Wie man es aus anderen Geschichten kennt, die mit dem Doppelgängermotiv hantieren, stellt sich alsbald eine Konkurrenzsituation ein. Elisabeth neidet Sue den Erfolg, und die Frischzellenversion will ihre Zeitabschnitte um jeden Preis verlängern, was – davor wird mehrfach gewarnt – ernsthafte Komplikationen zur Folge hat.
Worum es Coralie Fargeat in erster Linie geht, ist nicht zu übersehen: Aufspießen will sie in „The Substance“ den in der Unterhaltungsindustrie grassierenden Jugend- und Schönheitswahn und die dort bis heute um sich greifende Objektivierung von Frauen. Quaids Produzent ist ein grauenhafter Sexist, ein Lustmolch, dem die Kamera ständig ganz dicht auf die Pelle rückt und den sie dabei der Lächerlichkeit preisgibt. Alles andere als ein schöner Anblick ist es beispielsweise, wenn sein Gesicht die Leinwand füllt und wir dabei zusehen müssen, wie er sich schmatzend einen Schrimp nach dem nächsten in den Mund schiebt.
Ebenso aufs Korn nimmt die Regisseurin den weiblichen Selbsthass, der aus dem patriarchalen System erwächst. Weil Elisabeth eingeredet wird, dass sie alt und nicht mehr fernsehtauglich sei, verliert sie den Glauben an sich und reagiert geradezu angewidert auf ihr Bild im Spiegel. Nicht nur, aber besonders in diesen Szenen spielt Demi Moore groß auf, wirft sich so schonungslos in ihre Rolle, dass es beinahe schon schmerzhaft ist. Im Hinterkopf schwingt permanent ihr eigener Werdegang mit.
Beruflicher Erfolg, Glamour, Schönheitsoperationen und ein Verschwinden aus der ersten Reihe Hollywoods – irgendwie scheint „The Substance“ auch ein wenig die Geschichte der Hauptdarstellerin zu erzählen.
Moores eindringliche Performance, die von Margaret Qualleys charismatischer Interpretation gut ergänzt wird, kann die Schwächen des Films allerdings nicht übertünchen. Der gewollt ins Absurde kippende, sich nicht gerade subtil gebende Albtraum reitet auf manchen Punkten zu sehr herum, gewinnt seinem Thema keine wirklich neuen Erkenntnisse ab und hätte hinten raus eine Straffung benötigt. Dass man dennoch regelmäßig staunend dasitzt, hat gute Gründe. Fargeat setzt Farben, Klänge und Perspektiven wirkungsvoll ein, lässt die Welt ständig aus den Fugen geraten, findet für ihre grotesk eskalierende Erzählung Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen. David Cronenberg, John Carpenter und Brian De Palma werden mehr oder weniger offensichtlich zitiert. Und doch ist „The Substance“ ein ganz eigenes Biest von einem Film. Seine Schöpferin muss man auf dem Zettel haben. Ohne Wenn und Aber!