Provinzhorror aus österreichisch-deutscher Produktion mit eindrucksvollen Bildern und vertrauter Story.
Rückkehr auf die Leinwand
Die Muster des US-amerikanischen Slasher-Kinos kann man gut oder schlecht in einen deutschsprachigen Kontext übertragen. Letzteres lässt sich in Michael Karens Schlitzerwerk „Flashback - Mörderische Ferien“ aus dem Jahr 2000 „bestaunen“, das ohne Sinn und Verstand Tropen und Klischees aneinanderreiht. Cleverer und stimmungsvoller vollzieht sich der Transfer in Andreas Prochaskas Horrorthriller „In 3 Tagen bist du tot“ von 2006, der vor der atmosphärischen Kulisse des österreichischen Salzkammerguts spielt. Die 2008 erschienene Fortsetzung „In 3 Tagen bist du tot 2“ gerät als Verbeugung vor dem Hinterwäldlergrauen der Marke „The Texas Chainsaw Massacre“, auch bekannt als „Blutgericht in Texas“, sogar noch spannender.
Ländliche Abgründe interessierten Prochaska in seiner weiteren Karriere immer wieder. Nicht zuletzt im 2014 veröffentlichten bildgewaltigen Alpenwestern „Das finstere Tal“, der nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Willmann für das Kino adaptiert wurde. Elf Jahre und diverse Fernseh- bzw. Streamingarbeiten später kehrt der Filemacher wieder auf die große Leinwand zurück und serviert dem Publikum ein provinzielles Schauerstück, das gleichermaßen fasziniert und frustriert. „Welcome Home Baby“, 2025 der Eröffnungsbeitrag der Berlinale-Sektion „Panorama“, ist optisch und akustisch deutlich ambitionierter als Prochaskas frühere Horrorwerke. Drehbuchtechnisch gibt es aber einiges zu hinterfragen.
Nach einem betont rätselhaften Prolog setzt die eigentliche Handlung mit einer erstaunlich explizit gezeigten Geburt ein, bei der die in Berlin lebende Notärztin Judith (Julia Franz Richter) assistiert. Das Thema Mutterschaft, das im weiteren Verlauf noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist damit etabliert. Für die Medizinerin steht kurz darauf eine Reise an, die sie so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Seit sie als Kind weggeben wurde, hatte sie mit ihrer leiblichen Familie nichts mehr zu tun. Doch nun, nach dem Tod des Vaters, ist sie Erbin eines Hauses im österreichischen Hinterland.
Formal facettenreich
Zusammen mit ihrem Ehemann Ryan (Reinout Scholten van Aschat) fährt sie in ihre alte Heimat, die ihr, verständlicherweise, völlig fremd ist. Umso überraschender, dass sie von den Frauen vor Ort, darunter einer „Tante Paula“ (Gerti Drassl), behandelt wird, als sei sie eine von ihnen. Nett verpackt, mit einem Lächeln auf dem Gesicht fliegen Judith verbale Übergriffigkeiten entgegen: Sie wolle sicher bleiben und eine Familie gründen – so der allgemeine Tenor. Tatsächlich empfindet sie das fast ausschließlich weiblich geprägte Dorf mit seinen leergefegten Straßen als bedrückend. Und kein bisschen denkt sie daran, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Als Raum und Zeit zunehmend brüchiger werden, schlittert die Ärztin in einen Albtraum.
Horrorfilme aus deutschsprachiger Produktion gibt es im Kino nicht gerade wie Sand am Meer. Und erst recht nur wenige, die sich derart experimentierfreudig in visueller und akustischer Hinsicht präsentieren wie „Welcome Home Baby“. Schon gleich zu Beginn gerät die Kamera aus dem Gleichgewicht. Sehr früh poppen für Sekundenbruchteile flashartige Bilder auf, wie sie William Friedkin in seinem Schauermeilenstein „Der Exorzist“ verwendete. Immer wieder kommt es zu unerklärlichen Ortswechseln. Seltsam unwirklich inszeniert der Regisseur einen Wald. Und wahrhaft unheilvoll grollt es von der Tonspur.
Judiths Reise in das Herz der Finsternis und die eigene Vergangenheit nimmt mehr und mehr surreale Züge an und versetzt Hauptfigur und Publikum in einen permanenten Zustand der Orientierungslosigkeit. Während die audiovisuelle Ebene in den Bann zieht, kommt der Film erzählerisch etwas schleppend in Fahrt. Auch abgegriffene Ideen, Dinge, die sich im Genre totgelaufen haben, holen die Macher aus der Kiste: Handys etwa sind im österreichischen Niemandsland unbrauchbar. Autos springen in höchster Not erst mit Verzögerung an. Und permanent schauen die Dorfbewohnerinnen zwielichtig drein, wenn sie nicht gerade bedeutungsschwangere Sätze vor sich hin raunen.
Im letzten Drittel packt „Welcome Home Baby“ einiges an Dringlichkeit drauf, kann man richtig mit der aus der Bahn geworfenen Heldin mitfiebern. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass Prochaska und seine Mitstreiter nur bedingt daran interessiert sind, ihre vielen Andeutungen und Symbole zu einer halbwegs runden Auflösung zusammenzuführen. Das Geschehen wird konfuser, der Film flüchtet sich ins Nebulöse und untergräbt dabei, zumindest ein bisschen, die emanzipatorische Stoßrichtung der Geschichte.
Ein gar nicht so unähnliches Werk wie Ari Asters „Midsommar“ zieht da seine Erzählung konsequenter und emotional mitreißender durch. Trotz inhaltlicher Schwächen sollte man dennoch nicht zu kritisch mit Prochaskas jüngster Leinwandarbeit sein. Immerhin versucht sich hier ein deutschsprachiger Regisseur ernsthaft an einem abgründig-hypnotischen Heimatfilm – was man weiß Gott nicht oft zu sehen bekommt.
Fazit
Ein in Bild und Ton reizvoll arrangierter Horrorstreifen, der allerdings etwas zu bequem die Abzweigung ins Diffuse nimmt und manch nerviges Genreklischee bemüht.