Rule two: Admit nothing, deny everything (SPOILER)
Die Macher von „The Apprentice“ vermeiden neue Erkenntnisgewinne sogar auf besonders drastische Art. So ist im Film zu sehen, wie Donald seine Frau Ivana während der Ehe vergewaltigt. Diese Sequenz ist in vielerlei Hinsicht ein Ärgernis. Die 2022 verstorbene Ivana Trump war zwar dreizehn Jahre mit einem Ekel verheiratet. Aber sie war auch eine intelligente Frau, die bereits vor der Ehe mit Trump als Modell und Designerin Erfolg hatte.
Die Vergewaltigungsszene beginnt im Film mit einem Geschenk Ivanas an ihren Mann, das so abgrundtief lächerlich dumm ist, man kann bloß den Kopf schütteln. Dieses Detail allein beschmutzt das Ansehen dieser armen Frau. Was noch schwerer wiegt: Ivana Trump hat 2018, zu einem Zeitpunkt, an dem sie durch dieses Geständnis nichts mehr zu gewinnen hatte, zugegeben, der Vorwurf der ehelichen Vergewaltigung sei eine Erfindung ihrer Scheidungsanwälte gewesen. Die Macher von „The Apprentice“ haben es mit ihrer Kolportage also so weit getrieben, dass ich nun gezwungen bin, Donald Trump gegen „Fake News“ zu verteidigen.
Falls „The Apprentice“ ein Hauptthema hat, dann ist es nicht Trumps Ehe sondern seine Beziehung zu seinem Mentor Roy Cohn. Auch über ihn erfahren wir nichts Neues. Cohn ist ein skrupelloser, erzkonservativer Reaktionär, der seine Homosexualität verbirgt und sogar noch bestreitet, als er längst an AIDS stirbt. Ob wir in diesem Film im letzten Drittel Mitleid mit dieser Figur haben sollen, ist unklar. Während der ersten zwei Drittel des Films war nichts zu sehen, das uns dabei helfen würde. Wenn uns das qualvolle Sterben eines Menschen in einem Film kalt lässt, ist auch das ärgerlich.
Hinter solchen Ärgernissen bleiben die sonstigen Qualitäten des Films fast zweitrangig. Die Ausstattung des Films ist von uneinheitlicher Qualität. Die Kostüme sind in Ordnung. Aber der Film vermittelt nicht immer ein authentisches Gefühl für das New York der Siebziger- und Achtzigerjahre.
Einzelne Szene sind mit unscharfer, wackeliger Handkamera gedreht. Das soll wohl dokumentarisch wirken. Leider erschließt sich dem Betrachter inhaltlich nicht, wie Regisseur Abbasi entschieden hat, welche Szenen in diesem pseudodokumentarischen Stil zu drehen wären und welche konventionell. Das lässt den Film auch visuell hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben.
Einige leicht vermeidbare Anachronismen (sowohl „Yes Sir, I can Boogie“ als auch „Always on my Mind” von den Pet Shop Boys sind im Film zu Zeitpunkten in der Handlung zu hören, zu denen diese Lieder noch nicht veröffentlicht waren) tragen zusätzlich zum Eindruck bei, hier würde einiges „intellektuell bewusst flach gehalten“.
Rule three: no matter what happens, you claim victory and never admit defeat
In diesem Film über Gewinner und Verlierer gibt es für die Darsteller*innen wenig zu gewinnen. Der sonst stets verlässliche Martin Donovan („Enzo und die wundersame Welt der Menschen“) spielt Fred Trump Sr. als Klischee des hartherzigen, starrsinnigen Vaters. Die zauberhafte Marija Bakalowa („Guardians of the Galaxy Vol. 3“) schlägt sich als Ivana Trump tapfer und versucht, über die Mängel und Auslassungen des Drehbuchs hinwegzuspielen.
Jeremy Strong spielt nach „Zeiten des Umbruchs“ nun bereits im zweiten mittelmäßigen Film mit, der unter anderem die Trump-Familie behandelt. Leider lässt das Drehbuch niemals zu, dass Strong uns den Menschen Roy Cohn näherbringt. So kann sich Strong mit seiner Darstellung nur innerhalb der „allgemein verbreiteten klischeehaften Vorstellungen und Bilder“ bewegen.
Sebastian Stan kennen die meisten von uns als Bucky Barnes/Winter Soldier aus dem MCU. Eine sehr anspruchsvolle Leistung hat er vor einigen Jahren in „I, Tonya“ gezeigt. Stan hat sicher viel Zeit und Energie in das Studium seines Vorbilds investiert. Alleine dafür hat er unser volles Mitgefühl verdient. Und er gibt Trumps Manierismen, seine merkwürdige Art zu sprechen, seine Art sich zu bewegen, wirklich sehr originalgetreu wieder.
Aber bei der Darstellung bekannter Vorbilder ist dem Publikum mit einer Imitation nicht geholfen. Wir alle kennen das Vorbild und es noch einmal zu sehen, hat wenig künstlerischen Wert. Bei der Darstellung realer Vorbilder geht es darum, deren Wesen zu erkennen und für das Publikum zusammenzufassen und nachvollziehbar zu machen. Deshalb ist z.B. Joaquin Phoenix‘ Darstellung des Johnny Cash der Leistung Rami Maleks als Freddie Mercury weit überlegen, obwohl letzterer auf den ersten Blick näher an seinem Original zu sein scheint.
Sebastian Stan bietet uns alle (unangenehmen) Verhaltensweisen des Vorbilds. Aber das lässt uns das Wesen dieses Vorbilds und seine Entwicklung noch nicht nachvollziehen. Stans Imitation Trumps ist wirklich sehr gelungen. Aber das lässt sich leider auch über die Trump-Parodie von Alec Baldwin sagen. Vielleicht kann man Wesen und Entwicklung Donald Trumps gar nicht nachvollziehen. Vielleicht möchte man das auch gar nicht. Aber Sebastian Stan scheitert in diesem Film an dieser Aufgabe.