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Kritik: Elio

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Elio, der Held von Pixars neuestem Spielfilm, möchte seinem Leben auf der Erde entfliehen, indem er sich von Außerirdischen entführen lässt …
 
And you may ask yourself, „How did I get here?”
 
1977 wurden die beiden Raumsonden “Voyager 1“ und „Voyager 2“ ins All gesandt. Obwohl beide Sonden auf eine Missionsdauer von bloß 4 Jahren ausgelegt waren, senden beide auch heute noch Daten zur Erde. Die beiden Sonden sind mittlerweile weiter in den Weltraum vorgedrungen als irgendein anderes von Menschenhand geschaffenes Objekt. An Bord beider Sonden befindet sich je eine „Golden Record“ mit Bildern von der Erde, Grußbotschaften in 55 Sprachen, 27 verschiedenen Musikstücken (vom ersten Satz des 2. Brandenburgischen Konzerts bis zu „Johnny B. Goode“) und Hinweisen, wie und wo außerirdische Lebensformen unseren Planeten finden könnten.
 
Die „Golden Records“ sind eine Relikt einer anderen Zeit. Nicht einer besseren Zeit, bloß einer anderen Zeit. Einer in mancher Hinsicht hoffnungsvolleren Zeit. Man stelle sich vor, 1977 meinte der damalige Präsident der USA, Jimmy Carter, in seiner Grußbotschaft an den Kosmos: „We human beings are still divided into nation states, but these states are rapidly becoming a single global civilization.“ Naja, …
 
In Pixars neuem Film muss der kleine Elio bei seiner Tante leben, nachdem er seine Eltern verloren hat. Während eines Besuchs in einem Museum lernt er einiges über die Voyager-Sonden und die Golden Records und weil er sich auf der Erde ohnehin fehl am Platz fühlt, unternimmt er alles, um von Außerirdischen abgeholt zu werden. Und tatsächlich nimmt eine Organisation einer Vielzahl kosmischer Zivilisationen die Einladung der „Golden Records“ an und Kontakt mit der Menschheit auf. Aufgrund eines Mißverständnisses halten die Außerirdischen den kleinen Elio für den Anführer der Menschheit …
 
 
Pixars neuester Spielfilm beginnt mit einigen Bildern einer Voyager Sonde auf ihrer Reise durchs All. Diese erste Sequenz vermittelt uns etwas, das wir im Kino kaum noch vermittelt bekommen: etwas Besonderes. In einer Zeit, in der wir im Kino praktisch ständig Außerirdische, Superhelden, Kaijūs, haushohe Roboter, geklonte Dinos und ähnliches gezeigt bekommen als wäre das alles gar nix, schaffen es die Künstler von Pixar, uns das Besondere an diesem jahrzehntealten technischen Gerät und seiner Mission zu vermitteln. Und dann endet diese wirklich wunderschöne Sequenz mit einem witzigen kleinen Gag.
 
Und das ist es, was uns „Elio“ bietet: einerseits wieder mal ein bisschen von einem Gefühl des Besonderen, des Wunders des Lebens, des Universums und des ganzen Rests. Und dann noch eine ordentliche Portion Spaß. „Elio“ bietet uns keine großen soziologischen, utopischen, psychologischen oder philosophischen Konzepte wie „Die Unglaublichen“, „WALL·E“, „Alles steht Kopf“, „Soul“ oder andere Meisterwerke von Pixar. Aber der Film bietet neben intelligenter Unterhaltung für die ganze Familie endlich mal wieder etwas, das wir Kino kaum noch geboten bekommen: Staunen.
 
Wir staunen mit dem kleinen Elio über die Vielfalt der außerirdischen Lebensformen, über ihre Technik mit ihren fantastischen Möglichkeiten, über die Weite des Raumes. Und dann lachen wir mit ihm und seinem neuen Freund Glordon. Zusammen mit der wirklich hervorragenden Animation, den durchaus netten Einfällen des Drehbuchs und der Regie und der anspruchsvollen, erwachsenen Botschaft dieses Films, ergibt das alles einen hochwertig produzierten, sehr unterhaltsamen Film für die ganze Familie, der eigentlich nur ein einziges Problem hat.
 
And you may ask yourself, "How do I work this?"
 
Das einzige echte Problem dieses Films, ist die bisherige Filmografie des Studios, das ihn produziert hat. Wir sind von Pixar einfach mehr gewohnt. Wir sind sogar von den Machern von „Elio“ mehr gewohnt. Co-Autor und Co-Regisseur Adrian Molina hatte die gleichen Jobs auch bei „Coco“ übernommen. „Coco“ war ein Fest für die Sinne, das ganz nebenbei eines der originellsten und menschlichsten Jenseits-Konzepte der Filmgeschichte zu bieten hatte. Co-Autorin und Co-Regisseurin Domee Shi hatte die gleichen Funktionen auch bei „Rot“ inne, einem feinen, kleinen Meisterwerk über die weibliche Pubertät und wie Traumata sich durch die Generationen einer Familie fortpflanzen können.
 
01 2025 Disney Pixar03 ©2025 Disney04 2025 Disney Pixar07 2025 Disney Pixar
 
Verglichen mit anderen Werken aus dem Studio mit der Lampe, die seit dreißig Jahren keinerlei Rücksicht auf das „i“ nimmt, wirkt „Elio“ ein bisschen halbgar. Der Held hat seine Eltern verloren, aber wir bekommen nur wenig davon vermittelt, was das für das Kind bedeutet. Dieses Handlungselement wirkt wie eine bloße Notwendigkeit des Drehbuchs. Wir sehen die gigantische, bunte Basis der Außerirdischen, lernen diesen Lebensraum aber nicht annähernd so gut kennen wie die fantastische Welt der Verstorbenen in „Coco“. Die kleine Heldin in „Rot“ hatte mit den Veränderungen ihres Körpers und der Verschwiegenheit ihrer Familie zu kämpfen. „Elio“ ist im Vergleich dazu einfach nur mies drauf.
 
Auch die Synchronstimmen arbeiten wieder auf hohem Niveau. Im englischen Original leiht Zoe Saldana der Tante des Helden ihre Stimme und Brad Garrett ist nach „Ratatouille“ wieder in einer wichtigen Rolle zu hören. Zwei junge Talente namens Yonas Kibreab und Remy Edgerly und verschiedene Profis wie Jameela Jamil und Matthias Schweighöfer machen einen guten Job. Aber sie alle bieten irgendwie nie den inspirierten Wortwitz und das großartige Timing von echten Könnern wie Patton Oswalt, John Goodman, Billy Crystal, Amy Poehler oder Tina Fey.
 
Das einzige echte Problem von „Elio“ ist also das Vermächtnis von Pixars bisheriger Filmografie. Sind echte Meisterwerke wie „Findet Nemo“, „Oben“, „WALL·E“ und „Alles steht Kopf“ etwa Relikte einer anderen, hoffnungsvolleren und vielleicht anspruchsvolleren Zeit, so wie die „Golden Records“? Werden wir von Pixar irgendwann wieder Filme sehen, wie wir sie vorher noch nie gesehen haben? Schwer zu sagen. Bis dahin ist „Elio“ ein hochwertig produzierter, sehr unterhaltsamer Film für die ganze Familie.
 
Hinweis
 
„Elio“ wurde der deutschen Filmpresse in 3D vorgeführt. Ich hatte eigentlich gehofft, man hätte es endlich aufgegeben, mit dieser Technik zusätzliches Geld machen zu wollen. Natürlich hat sich seit „Das Kabinett des Professor Bondi“ und „Der Weiße Hai 3-D“ viel getan. Aber bisher habe ich noch keinen einzigen Spielfilm gesehen, der durch die 3D-Projektion aufgewertet worden wäre.
 
Gerade bei Filmen aus dem Hause Pixar bietet die 3D-Technik den Nachteil, dass der Betrachter nur das Objekt im Bildmittelpunkt richtig hell und scharf sieht. Die vielen Details im Hintergrund gehen weitgehend in dunkler Unschärfe unter. Ich empfehle den Mehrpreis für die 3D-Version in Cola und Nachos zu investieren. Da hat man mehr davon.
 
Fazit
 
Man muss sich nicht von Außerirdischen entführen lassen, um für knapp zwei Stunden dem irdischen Alltag zu entfliehen. Man kann auch ins Kino gehen und sich und seine Familie hervorragend unterhalten lassen. Ein echtes Meisterwerk, wie manche frühere Pixar-Filme, ist „Elio“ aber nicht.
 
 
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