Gut Ding will Weile haben, heißt es im Volksmund. Gilt das auch für den dritten Teil der 1982 gestarteten „Tron“-Reihe?
Holprige Entstehungsgeschichte
Der Scifi-Actionthriller „Tron“ über die Verbindungen zwischen der realen Welt und einem virtuellen Universum erschien 1982 und setzte damals als einer der ersten Filme mit längeren computeranimierten Sequenzen in puncto Optik neue Maßstäbe. Nichtsdestotrotz dauerte es geschlagene 28 Jahre bis zur Veröffentlichung der Fortsetzung „Tron: Legacy“, die nicht mehr Ursprungsregisseur Steven Lisberger, sondern Kollege Joseph Kosinski verantwortet hatte. Obwohl der zweite Teil an den Kinokassen überzeugte und ein weiteres Sequel schnell beschlossen wurde, taten sich die Entscheidungsträger abermals schwer, zügig nachzulegen.
Wechsel beim kreativen Personal und eine Veränderung bei der generellen Ausrichtung des Projekts verzögerten immer wieder die Dreharbeiten. Anfangs sollte der dritte Leinwandbeitrag an seinen direkten Vorgänger anschließen. Dann aber setzte sich die Idee eines „sanften Reboots“ durch. Sprich: Die Mythologie und die Kontinuität der Reihe wurden nicht über den Haufen geworfen. Ins Zentrum der zweiten Fortsetzung rückten allerdings neue Figuren, während das Schicksal der wichtigsten Charaktere aus „Tron: Legacy“ keine große Rolle mehr spielen sollte.
Für alle Einsteiger in das „Tron“-Universum aber erst einmal ein kurzer Abriss, was bislang geschah: Im Originalfilm landete der von Jeff Bridges verkörperte Tech-Experte und Gameentwickler Kevin Flynn unverhofft in einem Computersystem seines früheren Arbeitgebers ENCOM, in dem unterschiedliche Programme als humanoide Wesen existieren, und musste sich dort feindlichen Softwareanwendungen erwehren.
Im Nachfolger tauchte Kevins Sohn Sam (Garrett Hedlund) nach dem plötzlichen Verschwinden seines Vaters in die digitale ENCOM-Welt ein, um nach dem Verschollenen zu suchen. Diesen konnte er irgendwann aufspüren, sah sich aber auch dem von Flynn Senior kreierten, einen brutalen Eroberungszug vorbereitenden Programm Klu (ebenfalls von Bridges dargestellt) gegenüber.
„Tron: Ares“ folgt nun nicht mehr dem am Ende des zweiten Films in die Realität zurückgekehrten Sam, sondern stellt mit Eve Kim (Greta Lee) eine gewiefte Softwareingenieurin vor, die nach dem Abtritt von Flynn Junior das auf Unterhaltungstechnologie spezialisierte Unternehmen ENCOM leitet. Ihr größter Widersacher ist ausgerechnet Julian Dillinger (Evan Peters), Enkel von Kevins altem Widersacher Ed Dillinger und Kopf der Firma Dillinger Systems. Beide CEOs arbeiten fieberhaft daran, digitale Schöpfungen permanent in die Welt der Menschen zu transportieren. Doch ihre Ziele sind grundverschieden: Während Eve Gutes für die Gesellschaft tun will, versucht Julian, die Frucht seiner Forschung potenziellen Investoren als neuen Supersoldaten zu verkaufen. Das Wettrüsten im Angesicht der aktuellen Weltlage lässt grüßen.
Gute Ansätze, halbherzig ausgearbeitet
Dummerweise ist seine Kreation namens Ares (Jared Leto, der sich seit Sommer 2025 mit mehreren Vorwürfen des sexuellen Fehlverhaltens konfrontiert sieht) jedoch bislang nur in der Lage, 29 Minuten in unserer Realität zu existieren. Nach Ablauf dieser Zeit zerbröselt die Kampfmaschine und landet wieder im virtuellen Universum. Besser sieht es dagegen für Konkurrentin Kim aus. Als sie auf Kevins Ursprungsserver den sogenannten Permanent-Code entdeckt, gelingt es ihr, einen KI-Orangenbaum stabil in der Wirklichkeit zu verankern.
Erzürnt über ihren Erfolg, schickt Dillinger Ares an der Seite seiner ebenfalls digitalen Helferin Athena (eine beängstigende Entschlossenheit verströmend: Jodie Turner-Smith) mit einem klaren Auftrag in die menschliche Dimension: Um jeden Preis soll das Duo der ENCOM-Chefin den Stick mit besagtem Code abjagen, den sie so schnell wie möglich in ihre Konzernzentrale bringen will.
„Tron: Ares“ hat einige spannende Ideen zu bieten. Etwa das Aufeinandertreffen künstlich erzeugter Geschöpfe aus dem Rechner mit Menschen aus Fleisch und Blut. Können auch Erstere Gefühle haben bzw. entwickeln? Was macht die Existenz unserer Spezies so besonders? Und warum ist gerade die Unbeständigkeit des Lebens so aufregend? Fragen wie diese geistern durch das Drehbuch von Jesse Wigutow und werden gekoppelt an die auf dem Papier reizvolle Entwicklung der Figur Ares. Leider passiert im fertigen Film aber das, was so oft im Blockbuster-Kino geschieht. Komplexere Zusammenhänge und Themen werden komplett runtergedampft, bis nur noch wenig inhaltliche Substanz übrigbleibt. Stichworte und holzhammerartige Wendungen reichen den Machern rund um Regisseur Joachim Rønning aus, anstatt hier und da mal etwas stärker in die Materie einzudringen.
Emotionale Tiefe gaukelt der schon vor Einsetzen des Plots erfolgte Tod von Eves jüngerer Schwester nur vor. Und auch der obsessiv-größenwahnsinnige Bösewicht Dillinger, den wir fast ausschließlich vor Bildschirmen wild herumwerkeln sehen, kommt nicht über das Bild eines Klischeeschurken hinaus. Kaum Profil erhält auch seine gemäßigter auftretende Mutter Elisabeth, deren Besetzung mit Gillian Anderson eine schauspielerische Verschwendung ist. Viele Fans der „Tron“-Saga dürfte nicht zuletzt der belanglose Kurzauftritt von Reihenkonstante Jeff Bridges enttäuschen.
Als priesterhafte Eminenz sondert er erstaunlich spät ein paar pseudokluge Worte ab, kann dabei aber keine Akzente setzen. Erzählerisch kocht „Tron: Ares“, ähnlich übrigens wie die Vorgänger, eher auf Sparflamme. Mit Blick auf die visuelle Gestaltung und die Inszenierung sieht es indes etwas besser aus. Die aus großen schwarzen Flächen und teuflisch rot leuchtenden Linien zusammengesetzte Computerwelt, der Ares entstammt, bietet einiges fürs Auge. Verglichen mit „Tron“ und „Tron: Legacy“, die in weiten Teilen auf der virtuellen Ebene spielen, ist das dritte Kapitel mit seinen regelmäßigen Sprüngen zwischen Realität und digitaler Dimension ein Stück weit abwechslungsreicher. Manche Actionpassage lässt es ordentlich krachen. Und der bedrohlich dröhnende Score der Nine Inch Nails presst einem mitunter in den Sitz.
Gleichzeitig wirkt das dargebotene Spektakel aber irgendwie weniger aufregend als die Effektshow vor 15 Jahren. Warum? Vielleicht ganz einfach deshalb, weil das seit dem Erscheinen von „Tron: Legacy“ unglaublich dominante Superheldenkino uns mit bombastischen Bildern aller nur erdenklichen Universen übersättigt hat. Da ist es regelrecht erfrischend, wenn „Tron: Ares“ zwischendurch auf die schlichtere, avantgardistische Ästhetik des Originalfilms zurückgreift. Einen ungewöhnlichen Look, der im positiven Sinne aus der Zeit gefallen scheint.
Fazit
Effektreiches Spektakel fährt der Zukunftsthriller reichlich auf. Handlungstechnisch bleibt er jedoch ganz der Nur-nicht-zu-viel-Anspruch-Formel des Blockbuster-Kinos verhaftet. Schade, denn aus dem Grundgerüst hätte mehr entstehen können als eine weitere mittelprächtige Franchise-Actionsause.