Mehr als eine Home Invasion
Adelaide (Lupita Nyong’o) und Gabe Wilson (Winston Duke) fahren mit ihren beiden Kindern in ein Ferienhäuschen. Doch die junge Frau, die als Kind ein traumatisches Erlebnis hatte, hat das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass ihnen etwas droht. Und so ist es auch, denn an jenem Abend tauchen vor dem Haus unheimliche Gestalten auf, die erst im Schatten lauern und sie beobachten, dann aber versuchen, ins Haus einzudringen. Damit nicht genug, zeigt sich, dass die Angreifer ihnen ähnlicher sind, als sie dachten – sie sehen wie sie aus!
Wie ein Traum
Peele präsentiert das in einer von immenser Spannung getragenen Stimmung. Sein Film dreht vom ersten Moment an auf. Er lebt von einer unwirklichen, aber bedrohlichen Atmosphäre, während er zugleich einer Traumlogik folgt. Nicht alles in diesem Film ist sinnig - und über die Auflösung am Ende kann man sicherlich reden -, aber Peele lädt das alles mit Bildern auf, die sich ins Gehirn fressen.
Er lebt von seiner brutalistischen Kamera, die an Stanley Kubrick erinnert, aber auch von der Reminiszenz an den Horror der 1970er Jahre und einem Farbenspiel, das hell und leuchtend ist, aber immer wieder von den Schatten zurückgedrängt wird. Großartig ist Lupita Nyong‘o, die nicht nur das Opfer spielt, das zu Flucht oder Kampf gezwungen ist und sich für letzteres entscheidet, sondern auch die Stalkerin, die ihr zusetzt. Es ist dabei, als würde man zwei Schauspielerinnen zu sehen, so unterschiedlich legt Nyong‘o die Figuren an.
Auf der einen Seite die starke Adelaide, auf der anderen ihre Doppelgängerin mit dem kurzen Haar, die mit einer zerbrechlichen, furchterregenden Stimme spricht.



Das Mysterium
Der Film wartet mit einem großen Mysterium auf - und wird im Verlauf seiner Erzählung selbst immer größer, da das Home-Invasion-Thema, das anfangs im Zentrum steht, nur der Aufhänger ist.
Was dann folgt, ist der Stoff, aus dem die Albträume sind, weil Logik zugunsten von einem Gefühl des Terrors schwindet und man sich in einer Welt widerfindet, die sich der rationalen Einordnung widersetzt.
Die Actionsequenzen sind dabei intensiv. Die Kills können mit jedem Horrorfilm mithalten, WIR übertrifft aber die meisten Genre-Formate, weil er etwas ist, das man gerade in diesem Sujet selten findet: extrem intelligent. Und das, ohne eine Agenda zu forcieren, sondern indem Ideen weniger ausfabuliert, als in den Raum geworfen werden, nur darauf wartend, dass der Zuschauer sie aufgreift und der eigenen Interpretation unterwirft.
Die Ideen, die Peele hier ausarbeitet, sind faszinierend, der Film selbst ein penibel bis in die Details gestaltetes Meisterwerk, das in jeder Sekunde mehr ist, als es zu sein scheint. GET OUT und WIR sind höchst unterschiedliche Geschichten, aber beide befassen sich mit dem amerikanischen Horror, der weit unter der Oberfläche brodelt.