„Du hast keine traurige Geschichte, weil Du reich bist“
All diese Verwicklungen mögen halbwegs lustig sein. Mit dem tatsächlichen Alltag von Senioren haben sie rein gar nichts zu tun. Gerade in den USA, wo selbst Angehörige der gehobenen Mittelschicht in den letzten Jahren teilweise erhebliche wirtschaftliche Probleme zu bewältigen haben, stellt sich in diesem Film nie die Frage, ob sich eine Witwe nach dem Tod des Mannes das große Haus im Nobelvorort und die Flugreisen zu ihren Kindern überhaupt leisten kann. Und der pensionierte Ehemann hat auch keine anderen Sorgen, als Teile für die Restauration seines alten Motorrads zu besorgen (für die Leser, die sowas zu würdigen wissen: Honda CB 750 Four aus den 70er Jahren! Wunderschön). Niemand in diesem Film hat irgendwelche echten Sorgen. Zumindest keine, die man nicht lösen könnte, in dem man mal zwei Minuten in Ruhe nachdenkt.
Ganz nebenbei bemerkt hat „Book Club“ so ziemlich die weißeste Besetzungsliste seit den Zeiten der UFA. Ich meine in Vivians Hotel mal einen afroamerikanischen Mitarbeiter gesehen zu haben. In einer Straßenszene war vielleicht mal ein asiatischer Passant zu sehen. Latinos gibt es in diesem Film, der im Südwesten der USA spielt, überhaupt keine. Man fragt sich, wer all die schönen Häuser sauber hält …?
Aber zurück zu den Hauptfiguren: Deren genaues Alter wird im Film an keiner Stelle erwähnt. Allerdings wird immer so getan, als wären die vier Damen in ihren Sechzigern. Das Gründungsfoto des Buchclubs zeigt die Stars als junge Frauen und soll in den achtziger Jahren aufgenommen worden sein. Vivien soll einige Zeit danach noch eine junge Frau gewesen sein, als sie ihre große Liebe abblitzen ließ. Jane Fonda war aber 1980 auch schon 43 Jahre alt. Mitte der Achtziger war sie also knappe 50 und damit definitiv älter als auf den Bildern, die im Film zu sehen sind. Candice Bergen ist mittlerweile 72 Jahre alt und ihr Filmsohn sieht aus, als müsse er sich noch nicht allzu lange regelmäßig rasieren. Diese und andere Ungereimtheiten können einem schon ein bisschen verwirren, in einem Film, der uns Geschichten über das Altern vermitteln möchte.
More than this …
Jane Fonda hat bereits zwei Oscars für „Klute“ und „Coming Home“ gewonnen. Sie bezaubert in diesem Film mit ihrer mitreißenden Energie und ihrer fantastischen Ausstrahlung. Leider leidet sie an dieser geheimnisvollen Krankheit, die so viele amerikanische Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter befällt. Hauptsymptom sind veränderte Gesichtszüge, die diese Damen immer so erstaunt dreinschauen lassen. Selbst wenn gerade gar nichts Erstaunliches zu sehen ist …
Diane Keaton hat ihren Oscar vor mehr als vierzig Jahren für „Der Stadtneurotiker“ bekommen. Hier spielt sie eine Rolle, die sie bereits in so vielen Filmen gespielt hat, dass sie diese vermutlich selbst nicht mehr auseinanderhalten kann.
Aber es ist immer angenehm jemandem zuzusehen, der etwas tut, das er gut kann. Mary Steenburgen ist mit gerade mal 65 Jahren das Küken der Truppe. Deshalb hat sie ihren Oscar auch vor gerade mal siebenunddreißig Jahren für „Melvin & Howard“ bekommen. Sie zeigt in diesem Film so viel liebenswürdigen Charme, dass man komplett übersieht, wie furchtbar das ist, was ihre Figur ihrem Mann antut.
Candice Bergen hat noch nie einen Oscar gewonnen. Keine Ahnung, wie sie sich in diese Besetzung reingeschummelt hat. Allerdings war sie mal für „Starting Over“ nominiert und hat damals gegen Meryl Streep verloren. Vermutlich dachten sich die Produzenten, dass man gegen Meryl Streep nicht ankommen kann und haben sie deshalb mitmachen lassen. Ernsthaft; sie macht das Beste aus einer sehr schlampig geschriebenen Rolle und wirkt am ehesten wie eine echte, selbstständige, reife Frau. Man wünscht Frau Bergen sobald als möglich wieder einen Film mit einem richtigen Drehbuch, in dem sie zeigen kann, was sie draufhat.
Fazit
Ebenso wie es in „Shades of Grey“ nicht um realen Sex geht, zeigt uns „Book Club“ nichts vom tatsächlichen Leben älterer Menschen. Als romantische Episodenkomödie mit einer All-Star-Besetzung funktioniert der Film so halbwegs.