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Kritik: Hagen - Im Tal der Nibelungen

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Das Nibelungenlied ist seit Jahrhunderten das bekannteste Epos des deutschen Sprachraums. Der neue Film, der einen Teil davon erzählt, orientiert sich aber mehr an einem modernen, weltweit bekannten Epos ...
 
Uns wird in alten Erzählungen viel Wunderbares berichtet ...
 
Hagen von Tronje ist der Waffenmeister des Burgunderkönigs. Auch nach dessen Tod auf dem Schlachtfeld hält er aus tiefempfundenem Pflichtgefühl zum neuen König Gunter. Als das Burgunderreich von fremden Mächten bedroht wird, findet Gunter in Siegfried von Xanten einen arroganten und unberechenbaren aber schlagkräftigen Verbündeten. Aus Dankbarkeit verspricht Gunter Siegfried die Hand seiner Schwester Kriemhild. Hagen selbst hegt seit langem Gefühle für Kriemhild, kann diese aber zunächst unterdrücken ...
 
Während der ersten Minuten von „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ hatte ich Mühe, diesen Film einzuordnen. Was wollte dieser Film? Sollte das tatsächlich eine Nacherzählung des Nibelungenlieds für ein modernes Publikum sein? Dann ergab aber nichts von dem, was ich sah irgendeinen Sinn. Das düstere Setting, die banalen Dialoge, die vor sich hin plätschernde Handlung, ... wie will man damit ein Heldenepos vermitteln? Das wäre wie der Versuch, den Menschen klassisches griechisches Drama mit der „Lindenstraße“ nahe zu bringen.
 
 
Man muss leider feststellen, in diesem Film passiert nur wenig. Es wird vor allem gesprochen. Nach gut 20 Minuten sieht man zum ersten Mal so etwas Ähnliches wie eine Actionszene, in der ein Pferd durchgeht. Die ungeschickte Montage vermittelt zwar weder Spannung noch Gefahr. Aber die Darsteller auf der Leinwand tun sehr aufgeregt. Nun gut. Nach weiteren 20 Minuten kommt es zu einer Schlacht, die, gemessen an dem was wir bisher zu sehen bekamen, sogar recht aufwendig gestaltet wirkt. Da begann es mir zu dämmern und ich konnte das Muster erkennen.
 
Wenig Geschehen und viel Dialog, in regelmäßigen Abständen unterbrochen von einer Sequenz, die dann doch ein bisschen Schauwert liefert, das ist das ewiggleiche Muster, dem die meisten Fernsehserien folgen. In jeder Folge praktisch jeder Fernsehserie passiert aus Budgetgründen lange Zeit nicht viel und rechtzeitig vor dem Ende der Episode gibt es dann doch noch etwas zu sehen. Diese tumbe Vorhersehbarkeit der Dramaturgie ist es, die mich als Filmfan an Fernsehserien immer abgestoßen hat. Jetzt ergab alles Sinn. Und die erste (übrigens recht zahme) Sexszene nach weiteren ziemlich genau 20 Minuten und das Ende, das weitere Verwicklungen in Aussicht stellt, rundeten das Bild ab. „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ wurde von der Constantin Film in Zusammenarbeit mit RTL+ produziert. Dieser „Film“ ist gar kein Film. „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ ist eine Fernsehserie. Und nicht irgendeine Fernsehserie. „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ ist der deutsche Versuch, den Erfolg von „Game of Thrones“ zu kopieren.
 
Auch wenn „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ demnächst im Kino anläuft, wird das Ganze doch bereits 2025 auf RTL gezeigt. Und das sicher in mehreren Teilen und von Werbung unterbrochen. Daher auch die Schauwerte pünktlich alle zwanzig Minuten. Man will ja die Leute nach der Werbepause oder in der nächsten Folge wieder an den Bildschirm zurückholen. Man darf also „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ gar nicht als Film betrachten und kritisieren, sondern nur als Fernsehserie.
 
01 ©2024 Constantin Film02 ©2024 Constantin Film06 ©2024 Constantin Film07 ©2024 Constantin Film
 
... von berühmten Helden, großer Mühsal, ...
 
Und das ist auch besser so. Als Film funktioniert dieses Werk nur so halbwegs. Es passiert einfach zu wenig. Es gibt zu wenig zu sehen. Ja, es gibt einige recht hübsche, computergenerierte Panoramaaufnahmen von Worms, das im frühen Mittelalter wohl aus irgendeinem Grund auf einem Berg lag. Aber meistens sieht man nur Darsteller*innen, die in immer gleichen Räumen, in immer gleichen Kostümen immer gleich klingenden Dialog sprechen.
 
Und selbst wenn etwas passiert, bekommt man davon nicht viel zu sehen. Siegfried erzählt von der Tötung des Drachen. Zu sehen bekommen wir das Ungeheuer aber nur post mortem, unscharf im Hintergrund liegen. Das Bild des überaus attraktiven, (fast) völlig mit Drachenblut bedeckten Siegfried bekommen wir dafür mehrmals zu sehen. Wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, es wird uns ungefähr alle 20 Minuten gezeigt.
 
Auch sonst gibt es streckenweise nicht allzu viel zu sehen. In der Mitte des „Films“ (also in Folge 3 oder 4) gibt es einige wirklich eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen von Island. Aber davor fährt ein Schiff vom Rhein ins Meer und der „Rhein“ ist an seiner Mündung nicht sehr viel breiter als das mittelalterliche Schiff. Später erleidet man Schiffbruch, bloß hätte die Inszenierung eines Schiffbruchs wohl das Budget dieser Folge gesprengt. Daher sehen wir bloß ein Schiff, in das Wasser gespritzt wird und nach einem Schnitt liegt ein Schauspieler an einer Küste.
 
Beeindruckend ist das alles nicht. Aber das muss es in einer Fernsehserie vermutlich nicht sein. Moderne Fernsehserien werden nicht wirklich sehr aufmerksam angesehen. Man lässt sie laufen, während man sich mit anderem beschäftigt. Daher auch die vielen ewiggleichen Dialoge. Und daher trauen sich die Autoren auch nicht richtig, die Figuren eine dem mittelalterlichen, höfischen Setting angemessene Sprache sprechen zu lassen und lassen sie immer wieder in Umgangssprache verfallen. Denn wenn das Publikum nebenbei mit dem Handy spielt, muss der Dialog einfach klingen und oft wiederholt werden, um aufgenommen werden zu können.
 
Aber was für eine Fernsehserie Sinn ergibt, wird in einem Film schnell anstrengend. Beispiel gefällig? Nach wenigen Minuten wird über einer Panoramaaufnahme der Stadt der Name „Worms“ eingeblendet. In den folgenden Minuten wird immer wieder erwähnt, dass sich der Königshof in Worms befindet. Der Ort der Handlung ändert sich in diesem Teil des Films (bzw. in dieser Folge) kein einziges Mal. Ein Schauspieler meldet, fremde Krieger würden vor Worms lagern. Ein anderer Schauspieler betrachtet von der Stadtmauer aus deren Lager. In der nächsten Einstellung sehen wir das Lager dieser Krieger und deren Anführer erklärt laut und deutlich: „Wir reiten nach Worms.“
 
Warum muss er „Worms“ namentlich erwähnen? Seine Gruppe war sicher geraume Zeit unterwegs. Ihr Ziel war ihnen bekannt. Warum muss er nochmal den Namen der Stadt aussprechen? Warum muss er überhaupt darüber sprechen, in die Stadt zu reiten? Film ist ein visuelles Medium. Warum zeigt man nicht einfach, wie die Krieger aufbrechen und in die Stadt reiten? Weil „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ nicht dafür gemacht wurde, im Kino angesehen, sondern daheim nebenbei konsumiert zu werden.
 
... von Tränen und Klagen und vom Kampf tapfrer Recken ...
 
Dazu passen auch die Leistungen der Darsteller*innen. Die Dänin Rosalinde Mynster als Brunhild und eine junge Dame namens Lilja van der Zwaag als Kriemhild sind beide sicher keine schlechten Schauspielerinnen. Aber keine von ihnen vermittelt wirklich die Kraft und Entschlossenheit ihrer Vorbilder. Dafür sind beide Damen sehr attraktiv, was sicher auch eine wichtige Bedingung bei der Besetzung für ein deutsches „Game of Thrones“ war. Oder um es etwas deutlicher auszudrücken: die Damen müssen beide blank ziehen.
 
Vielleicht weil viele von ihnen in Co-Produktion mit dem ORF entstehen, spielt in fast jeder deutschen Fernsehserie ein österreichischer Schauspieler mit, ohne dass je darauf eingegangen wird, warum diese eine Figur einen ganz anderen Akzent hat. Der Bürgermeister in „Forsthaus Falkenau“, der Kommissar in „SOKO 5113“, die Ermittlerin in „Unter Verdacht“, ... Nun, der Schauspieler Dominic Marcus Singer gibt keinen wirklich schlechten König Gunter ab. Aber er klingt in den meisten Szenen einfach mehr nach Donau als nach Rhein und man meint, der Wein in seinem Becher könnte durchaus auch ein Gumpoldskirchner sein.
 
Jannis Niewöhner hat uns in „Narziss und Goldmund“ beeindruckt und konnte sich zuletzt in „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ noch steigern. Aber das waren Filmrollen. Hier vergeudet er sein Talent in der Rolle eines eitlen Draufgängers in einer Fernsehserie. Wenn er bei seiner Ankunft wie weiland Terence Hill vom Pferd springt, wirkt das weniger helden- als geckenhaft.
 
Mehr noch als sein Kollege ist der Niederländer Gijs Naber buchstäblich im falschen Film. Er spielt den Hagen als loyalen Vasalen und ehrenhaften Mann und bedient sich dabei feiner darstellerischer Mittel, die im allgemeinen Mittelmaß der Fernsehserie untergehen könnten. In manchen Szenen wirkt er fast steinern, bis man erkennt was seine Mikromimik vermittelt. Es bleibt abzuwarten, ob das Fernsehpublikum diese Subtilität zu würdigen weiß.
 
Fazit
 
„Hagen – Im Tal der Nibelungen“ ist keine Filmversion eines mittelalterlichen Epos. Es ist der deutsche Versuch einer epischen Fernsehserie im Stil von „Game of Thrones“. Als Fernsehserie mag das Ganze funktionieren. Als Film funktioniert es kaum.
 
 
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