„Uppercut“ ist die internationale Version von Ruethers erstem Spielfilm „Leberhaken“. Laut website „entstand während des ersten Lockdowns das Drehbuch zu „Leberhaken“, das Torsten selbst schrieb und im August 2020 mit Hardy Krüger jr. und Luise Grossmann in den Hauptrollen als Produzent und Regisseur in Personalunion verfilmte.“ Uns allen war während des ersten Lockdowns langweilig. Ich persönlich war damals zum Beispiel viel Wandern. Ich habe aber auch von Leuten gehört, die plötzlich Brot gebacken haben. Es war eine harte Zeit.
„Leberhaken“ entstand damals innerhalb von wenigen Tagen. Viel länger kann die Produktion der internationalen Version „Uppercut“ auch nicht gedauert haben. Und das Budget kann auch nicht wirklich hoch gewesen sein. Beides merkt man. Wir Fans erinnern uns, wie wenige Zuschauer beim Titelkampf am Ende von „Rocky“ im Bild zu sehen waren. In „Uppercut“ bekommen wir einen Geister-Boxkampf ohne jedes Publikum gezeigt.
I can’t teach, what can’t be tought
An dieser Stelle kann ich nicht anders. Ich MUSS noch zweimal Ruethers website zitieren. Auch wenn die Zitate nicht direkt mit seinem neuen Film zu tun haben. „Leberhaken war im September 2021 Eröffnungsfilm des Internationen Filmfestivals in Oldenburg, auch „das Sundance Europas“ genannt.“ Ernsthaft? Von wem? Ich möchte das wirklich wissen: von wem wird das „Internationen Filmfestival in Oldenburg, auch „das Sundance Europas“ genannt“? Von irgendjemandem außerhalb Oldenburgs? Zuschriften bitte gerne an die Redaktion.
Und noch ein Zitat: „Torsten wirkt dort, wo sich Sinn und Sinnlichkeit verweben. Wo Geschichten verfangen. Und deswegen Menschen verweilen.“ (Und ich dachte, ich könnte den Bogen überspannt haben, als ich uns von cinepreview mit Rocky verglichen habe). In „Uppercut“ verwebt sich leider gar nix, weder Sinn noch Sinnlichkeit. Hier verfängt keine Geschichte, weil zu wenig da ist, das sich verfangen könnte. Und verweilen mag man auch nicht, weil einem die gut 100 Minuten des Films reichlich lang vorkommen.
Aber vielleicht sind mit den Menschen, die verweilen, auch die Schauspieler*innen gemeint? Ein echter Regisseur hätte deren Verweildauer benutzt, um mit ihnen Rollen zu erarbeiten. Ving Rhames war legendär in „Pulp Fiction“ und cool in “Con Air”. Aber in letzter Zeit bleibt er mit Filmen wie „The Instigators“ oder jeder „Mission: Impossible“ gerne in seiner Wohlfühlzone. Seine Leistung in „Uppercut“ besteht aus einer apathischen Version des alten Klischees vom widerstrebenden Trainer, von Burgess Meredith bis Clint Eastwood. Ving Rhames war einfach der bekannteste Darsteller, der bereit war, diesen Job für die gebotene Gage zu übernehmen. Und das merkt man leider auch.
Wo Ving Rhames viel zu wenig bietet, ist Hauptdarstellerin Luise Großmann noch viel ehrgeiziger als ihre Figur. Leider macht Ehrgeiz allein noch keinen Champion aus. Man braucht Können, Wissen und Erfahrung. Wenn Luise Großmann sich „gangsta“ geben will, wirkt das lächerlich. Wenn sie mit dem Akzent einer deutschen Vorzugsschülerin Dialogzeilen wie „My own damn ass sent me“ von sich gibt und immer wieder beteuert, „I can do it“ und „I can take it“, klingt das unfreiwillig komisch.
Luise Großmann wirkt in den Szenen als übereifrige junge Boxerin überfordert. In Szenen, die sie als toughe Promoterin zeigen, kann man nicht mehr von Überforderung sprechen. Sie wirkt wie ein kleines Mädchen, das mit den Sachen der Mutter Verkleiden spielt. Frau Großmann hat bisher Erfahrungen in Produktionen wie „SOKO Leipzig“ und „SOKO Wismar“ gesammelt. Und auch das merkt man.
Joanna Cassidy kennen wir als Zhora in „Blade Runner“. Weil ich bereits seit „Klauen wir gleich die ganze Bank“ eine Schwäche für diese Schauspielerin habe, war das Wiedersehen mit ihr in einer kleinen Nebenrolle für mich noch das Beste an „Uppercut“. Davon abgesehen hat dieser Film für Filmfans und vor allem für Fans von Boxfilmen leider nicht viel zu bieten.