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Kritik: John Wick: Ballerina

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Die Filme der John Wick-Reihe hatten schon immer etwas stark Alttestamentarisches. Für das neueste Spin-Off gilt das in ganz besonderem Maße …
 
Fight like a girl!
 
Wir sehen die kleine Eve mit ihrer Spieluhr. Darin dreht sich eine Ballerina zu den Klängen von Schwanensee. So weit so originell. Mama gibt es keine mehr. Und Papa hat Sorgen. Das merkt man schon an seinem dramatischen Overacting wenn er sich das Gesicht wäscht. Bald dringen auch schon bewaffnete Bösewichter in das luxuriöse Haus am Meer ein. Doch Papa weiß sich zu wehren und so kann er ruckzuck ein Dutzend Schergen des Bösen ausschalten. Leider hat der Oberbösewicht aber drei Dutzend von seinen Schergen dabei. Damit war nicht zu rechnen. Das weitere Schicksal von Papa wird niemanden überraschen. Und welche Organisation sich der kleinen Eve annimmt, um sie aufzuziehen, wird auch schon im Trailer verraten …
 
„Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ steht schon im Alten Testament. Wenn man sich die vielen Fernsehserien ansieht, in denen uns erklärt wird, wie die Rebellenallianz an die Fahrwerksteile für ihre X-Flügler gekommen ist oder in denen es um das Fuhrparkmanagement von S.H.I.E.L.D. oder die Schwippschwägerin des Hulk geht, könnte man Spin-Offs, die mit irgendwelchen Nebengeschichten von Erfolgsserien immer noch mehr Kohle machen wollen, für etwas Neues halten.
 
Aber schon Alexandre Dumas hat seinem Roman „Die Drei Musketiere“ mehrere Spin Offs hinterhergeschoben und in zwei verschiedenen Verfilmungen des gleichen dieser Spin Offs haben zwei verschiedene Darsteller aus „Ballerina“ mitgewirkt: Ian McShane bereits 1979 in „Das Geheimnis der eisernen Maske“ und knapp zwanzig Jahre später Gabriel Byrne in „Der Mann in der eisernen Maske“. Es gab also wirklich noch nie etwas Neues unter der Sonne.
 
 
Diese alttestamentarische Lehre wird uns auch in „From the World of John Wick: Ballerina“ immer und immer wieder verdeutlicht. Wieder eine Rachegeschichte. Wieder hadert man mit den umständlichen Regeln des Continental und des Killer-Gewerbes. Wieder biegen und brechen die Protagonisten diese Regeln, so wie ich die Regeln des „Uno“-Spiels (lasst Euch nichts einreden. Wenn jemand eine „Plus 2“ ausspielt kann man natürlich eine andere „Plus 2“ oder eine „Plus 4“ drauflegen und der nächste Spieler muss dann eben 4 oder 6 Karten nehmen, es sei denn er kann ebenfalls eine entsprechende Karte drauflegen. Das treibt man dann so lange es geht, bis irgendeine arme Sau 12, 14 oder mehr Karten nehmen muss und man sehen kann, wie der Lebenswille im Blick des Mitspielers erlischt. Völlig egal, ob die Regeln etwas anderes behaupten. Nur so spielt man „Uno“. Nur so wird das Spiel überhaupt interessant.).
 
Und auch sonst gibt es nichts Neues unter der Sonne, die man in diesem Film ohnehin kaum zu sehen bekommt. Regisseur Len Wiseman („Underworld“) hat sich für seinen ersten Beitrag zur „World of John Wick“ die Farbpalette der bisherigen Filme ausgeliehen. Und die besteht, wie wir alle wissen, aus sehr vielen Schattierungen von grau und sonst nicht viel. In dieser grau in grauen Welt wird viel gekämpft, noch mehr geschossen und zuweilen auch mal das eine oder andere Auto kaputt gefahren. Das alles ist wieder mit der etwas langweiligen, glatten Kompetenz gestaltet, die man mittlerweile von der Serie gewohnt ist und die nur von einigen Film-Fehlern aufgelockert wird, wie tschechischen Aufschriften und Armee-Geländewagen in einer Garage die in Österreich stehen soll.
 
Die früheren Filme ließen teilweise Anflüge von schrägem Humor erkennen. Doch in „From the World of John Wick: Ballerina“ fehlt leider jeder noch so kleiner Anflug von Humor, was die Lächerlichkeit der Handlung nur betont. Das noch größere Versäumnis stellt aber das völlige Fehlen von Hunden in diesem neuen Film dar. Ich stelle klar: in diesem Film aus der „World of John Wick“ kommt kein einziger Hund vor. Ist das zu fassen? Ich vermute, die meisten unserer Leser*innen, werden an dieser Stelle aufgeben und gar nicht mehr weiterlesen wollen. Für besonders Hartgesottene berichte ich einfach noch ein bisschen.
 
I’m not gonna hurt you (SPOILER)
 
Verantwortlich für den bedauernswerten Mangel an Hunden ist Regisseur und Co-Autor Len Wiseman nicht allein, hat er das Drehbuch doch zusammen mit Shay Hatten verfasst. Dieser Autor hat bisher u.a. an den Drehbüchern von „John Wick: Kapitel 4“, „Army of Thieves“ und beiden Teilen von Zack Snyders unsäglichem „Rebel Moon“ mitgeschrieben. Hier war also von Anfang an nicht viel Neues zu erwarten. Die wenigen neuen Elemente sind entweder dumm, wie eine Schießerei zwischen zwei Kombattanten, die beide mit Flammenwerfern bewaffnet sind, oder unfreiwillig komisch, wie die Szene in der wir sehen, dass man bei den Ruska Roma seine Tätowierungen inmitten einer Art Gebetskreis unter die Haut gestochen bekommt.
 
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Ein Hauptelement dieses Films ist aber gleichzeitig dumm und unfreiwillig komisch: die Bösen in diesem Film betreiben einen Kult, von dem man während des ganzen Films nie erfährt, wie er funktioniert, was sein Ziel ist oder wovon er lebt. Dieser geheime Kult von schwerbewaffneten Killern stellt die gesamte Bevölkerung des malerischen kleinen Ortes Hallstatt im Salzkammergut. Man muss nicht dort gewesen sein, um zu wissen, Hallstatt ist UNESCO-Welterbestätte und wird jeden Tag von einigen Zigtausend Touristen besucht. Seit den Axt-Fetischisten in „City Cobra“ mit Sylvester Stallone hat man im Kino keinen dümmeren und sinnloseren Kult mehr gesehen.
 
Angeführt wird dieser Kult von Gabriel Byrne. Byrne war nie ein besonders expressionistischer Darsteller, konnte aber vor langer Zeit in einigen Filmen, wie „Miller’s Crossing“ oder „The Usual Suspects“ eine gewisse Wirkung entfalten. Zu seiner Verteidigung: Die Figuren in „Ballerina“ sind alle underwritten. Das gilt natürlich auch für seine Rolle des Oberbösewichts. Aber was Byrne hier abliefert, kann man schon nicht mehr „underacting“ nennen. Es verdient kaum die Bezeichnung „markieren“. Das einzig Interessante an seiner Darstellung ist die Frage, ob er in einigen wenigen Momenten des Films vielleicht tatsächlich versucht, einen Akzent nachzuahmen oder einfach nur undeutlich spricht.
 
Natürlich sind jede Menge alte Bekannte aus der „World of John Wick“ zu sehen. Ian McShane macht das was er immer macht und womit er sich seit vielen Jahren seine Altersversorgung finanziert. Anjelica Huston liefert wieder ungefähr 2% dessen, was sie vor vielen Jahren in „Hexen hexen“ geboten hat und das ist noch immer mehr als so manche(r) andere Darsteller*in hier abliefert. Wir sehen Lance Reddick in seiner letzten Rolle vor seinem allzu frühen Tod. Und ja, es ist längst kein Geheimnis mehr, wer natürlich auch wieder mit dabei ist und ein bisschen mitschießt.
 
Zu den neuen Gesichtern in der „World of John Wick“ zählen u.a. Norman Reedus („The Walking Dead“), der hier ungepflegt und gehetzt zu wirken hat, und die Kolumbianerin Catalina Sandino Moreno, in einer Rolle die man kaum als solche bezeichnen kann und noch einige weitere Darsteller*innen, die es natürlich nie schaffen, so etwas ähnliches wie einen Eindruck zu hinterlassen, weil sie keine Rollen darstellen sondern bloß Stichwortgeber. Warum die großartige Anne Parillaud, die immerhin mal die Hauptrolle in dem immer noch besten Film über weibliche Auftragskiller überhaupt gespielt hat, in diesem Film praktisch nicht zu sehen ist, ist die zweite der wenigen interessanten Fragen an diesem Film.
 
Ana de Armas („Knives Out“, „Eden“) hat es sich mit diesem Projekt nicht leicht gemacht. Sie spielt hier eine Ansammlung alter Filmklischees, die man kaum als „Rolle“ bezeichnen kann und für die sie zu alt, zu klein und zu wenig athletisch gebaut ist. Ich weiß, Ana de Armas ist sicher größer als 150 cm. Im Film wirkt es aber immer wieder so als wäre sie deutlich kleiner, wenn sie Männer durch die Gegend prügelt, tritt und wirft, deren Oberarme bereits größer und schwerer sind als Ana de Armas. In einer Szene trägt sie eine Schrotflinte, die in den zierlichen Händen der Darstellerin die Ausmaße einer Feldhaubitze zu haben scheint. Man möchte ihr beim Tragen helfen.
 
Es hilft auch nicht, wenn Drehbuch und Regie ihre Figur der „Eve“ immer wieder furchtbar inkompetent wirken lassen. Ernsthaft, diese Super-Leibwächterin-Killerin-Kämpferin-wasweißichnochalles vergisst in gefährlichen Situationen so oft, sich umzudrehen, immer wieder möchte man ihr helfen und „Pass doch auf! Hinter Dir!“ rufen. Keanu Reeves vermittelte in der „World of John Wick“ stets eine entschlossene Härte und übermenschliche Fähigkeiten, die zwar absurd comic-haft aber innerhalb der Filme stimmig wirkten. Die Darstellung von Ana de Armas funktioniert leider nicht einmal innerhalb der komplett unrealistischen, durchgeknallten „World of John Wick“ so richtig.
 
Fazit
 
Nach der alttestamentarischen Lehre „Zahn um Zahn, Auge um Auge“ erinnert uns dieser Film auch daran, dass es eben nichts Neues unter der Sonne gibt. Wer sich damit abfinden kann oder mag, bekommt hier wieder zwei Stunden Einblick in die „World of John Wick“, bloß eben mit neuer, noch unglaubwürdigerer Protagonistin und noch dümmerer Handlung.
 
 
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