Wenn eine verwitwete, weiße Frau ein Kind indischer Abstammung bekommt und der anwesende Arzt – sicher rein zufällig – auch Inder ist, wirkt das verwirrend. Wenn dieses indische Kind von einem weißen Arbeitgeber ausgebeutet wird, mag das ein Kommentar auf heutige Zustände sein. Aber was soll es uns sagen, wenn der weiße Arbeitgeber einen willfährigen Assistenten hat, der jedes seiner Worte wiederholt und offensichtlich auch Migrationshintergrund hat? Was sollen wir davon halten, wenn der indische David sich über Untergebene lustig macht, um sich bei einem europäischen Schnösel beliebt zu machen? Im Kontext dieser Handlung war „colorblind casting“ vielleicht nicht die beste Idee.
Leider hat der Film davon abgesehen nicht viel Neues zu bieten. Die Regie ist bemüht, wird der Vorlage aber nur selten gerecht. Visuell zeigt der Rahmen einer Erzählung in einem winzigen und trotzdem nicht gefüllten Theater bloß die Grenzen des Budgets auf. Am Anfang des Films sehen wir den Erzähler noch im Bild aber nicht als Teil des Geschehens. Dieser Einfall wird aber nach wenigen Minuten fallen gelassen. Die Drehorte sind nett gewählt, wirken aber teilweise nicht sehr realistisch. Das halb fertige Parlamentsgebäude wäre eine nette Idee gewesen, wenn es nur überzeugender ausgesehen hätte.
Einzelne Szenen sind zu grausam, um sie so zu inszenieren, wie Iannucci es getan hat. Körperliche Züchtigung und Kinderarbeit waren im 19 Jahrhundert grausamer Alltag. Eine Figur echten Hunger zu leiden zu lassen, ist eine Sache. Ihr von verständnislosen Verwandten nichts zu essen geben zu lassen, ist eine ganz andere, die man kaum witzig finden mag. Und Zeit im Schuldgefängnis abgesessen zu haben, war für niemanden eine bloße Lücke im Lebenslauf, die es eben zu verbergen galt.
Dev Patel ist sympathisch als David Copperfield, mehr aber auch nicht. Wie er verwirrt von Episode zu Episode stolpert, erinnert er an seine Figur aus „Best Exotic Marigold Hotel“ und nicht an einen „Held seiner eigenen Lebensgeschichte“.