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Kritik: Transamazonia

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Autor: Christopher Diekhaus
 
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit spielt der deutsche Nachwuchsstar Helena Zengel die Hauptrolle in einer internationalen Leinwandproduktion.
 
Inspiriert von wahrer Überlebensgeschichte
 
Anfang Mai 2025 lief hierzulande in den Kinos das Fantasy-Abenteuer „Die Legende von Ochi“ an, das die durch den Film „Systemsprenger“ (2019) bekannt gewordene Helena Zengel als gegen väterliche Regeln aufbegehrende Teenagerin zeigt. Zwei Wochen später steht nun der nächste Streifen mit der gebürtigen Berlinern in den Startlöchern, dem ein Coming-of-Age-Ansatz zu Grunde liegt. Was beide Arbeiten trotz großer Unterschiede eint: Erzählerisch geht längst nicht alles zusammen, während spannende atmosphärische Akzente gesetzt werden.
 
„Transamazonia“ – so heißt das Dschungeldrama, das bereits 2024 seine Uraufführung feierte – ist inspiriert von der Geschichte Juliane Koepckes, die 1971 einen Flugzeugabsturz im peruanischen Regenwald überlebte. Leinwandexzentriker Werner Herzog, den Extremerfahrungen seit jeher brennend interessieren, befasste sich bereits in seinem Dokumentarfilm „Julianes Sturz in den Dschungel“ mit eben dieser Thematik.
 
Die in Südafrika geborene Regisseurin und Drehbuchautorin Pia Marais nutzt die unglaubliche Survivalstory aus dem wahren Leben als Ausgangspunkt für eine Tochter-Vater-Erzählung, die spannende Fragen umkreist, sich aber vor allem gegen Ende immer mehr verzettelt und an den eigenen Ansprüchen verhebt. Helena Zengel indes beweist eindrücklich ihre Vielseitigkeit – nicht nur, weil sie in der Originalfassung mehrere Passagen auf Portugiesisch absolviert. Wer sie dank „Systemsprenger“ nur als großes Energiebündel abgespeichert hat, wird sich wundern, wie zurückhaltend die deutsche Nachwuchsdarstellerin in „Transamazonia“ die meiste Zeit agiert. Ihre Performance ist ruhig, in sich gekehrt – und gerade deswegen auf seltsame Weise faszinierend.
 
 
Bei der von ihr verkörperten Rebecca handelt es sich um eine Missionarstochter, die als kleines Kind nach einem Unglück im Amazonasdschungel gerettet wird und schnell zu einer lokalen Berühmtheit avanciert. Ihr Vater Lawrence (Jeremy Xido) nutzt das erstaunliche Überleben seiner Tochter, um seinen Glauben unter die Leute zu tragen. Regelmäßig tritt Rebecca als eine Art Wunderheilerin in seinen Zeremonien auf, wobei nicht ganz klar wird, inwiefern sie tatsächlich besondere Fähigkeiten besitzt und ob sie selbst fest an diese Kräfte glaubt. Menschen aus der Region wenden sich jedenfalls immer wieder an das Gespann, wenn die Wissenschaft, wie es an einer Stelle heißt, nicht mehr weiterweiß.
 
Erzählerischer Fokus fehlt
 
Tochter und Vater wirken bestens eingespielt. Erste Irritationen gibt es jedoch, als Lawrence die deutschsprachige Krankenschwester Denise (Sabine Timoteo) bei sich aufnimmt, die in Rebecca eine starke Ähnlichkeit mit einer früheren Arbeitskollegin zu erkennen glaubt. Die Bindung zwischen der Teenagerin und dem Missionar, der Gutes tun will, aber vom White-savior-Syndrom infiziert ist, fängt schließlich an zu bröckeln, als die beiden in die Auseinandersetzung zwischen einer rücksichtslosen Abholzungsfirma und einer indigenen Gruppe hineingezogen werden.
 
Mit der oft intensiven Klangkulisse und den teils mystisch angehauchten Dschungelbildern schafft Pia Marais einen stimmungsvollen Hintergrund für den inneren Konflikt, in den die Protagonistin mehr und mehr hineingerät. Ist sie wirklich am richtigen Platz? Will sie sich von ihrem Vater vereinnahmen lassen? Was genau ist in ihrer Vergangenheit geschehen? Diese Fragen bekommen zunehmend Gewicht. Die Zweifel und das Unwohlsein lässt Zengel dabei nicht hervorbrechen, sondern vermittelt die Gefühle durch ihre Blicke, ihre Mimik, eine, wie schon erwähnt, überraschend zurückgenommene Darbietung, die dennoch fesselt.
 
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Zengels eindringliches Spiel hätte allerdings ein besseres Drehbuch verdient gehabt. Der Handlung fehlt stellenweise der Fokus. Besonders zum Ende hin wirkt Rebeccas Charakterbogen grob geschnitzt und überhastet, weshalb einige Handlungen nicht richtig nachzuvollziehen sind. Eine erschütternde Enthüllung, die man kommen sehen kann, besitzt große Sprengkraft, wird jedoch in beschönigender Manier wieder eingefangen.
 
Gerade hier würde es sich lohnen, tiefer zu graben. Was vielleicht aber am meisten ärgert: Obwohl „Transamazonia“ Kritik an den brutalen Methoden der Abholzungsindustrie und an der gewaltsamen Vertreibung der indigenen Bevölkerung äußert, verhält es sich mit den Ureinwohnern wie so oft: Im Grunde bleiben sie Statisten, sind schmückendes Beiwerk, treten meistens in der Masse auf, bekommen folglich wenig eigenen Entfaltungsraum.
 
Fazit
 
Irgendwo in Pia Marais‘ neuem Spielfilm steckt ein spannend-komplexes Identitätsdrama. Trotz einer guten Schauspielleistung in der Hauptrolle und stimmungsvoller Akzente tritt es aber nur sporadisch zu Tage.
 
 
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