Wie manche Protagonisten in Thrillern immer schlauer sein wollen als sie selbst, versucht dieser Film ab der Hälfte immer wieder schlauer zu sein als er ist. Dieser Film legt sich selbst herein, indem er das Geheimnis des Helden zerstört. Hätte man dieses Geheimnis nie gelüftet, hätte der Film davon massiv profitiert. Dieser Film reitet sich selbst noch weiter rein, wenn er dieses Geheimnis auf so unoriginelle und langweilige Art und Weise zerstört. Aber dieser Film legt auch sein Publikum herein.
Natürlich meinten die Macher, ihr Film müsste eine überraschende Wendung im letzten Akt haben. Leider lagen sie auch damit völlig falsch. Die überflüssige überraschende Wendung dieses Films funktioniert dann auch hinten und vorne nicht, weil dieser Film während der ersten zwei Drittel seiner Laufzeit nicht fair mit dem Publikum gespielt hat. Ich werde hier nicht darauf eingehen, wie die überflüssige überraschende Wendung aussieht. Aber sie widerspricht dem bis dahin gezeigten Verhalten der Hauptfiguren so eklatant, dass kein aufmerksamer Filmfan bereit sein wird, diese einfach so zu akzeptieren. Dieser Film wollte sein Publikum hereinlegen und hat sich auch damit selbst hereingelegt.
Und gerade wenn man meint, der Film würde nach mehrmaligem Stolpern wieder in die Gänge kommen, folgt ein Schluss der einfach nicht funktioniert. Oder sollte ich sagen, „einfach nicht mehr funktioniert“?
ACHTUNG! Es folgt nun doch ein SPOILER: Der Held dieses Films muss Konzernen immer wieder mit Enthüllung ihrer verbrecherischen Praktiken drohen. Wenn am Ende Handlanger und Beweise für ebensolche Praktiken an die Behörden übergeben werden, dann kann man im Jahr 2025 einfach nicht mehr ignorieren, wie ebendiese Behörden in der Realität (nicht nur in den USA) längst zu Erfüllungsgehilfen der Konzerne geworden sind. Wie viele Fälle verbrecherischer Konzern-Praktiken wurden denn im Lauf der letzten Jahre publik gemacht? Und wie viele dieser Fälle hätten auch nur die geringsten negativen Konsequenzen für die Unternehmen oder ihre CEOs nach sich gezogen?
Es ist schwer zu sagen, ob dieser Film es sich hier zu leicht gemacht hat oder einfach zu spät dran ist. Aber im Jahr 2025 funktioniert dieses Ende einfach nicht mehr. Verschlimmert wird das nicht funktionierende Ende noch, wenn einer der Handlanger des verbrecherischen Konzerns den Helden zuvor auf genau dieses Problem aufmerksam gemacht hat. Man kann doch nicht im Dialog eines Films auf einen Fehler im Plan des Helden aufmerksam machen, um diesen dann am Ende zu ignorieren.
Wenn dieser Film vor allem im letzten Drittel über Fallen stolpert, die er sich selbst gestellt hat, ist das ein Jammer. Vor allem wegen der teilweise wirklich hervorragenden Leistungen der Darsteller*innen. Ein unbekannter Schauspieler namens Matthew Maher stimmt uns mit einer einzigen frühen Szene auf die emotionalen Fallstricke der Handlung ein. Der stets verlässliche Victor Garber vermittelt in derselben Szene die selbstverständliche Ruchlosigkeit, die wir von CEOs vieler großer Konzerne mittlerweile weltweit gewohnt sind. Eine junge Dame namens Willa Fitzgerald verkörpert genauso ein Geheimnis, wie es auch die Hauptfigur besser geblieben wäre.
Die meisten Filmfans werden Sam Worthington ohne blaue Haut, gelbe Augen und USB-Zopf gar nicht mehr wiedererkennen. Der Star aus zwei vergangenen und jeder Menge kommenden „Avatar“-Filmen zeigt hier eine kraftvolle, aber leider wenig subtile Darstellung. Lily James spielt während der ersten zwei Drittel des Films wirklich überzeugend. Ihre Leistung leidet am meisten unter der überflüssigen überraschenden Wendung im dritten Akt.
Der Star des Film ist aber Riz Ahmed. Seit seinen immer interessanten, sehenswerten Nebenrollen in so unterschiedlichen Filmen wie „Nightcrawler“, „Rogue One: A Star Wars Story“ oder „The Sisters Brothers“ hat sich dieser Darsteller beständig weiterentwickelt. In „The Negotiator“ zeigt er, dass er längst das Zeug zum „leading man“ hat, wenn er einen schwierigen Charakter absolut nachvollziehbar und glaubwürdig darstellt und weite Teile dieses schwierigen Films allein auf seinen schmalen Schultern trägt. Wenn der Film trotz seiner Fehler und Defizite trotzdem gerade noch sehenswert ausfällt, dann hauptsächlich seinetwegen.