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Kritik: Das Leben der Wünsche

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Eine Neuinterpretation eines originellen, großen Vorbilds ist natürlich immer eine schwierige Aufgabe …
 
I catch the paper boy, but things don’t really change
 
Zitat des Verleihs: „Felix steckt sowohl in seinem Familienleben als auch beruflich in einer Sackgasse. (…) Da bietet ihm ein mysteriöser Fremder drei Wünsche an. Felix ergreift diese letzte Hoffnung, seine Familie und seinen Job – und damit einen Sinn im Leben zurückzubekommen, und formuliert einen vermeintlich cleveren Wunsch: alle seine Wünsche sollen wahr werden. Und plötzlich bekommt er, was er immer wollte (…). Doch auch seine verborgenen Wünsche kommen zum Vorschein. Felix gerät immer tiefer in den Strudel seiner dunkelsten Begierden und wird mit seinen unterbewussten Wünschen konfrontiert. Bis er schlussendlich realisiert, dass es für ihn nur den einen wahren Wunsch gibt.“
 
„Modern Love“ ist eine der besten Nummern aus David Bowies mittlerer Schaffensphase. Ach was, „Modern Love“ ist eine der besten Nummern von David Bowie. Punkt. Der Text ist tiefgründiger als die Musik vermuten lässt. Tatsächlich ist „Modern Love“ eine dieser Nummern, die uns hilft die Spreu vom Weizen zu trennen: wer ist fähig, über die gefällige Melodie hinaus auch auf den Text zu hören? Denn hinter dem herrlich altmodischen Rock’n’roll-Klavier, den Jazz-artigen Blechbläsern und dem dezenten aber gerade deshalb coolen Sound von Stevie Ray Vaughans Gitarre gibt es Ironie und Nihilismus zu entdecken, zu denen man auf der Tanzfläche voll abgehen kann.
 
Ja, „Life on Mars“ ist ein Meisterwerk und „Ashes to Ashes“ und noch viele weitere Songs des Meisters auch. Aber um auf z.B. „Space Odditiy“ abtanzen zu können, muss man sehr jung sein oder sehr stoned oder beides. „Modern Love“ ist eine von Bowies tanzbarsten Nummern überhaupt. Tatsächlich tanzbarer als „Let’s Dance“, das auf dem gleichen Album erschienen ist. Der Song bietet eben viel Ironisches. Eigenartig, dass „Modern Love“ bisher kaum jemals in Filmen zu hören war. Richtig eingesetzt wurde der Song eigentlich nur, als Greta Gerwig in „Frances Ha“ nach eigenem Drehbuch dazu durch New York City lief und tanzte. Daher ist es natürlich schön zu hören und zu sehen, wie die bezaubernde Verena Altenberger dazu nun in „Das Leben der Wünsche“ tanzt.
 
 
Es drängt sicher aber die Frage auf, was Regisseur und Co-Autor Erik Schmitt sich dabei gedacht hat, statt des großartigen Originals eines der hervorragendsten Musiker aller Zeiten, eine recht lahme Coverversion der französischen Sängerin Zaho de Sagazan in einer der wenigen wirklich interessanten Szenen seines Films einzusetzen? Wieso verzichtet Schmitt auf die unbändige Energie des Originals, die sein betulich dahinplätschernder Film (übrigens nicht nur) an dieser Stelle dringend gebraucht hätte? Hm, … ich hätte eine Antwort anzubieten.
 
2024 war Greta Gerwig Vorsitzende der Jury der Filmfestspiele von Cannes. Und bei irgendeiner der Veranstaltungen im Rahmen des Festivals durfte Zaho de Sagazan, immerhin einer der größten Stars Frankreichs, dieses Lied singen. Und wer Greta Gerwig bisher nicht zu schätzen wusste, soll sich bitte diesen Auftritt ansehen. Wie sie sich über diesen wirklich lahmen und tatsächlich etwas schrägen Auftritt aufrichtig freut, ist einfach bezaubernd (Beim zweiten Mal ansehen dann aber bitte auf die zum großen Teil wenig beeindruckten Gesichter im Publikum achten. Giancarlo Esposito schaut drein, als hätte ihm Bryan Cranston gerade erklärt, er würde nun statt Crystal nur noch Zuckerwatte herstellen).
 
Regisseur und Co-Autor Erik Schmitt hat also eine mittelmäßige Version von etwas Großartigem gesehen und sich entschieden, nicht das Original, sondern die vergleichsweise schwache Kopie als Inspiration für seinen eigenen Film zu verwenden. Und das gilt nicht nur für die Verwendung dieses einzelnen Songs in dieser einzelnen Szene, sondern für den ganzen Film. Und so ist „Das Leben der Wünsche“ nicht einfach „Teuflisch“ (wahlweise mit Dudley Moore oder Brendan Fraser), bloß ohne Gags. „Das Leben der Wünsche“ ist leider „Klick“ mit Adam Sandler, bloß ohne Gags.
 
Und wenn ich „ohne Gags“ schreibe, dann meine ich tatsächlich komplett frei von Gags. Es gibt in diesem Film keine Gags. Es gibt einzelne klägliche Versuche von Gags, die aber nicht funktionieren. Diese Versuche sind wohl auch deshalb so selten, weil dieser Film sich so furchtbar ernst nimmt. Es ist kaum zu glauben, wie furchtbar ernst sich dieser Film nimmt, in dem es immerhin um magische Wunscherfüllung geht. Und weil der Film sich selbst so furchtbar ernst nimmt, muss er auch immer lächerlich konkret bleiben.
 
Wie furchtbar ernst sich dieser stets konkrete Film nimmt und wie ernst die Macher dieses Films die konkrete Ernsthaftigkeit ihres Films nehmen, merkt man vor allem an den Dialogen. Beispiel gefällig? Der Held kann nicht mehr ignorieren, dass eine Frau längst einen anderen hat und meint darauf (übrigens komplett unironisch), „Ich kann auch jemanden kennenlernen!“. Antwort der Frau: „Fang am besten bei Dir selber an.“ Auweh, da meint es aber jemand ernst.
 
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Ernst gemeint ist auch die ganz konkrete Kapitalismuskritik, in der ein erfolgreicher Weltkonzern erst im Lauf des Filmes auf die Idee gebracht wird, dass sich mit Angst mehr verkaufen lässt als mit Freude. Und ganz konkret ernst gemeint, braucht der Held einige Minuten Laufzeit des Films um zu merken, wie zerstörerisch dieser Ansatz ist. Als er seinen Boss wieder davon abbringen will, lautet dessen Antwort „Willkommen im Kaputtalismus!“. Dafür wären nicht nur 5 Euro für die Wortspielkasse fällig, sondern auch noch eine Nominierung für den Darren-Aronofsky-Förderpreis für ganz konkrete und besonders ernstgemeinte Kapitalismuskritik im Film.
 
Die ganz konkret ernst gemeinten Dialoge, klingen auch immer extrem gestelzt und kaum jemals halbwegs realistisch. Eltern sprechen miteinander nur von „den Kindern“. Man möchte beinahe Mitleid haben, mit Erik Schmitt und seinem unbekannten Co-Autor Friedemann Karig, die offensichtlich nie erfahren haben, dass die meisten Mütter und Väter in Gesprächen durchaus die Namen ihrer Kinder verwenden.
 
Wenn ein Mann seiner Frau erklärt, er hätte einen Tisch „in Deinem Lieblingsrestaurant“ reserviert, fragt diese natürlich nicht nach bei welchem (Bei „Ricardo“? Oder dem Vietnamesen mit den leckeren Nudeln? Meinst Du das Steakhaus, in dem wir immer zu Sophies Geburtstag gehen?). Nein, in der Welt dieses Films hat man ganz konkret EIN Lieblingsrestaurant und ZWEI Kinder und jedem ist klar, was und wer gemeint ist. In dieser Welt lässt sich eine Musikerin auch zum Essen einladen, nachdem ein Mann ihr erklärt hat, wie ihr eigenes Instrument funktioniert. Das ist konkret, das ist ernsthaft, darauf stehen Frauen.
 
There’s no sign of life
 
Ganz ohne Ironie und durchaus konkret und ernst gemeint, ist es schade um den Aufwand, der für diesen Film betrieben wurde. Das Drehbuch lenkt oft von der Optik des Films ab. Regisseur Schmitt lässt die wenig originelle Handlung in einer auf interessante Art und Weise alptraumhaft gestalteten Stadt spielen. Die Räume des Films können kein Zuhause, keine Geborgenheit bieten. Leider liefert das Drehbuch keine interessanten Figuren, die sich in diesen Räumen verlieren könnten.
 
Matthias Schweighöfer ist Schauspieler in dritter Generation. Er hat sowohl auf der Bühne als auch im internationalen Film Erfolge gefeiert. Und auch wenn er in letzter Zeit vor allem damit beschäftigt war, Till Schweiger zu beerben, ist er ein durchaus fähiger Darsteller. Leider ist er nicht fähig, aus der der viel zu oberflächlich geschriebenen Rolle des unzufriedenen Mannes so etwas ähnliches wie einen echten Charakter zu schaffen. So entwickeln wir nie echtes Interesse am Schicksal seiner Figur und warten irgendwann nur noch den vorhersehbaren Schluss ab.
 
Wenn die Hauptrolle schon oberflächlich geschrieben ist, dann sind die Nebenfiguren klischeehafte Skizzen. Benno Fürmann („Intrigo: Tod eines Autors“) spielt einen zaghaften Anklang an jeden miesen Boss in jedem mittelmäßigen Film der Filmgeschichte. Um noch einmal den Vergleich vom Anfang zu bemühen: sowohl David Hasselhoffs Figur als auch Darstellung in „Klick“ waren interessanter als alles, was Fürmann hier zeigen darf und kann.
 
Wie Christopher Walken seine Rolle in „Click“ könnte auch Schauspiel-Legende Henry Hübchen („Die Känguru-Chroniken“) seine Rolle hier notfalls im Schlaf spielen. Leider wirkt es so, als hätte er das tatsächlich versucht.
 
Während die männlichen Nebenrollen wenigstens klischeehafte Skizzen sind, haben die weiblichen Darstellerinnen mit ihren Rollen weniger Glück. In diesem Film gibt es die folgenden Stereotypen darzustellen: die miese Schlampe, die nervige Alte und die Traumfrau, die den Mann retten muss.
 
Talking about male gaze, … Ruby O. Fee wertet jeden ihrer Filme auf. Aber während sie in „Lindenberg! Mach dein Ding“ noch eine echte Powerfrau darstellen durfte, sehen wir sie im Lauf der letzten Jahre oft in eher unergiebigen, auf ihre äußeren Reize ausgelegten Rollen. Vielleicht sollte sie mal wieder einen Film ohne ihren Lebenspartner Matthias Schweighöfer drehen.
 
Wäre es in Ordnung, wenn ich auf eine Rezension von Luise Heyers Darstellung der nervigen Alten verzichte? Zum einen ist mein Urteil zu ihrer Leistung im wirklich furchtbaren „JGA: Jasmin. Gina. Anna.“ schon sehr hart ausgefallen. Zum anderen ziehen einen sowohl Heyers Rolle als auch ihre Darstellung in „Das Leben der Wünsche“ einfach nur runter.
 
Fröhlicher könnte einen die Leistung von Verena Altenberger stimmen. Weil ich Serien wie „Copstories“, „Polizeiruf irgendwas“ und „Tatort“ meide, kannte ich sie bisher nur als grandiose Buhlschaft in Salzburg. Und ein kleines bisschen von der überbordenden Sinnlichkeit der Buhlschaft, von ihrer Lebendigkeit kann Altenberger auch in ihrer Rolle in diesem Film einbringen, für die „underwritten“ noch ein Hilfsausdruck ist. Ein klügerer Filmemacher als Erik Schmitt hätte sich nicht nur an besseren Vorbildern orientiert. Er hätte auch Altenbergers Rolle weiter ausgebaut und so den Film vielleicht ein bisschen aufregender, spannender, lebendiger und realistischer gestaltet und ganz allgemein aufgewertet.
 
Fazit
 
An der Neuinterpretation eines originellen, großen Vorbilds zu scheitern, wäre keine Schande. Aber „Das Leben der Wünsche“ vermag mit seinem bierernsten Ansatz und seiner langweiligen Umsetzung kaum die banale Mittelmäßigkeit eines Adam-Sandler-Films zu erreichen.
 
 
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