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Kritik: Der Medicus 2

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Der Medicus ist zurück und verspricht Heilung. Gegen manches ist aber kein Kraut gewachsen …
 
Ich möchte heilen
 
Nach den Abenteuern in Teil Eins befindet sich Medicus Rob Cole mit seiner schwangeren Frau Rebecca und seinem Ärztekollegium auf einem Schiff in Richtung England. Aber ach, ein Sturm zieht auf und es kommt zu einem ersten tragischen Verlust. In England erklärt unser Held den etablierten, zugelassenen Ärzten erstmal, wie rückständig ihre Medizin ist und zu seiner großen Überraschung verhindern die daraufhin seine Eröffnung einer Praxis in London. Das macht aber gar nix, denn recht flott wird der Medicus in eine Verschwörung um Thronraub, Freiheitsberaubung, Quacksalberei und Mord verwickelt …
 
Das Drehbuch zu „Der Medicus 2“ basiert nicht auf einem der Bücher Noah Gordons. Dessen eigene literarische Fortsetzung spielt mehrere Jahrhunderte nach Teil Eins und behandelt das Schicksal eines Nachfahren des ursprünglichen Rob Cole. Nein, die verschiedenen Autoren haben eine direkte Fortsetzung zu Teil Eins verfasst, in der Rob Cole in einen Konflikt zwischen Angelsachsen und Kelten verwickelt wird, dessen Verlauf im Film Geschichtsfans eher überraschen wird. Die Handlung hat eben mehr mit „Game of Thrones“ zu tun als beispielsweise mit dem „Stone of Scone“, aber das macht gar nichts. Wir kaufen unsere Kinokarten ja nicht für Geschichtslektionen.
 
Das Drehbuch bietet alles was es für einen zünftigen Historienschinken aus dem finsteren (und weitgehend fiktiven) Mittelalter braucht. Seine einzige echte Schwäche stellen die ewig erklärenden Dialoge dar. „Der Medicus 2“ ist leider wieder einer dieser Filme, in denen einander die Figuren ständig gegenseitig die Handlung erklären. Jede Figur erzählt dauernd, was gleich passieren wird, was gerade passiert und was gerade passiert ist. Wenn beispielsweise ein Protagonist erklärt, „Ich werde diese Salbe jetzt gleich vergiften“ klingt das nicht nur furchtbar gestelzt, sondern auch redundant, weil er es der Person erklärt, die ihm den Auftrag dazu erteilt hat.
 
 
Ich mag die verschiedenen Drehbuchautoren rund um Jan Berger („Ich war noch niemals in New York“) und Marc O. Seng („Club der roten Bänder“) gar nicht verteidigen. Aber sie haben diese holprigen, immer wieder erklärenden Dialoge immerhin nur geschrieben. Regisseur Philipp Stölzl hat bereits Teil Eins aber auch Filme wie „Schachnovelle“ inszeniert. Seine Aufgabe wäre es gewesen, auf die Wirkung seiner kompetenten Darsteller, der interessanten Bauten und der wirklich wunderschönen Drehorte zu vertrauen und mindestens zwei Drittel des Dialogs zu streichen.
 
Nutze Deine Gabe!
 
Beispiel: Im dritten Akt des Films wird eine der Figuren aus langjähriger, einsamer Gefangenschaft befreit. Aus einer dunklen Höhle steigt sie zusammen mit neuen Gefährten ins Licht, ins Freie und damit in die Freiheit hinauf. Ein herrliches Panorama breitet sich vor den Protagonisten aus, die mutig losmarschieren. Ein Schmetterling fliegt anmutig durchs Bild und die Hoffnung der Figur auf ein neues, besseres Leben überträgt sich auf das Publikum. Es war die Entscheidung der Regie, einen der Darsteller mit der überflüssigen Dialogzeile „Ein Schmetterling! Der steht für neues Leben!“ die Stimmung komplett ruinieren zu lassen.
 
„Der Medicus 2“ ist oft sehr schön anzusehen. Die Drehorte in Ungarn und Deutschland wurden von echten Kennern und Könnern ausgesucht. Und auch die praktischen und im Computer generierten Effekte brauchen den Vergleich mit sehr viel teureren amerikanischen Produktionen nicht zu scheuen. Aber so wenig Zurückhaltung Regisseur Philipp Stölzl beim Dialog zeigt, so sparsam geht er mit Totalen und Kamerafahrten um. Dollys und vor allem Kamerakräne meidet er wie die Pest. Ja, an einigen Stellen zeigt er uns wunderschöne Landschaften. Und zweimal bekommen wir den damals noch neugebauten Tower von London von außen zu sehen und das sieht wirklich sehr gut aus.
 
Aber warum bekommen wir während eines Schwertkampfes die Kontrahenten fast nur in Nahaufnahmen oder Halbtotale gezeigt während sie – wieder einmal – viel zu viel überflüssigen Dialog quatschen? Warum sehen wir eine junge Frau in einem entscheidenden Moment der Handlung auf den Mauern eines Klosters an einer Küste stehen und bekommen nie richtig gezeigt, wie tief es runter geht? Kameramann Frank Griebe hat u.a. Tom Tykwers und der Wachowskis „Cloud Atlas“ im Bild eingefangen. Warum hat er während der finalen Schlacht in einer keltischen Siedlung seine Kamera nicht einfach auf das Dach eines der Gebäude gestellt, damit man mal mehr als fünf Krieger gleichzeitig im Bild sieht?
 
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Die Drehorte, das Geschehen, das Sujet, … all das verlangt nach epischer Breite. Die bietet der Film zwar mit einer Lauflänge von 143 Minuten. Visuell wirkt der Film aber viel zu selten episch. Stölzl lässt einen Überlebenden eines Schiffbruchs einem anderen Überlebenden direkt nach dem Aufwachen aus tiefer Bewusstlosigkeit die Wichtigkeit eines Buches erklären, über die beide längst Bescheid wissen. Aber vom Schiffbruch bekommen wir praktisch nichts zu sehen. Auch ein Triumphzug gegen Ende des Films, wirkt wenig triumphal, wenn er nie in einer richtigen Totalen gezeigt wird. Es überrascht nicht, wenn der Film statt mit dem Triumphzug wieder mit einer Dialogszene endet.
 
Der viele erklärende Dialog lässt den Film nicht nur unnötig schwerfällig wirken, er macht auch den Darsteller*innen die Arbeit schwer. Tom Payne hat das Aussehen und die Wirkung eines echten „Leading Man“. Aber er darf sich hier nicht an die alte Weisheit von weiland John Wayne halten, „Talk low, talk slow and don’t say too much“. Nebenfiguren dürfen zur Not quasseln.  Bei den Dialogzeilen eines Helden ist weniger immer mehr.
 
Emily Cox („Wuff“) ist sowohl Irin als auch Britin, in Wien aufgewachsen und lebt in Berlin. Sie spielt die unrechtmäßige Königin herrlich ambivalent. Sie überlässt es dem Publikum, ob ihre Figur bloß extrem rücksichtslos oder wahnsinnig ist, oder ob sie vielleicht irgendwann am Anfang bloß extrem rücksichtslos war und später wahnsinnig geworden ist. Aber auch die Wirkung einer echten Femme fatale leidet unter einem Übermaß an redundantem Dialog.
 
Der Rest der Besetzung besteht zum großen Teil aus erfahrenen, kompetenten Vollprofis, die tapfer gegen ihre vielen, vielen Dialogzeilen anspielen. Liam Cunningham („Die letzte Fahrt der Demeter“) wirkt absolut königlich als kranker Herrscher. Malik Bauer („Sam – Ein Sachse“) hätte zusätzliche Szenen verdient. Aidan Gillen („Maze Runner“) stellt einen echten Menschen dar, keinen beliebigen Bösewicht. Eine junge Darstellerin namens Áine Rose Daly vermittelt Verzweiflung, Trauma und innere Stärke. Und Film-Kenner dürfen sich mehr als fünfzig Jahre nach „Zardoz“ über ein Wiedersehen mit Sara Kestelman freuen.
 
Fazit
 
Gegen die Dialogsucht und die Totalen-Allergie der Regie ist zwar kein Kraut gewachsen. Aber die kompetenten Leistungen der Darsteller versprechen Linderung und am Ende gesundet „Der Medicus 2“ zu einer weitgehend gelungenen Fortsetzung.
 
 
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