. Diese führt erzählerisch immer wieder zum Anfang und auch zum Bau der Atombombe zurück. Zugleich gibt es schwarzweiße Elemente (für die eigens IMAX-Kameras entwickelt werden mussten, da die bestehenden nur in Farbe aufnehmen können), die von den Versuchen erzählen, wie Oppenheimers Intimfeind Lewis Strauss versuchte, ihn zu diskreditieren und dafür zu sorgen, dass ihm die Sicherheitsfreigabe entzogen wird. Es sind drei Erzählebenen, die nicht nur miteinander harmonieren, sondern ein Beispiel dafür sind, dass aus den Einzelteilen mehr als nur ihre Summe werden kann.
Überhaupt ist dies ein solcher Film. Einer, der aus grandiosen Einzelteilen und Elementen besteht, aber in seiner Gänze nicht nur homogen, sondern überragend ist. Als Nolan anfing, das Drehbuch zu schreiben, gab es praktisch keine Angst mehr vor der Atombombe. Kurz nach Beginn der Dreharbeiten begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und das Säbelrasseln in Hinblick auf den Einsatz thermonuklearer Waffen. Das verleiht „Oppenheimer“ eine geradezu unheimliche Aktualität.
Technisch imposant
Der Film wurde auf 70mm gedreht. Das heißt, das Bild ist breiter und erlaubt es, mehr Details zu zeigen. Und das sieht nicht nur atemberaubend aus. Er klingt auch so. Der Tonschnitt ist besonders brillant. In Dialogen schwillt beispielsweise die Musik an, bis sie diese übertönt. Bei Oppenheimers Rede nach dem Abwurf der Bombe werden die Dialoge ausgeblendet und das begeisterte Stampfen der Füße der Zuschauer wird ohrenbetäubend. Ganz anders der Atombombentest selbst. Erst sieht man den weißen Blitz, dann spürt man die Druckwelle, und erst dann gibt es den ohrenbetäubenden Knall. Als Zuschauer fühlt man sich dabei in den Sessel gepresst. Fast wünscht man sich selbst eine Brille, die den Lichtblitz mildert.
Cillian Murphy hat bereits mehrmals mit Nolan gedreht, aber zum ersten Mal spielt er für ihn eine Hauptrolle. Für die Oppenheimers ist er geboren worden. Er sieht ihm nicht nur etwas ähnlich, er versteht es vor allem, die moralische Ambivalenz zu zeigen. Der Mann ist stolz auf den wissenschaftlichen Triumph und er weiß, dass die Bombe eingesetzt werden muss, damit die Menschheit erkennt, dass es niemals wieder passieren darf, aber zugleich ist ihm auch bewusst, dass Hunderttausende sterben werden.
Der Film ist ambivalent in der Zeichnung Oppenheimers. Es gibt nicht den Moment, in dem sich für ihn alles wandelt, wohl aber den, an dem ihm klar wird, dass die Welt geendet hat – zumindest die, wie er sie gekannt hat. Denn wahr ist auch, dass es ein Restrisiko gab, dass mit der Testzündung der ersten Atombombe eine Kettenreaktion ausgelöst werden würde, die die Atmosphäre selbst in Brand steckt und alles Leben vernichtet. Und dennoch drückte man auf den Knopf.
Fazit
Bis in die kleinsten Nebenrollen (Matt Damon, Florence Pugh, Emily Blunt, Gary Oldman, Josh Hartnett, Robert Downey Jr. und Matthias Schweighöfer) exzellent besetzter Film, der auch bei einer Laufzeit von drei Stunden keine Sekunde langweilig ist.
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