Culture-Clash-Komödien fallen meist sehr formelhaft aus. Romantische Komödien laufen fast immer nach dem gleichen Muster ab. Nun kommt eine Romantische- Culture-Clash-Komödie in die Kinos ...
You don’t have to start with love
Zoe (Lily James) ist eine bildhübsche, intelligente, preisgekrönte Dokumentarfilmerin. Trotzdem findet sie nie „den Richtigen“. Kazim (Shazad Latif) ist ein erfolgreicher Arzt pakistanischer Abstammung und sieht fantastisch aus. Trotzdem stimmt er einer arrangierten Ehe zu. Zoe und Kazim sind nebeneinander aufgewachsen. Zoe hat Kazim sogar seinen ersten Kuss gegeben. Trotzdem will sie einen Dokumentarfilm über die arrangierte Heirat drehen und kann irgendjemand noch auch nur den Hauch eines Zweifels haben, wie dieser Film ausgehen wird?!
Drehbuchautorin Jemima Khan und Regisseur Shekhar Kapur haben bei “What’s Love Got to Do with It?” gleich zwei schwerwiegende Fehler begangen. Zur Abwesenheit des Songs von Tina Turner auf dem Soundtrack fällt mir vielleicht später noch ein Scherzchen ein. Der zweite große Fehler besteht darin, dass dieser Film anders sein möchte und tatsächlich auch auf jeden Fall anders sein sollte als andere Romantische Komödien und dann alles, aber auch wirklich alles genauso abläuft wie man es von absolut jeder anderen Romantischen Komödie kennt, die je gemacht wurde.
Bei formelhaften Genre-Filmen spiele ich manchmal gerne Filmklischee-Bingo. Aber bei “What’s Love Got to Do with It?” weiß ich nicht, ob das Spaß macht. Mal sehen ... Haben wir eine attraktive, charmante Heldin, die nie „den Richtigen“ findet? Haben wir einen attraktiven, charmanten Helden, der auch keine Frau findet? Wären die beiden im richtigen Leben bereits vor Beginn des Films zusammen? Gibt es witzige Nebenfiguren, die beide mit den falschen Partnern verkuppeln wollen? Werden schwierige Themen angesprochen aber gleich wieder fallen gelassen, weil diese Themen nicht in diesen Film passen? Gibt es eine ältere Nebenfigur, deren gesamter Dialog aus unpassenden Bemerkungen besteht?
Sind Held und Heldin lächerlich vertraut miteinander? Reagieren beide immer wieder offensichtlich eifersüchtig aufeinander? Sprechen sie trotzdem anderthalb Stunden nicht über ihre Gefühle füreinander? Werden die beiden einander zu Beginn des dritten Akts gegenseitig verletzen? Werden sich die jeweils „falschen“ Partner von Heldin und Held rechtzeitig selbst verabschieden, damit die beiden ohne schlechtes Gewissen zusammenkommen können? Gibt es Happy Ends für alle? Die Antworten lauten ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja und ja. Filmklischee-Bingo bei “What’s Love Got to Do with It?” ist ungefähr so spannend und herausfordernd wie Großwildjagd in einem Zoo. Und zwar mit Maschinengewehr und Granatwerfer.
Alles ist vorhersehbar, alles ist formelhaft und nur wenig davon ist unterhaltsam. Die Gags treffen selten ins Schwarze und einige gehen sogar komplett daneben. (ACHTUNG! SPOILER!) Kazims Braut wirkt während der Skype-Sitzungen und der Hochzeitsvorbereitungen nicht nur zurückhaltend, sondern verschreckt und ängstlich. Wir erfahren später, dass sie von ihren Eltern zur Ehe gezwungen wurde. Nicht nur wird dieser furchtbare Aspekt in einer einzigen kurzen Bemerkung abgehandelt.
Wenn wir die junge Braut in Abwesenheit der Eltern dann ausnahmsweise mal als moderne, junge Frau erleben, führt sie sich wie eine respektlose, egozentrische Tussi auf. Auf dieses mehr als problematische Bild hätte man leicht verzichten können. Gleiches gilt für die mehr als merkwürdigen Versionen bekannter Märchen, die unsere Heldin beim Babysitten erzählt und deren Bezüge auf Gelegenheitssex mit Fremden und Viagra kein bisschen witzig sind.
It has to end with love
Drehbuchautorin Jemima Khan war selbst mit einem Pakistani verheiratet. Regisseur Shekhar Kapur stammt aus Lahore in Pakistan. Von der Kultur Pakistans und seiner Einwohner wird uns im Film kaum mehr vermittelt als in einem beliebigen Touristenvideo. Wir erfahren nicht einmal, warum es nichts Besonderes ist, wenn eine potentielle Braut auch den Nachnamen „Khan“ trägt. Die wenigen echten Einblicke in das pakistanische Leben werden durchschnittliche Mitteleuropäer*innen eher abschrecken. Ja, gegen Ende des Films lassen die Muslime und damit der Film nochmal Herz erkennen und die Liebe siegt. Aber diese Liebe wirkt erzwungen und damit wie „a second hand emotion“.
Dieser Film wäre eine Gelegenheit gewesen, einem westlichen Publikum zu zeigen, wie moderne Muslime ihre Religion und Traditionen im 21. Jahrhundert leben. Aber wenn Eltern ihr Kind wegen der Heirat mit einem Ungläubigen verstoßen und andere Eltern ihr Kind sogar zur Ehe zwingen, werden auch hier nur altbekannte Klischees bedient. Regisseur Shekhar Kapur hat vor fünfundzwanzig Jahren mit „Elizabeth“ einen modernen Film über eine historische Figur gedreht und dabei bekannte Klischees vermieden. “What’s Love Got to Do with It?” hat in der Hinsicht mehr mit „Günstling einer Königin“ mit Bette Davis und Errol Flynn gemeinsam als mit „Elizabeth“.
Halbwegs gerettet wird der Film von seiner Besetzung. Lily James war großartig in dem anspruchsvollen Drama “Darkest Hour“. Aber nach Filmen wie „Mamma Mia! Here We Go Again!“, „Yesterday“ und nun “What’s Love Got to Do with It?” gewinnt man den Eindruck, sie begnügt sich nun damit, in strohdummen Filmen bezaubernd zu wirken und dafür Geld zu bekommen.
Shazad Latif kennt man, falls überhaupt, leider nur aus Nebenrollen in Produktionen wie „The Second Best Exotic Marigold Hotel“, „The Commuter“ oder „Star Trek: Discovery“. Das ist eine Schande, denn er ist der geborene Leading Man. Sein müheloser Charme und seine Ausstrahlung erinnern an Cary Grant oder George Clooney. Man kann nur hoffen, Latif bekommt demnächst einige der Hauptrollen, die sonst an wandelnde Charisma-Defizite wie Sam Worthington, Gerard Butler oder Jai Courtney gehen.
Oliver Chris kennt man aus unzähligen britischen Fernsehproduktionen von „The Office“ bis zu „The Crown“. Er kann einem in seiner Rolle als „der Falsche“ nur leidtun. Noch mehr Mitleid hat die bezaubernde Sajal Ali verdient. Sie ist in ihrer Heimat Pakistan als Schauspielerin und Modell bekannt. Die wirklich furchtbar geschriebene Rolle „der Falschen“ in diesem Film ist nicht geeignet, sie auch außerhalb ihrer Heimat bekannt zu machen.
Die bekannte indische Schauspielerin Shabana Azmi und der Comedian Jeff Mirza spielen die Chargenrollen der Eltern des Bräutigams und tragen zur Verbreitung von Klischees bei.
Apropos Chargenrollen ... Emma Thompson ist nicht nur eine der profiliertesten Darstellerinnen des gar nicht mehr so vereinigten Königreichs sondern auch eine hochintelligente Person (Studium in Cambridge, Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, ...). Sie hat bereits in „Die Schöne und das Biest“, „Johnny English“ und zuletzt „Last Christmas“ Chargenrollen gegeben, bisher bloß nicht so klischeehaft wie hier. Wir merken uns: männliche Darsteller wie Liam Neeson oder Kenneth Branagh können mit weit über Fünfzig noch Action-Helden oder geniale Detektive spielen. Für ihre Kolleginnen gibt es Nebenrollen als „komische Alte“.
Fazit
Diese Romantische Culture-Clash-Komödie folgt formelhaft altbekannten Mustern und lässt kein Klischee aus. Dabei wird sie nur selten richtig witzig. Handwerklich gut gemacht und mit erstklassiger Besetzung ergibt das einen beliebigen Film, den man sich ansehen kann, wenn er mal im Fernsehen läuft. Den Preis einer Kinokarte ist das alles nicht wert.