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***Filmtipp***

 dmdw tipp
 
Autor: Sascha Fersch
 
IM KINO: Der Moment der Wahrheit!!
 
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Rating 4.75 (12 Votes)
 
"Der Moment der Wahrheit" ist ein gefühlvoller Film mit emotional aufgeladenen Bildern und angenehmen Darstellern. Klassisch inszeniertes Hollywoodkino über eine wahre Begebenheit, mit tragischen Figuren ohne echte Probleme. Das alles ist keine Offenbarung, aber solides Handwerk.
 
Wahre Begebenheiten wie Sand am Meer
 
Die Faszination für wahre Geschichten in Hollywood ist ungebrochen. Neben den fantastischen Superhelden scheint keine noch so kleine Randnotiz der Geschichte unbrauchbar für eine solide Hollywood-Dramaturgie. Neben Spotlight, The Big Short, Foxcatcher und so vielen Filmen mehr ist diese Geschichte nun der nächste Versuch, die jüngere Vergangenheit dramatisch aufzuarbeiten. Bald können wir die Geschichtsbücher für immer zuklappen und bekommen jedes Thema auf dem Silbertablett in visuell ansprechenden Häppchen serviert.
 
In diesem Fall geht es um den jungen George W. Bush, der später einmal als kriegswütiger Präsident in die Geschichte eingehen wird, aber selbst alles versucht um sich vor dem Militärdienst zu drücken. Als die erfolgreiche Nachrichten-Produzentin Mapes (Cate Blanchett) dieser Pflichtverletzung auf den Grund geht, ist sie etwas zu voreilig und veröffentlicht unvorsichtigerweise Dokumente, deren Authentizität nicht abschließend bewiesen wurde. Damit löst sie einen Medienskandal aus, der auch ihre Mitarbeiter in Verruf bringt. Allen voran der bislang hoch angesehene und altgediente Moderator (Robert Redford), dessen Glaubwürdigkeit zusammen mit der des ganzen Senders auf dem Spiel steht.
 
Die Konsequenzen werden immer drastischer, ein medialer Spießrutenlauf beginnt. Was im Journalismus tagtäglich passiert und zum Berufsrisiko gehört, wird hier in sehr emotionalen Bildern erzählt. Dabei liegt der Fokus weniger auf der politischen Dimension der Ereignisse, und auch die meist unspektakuläre aber wichtige Pressearbeit steht nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es eigentlich um die Menschen hinter deren öffentlicher Funktion. Der Film zeichnet dabei durchaus ambivalente Charaktere, deren Motive und Ansichten auf kein reines Schwarz-Weiß Denken zusammengekürzt werden.
 
 
 
 
Das Dilemma mit der Suche nach Wahrheit
 
Die Frage nach der Wahrhaftigkeit stellt der Film auch inhaltlich und ist damit unfreiwillig sehr selbstreferentiell. Grob gesagt geht es nämlich darum, ob zum Zwecke der medialen Vermarktung eine an sich wahre Geschichte dramatisiert werden darf und zwar auch mit ethisch manchmal zweifelhaften Mitteln. Die Sehnsucht nach Authentizität kollidiert regelmäßig mit dem Bedürfnis nach Unterhaltung und Schauwerten, nicht nur in diesem Fall.
 
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es wohl keine objektive Wahrheit geben kann und alle Nachrichten trotz ihrer seriösen Anmutung letztlich Meinungsberichte sind, mal mehr und mal weniger fundiert. Obwohl jeder sofort glauben mag, dass George W. Bush einiges in seinem Leben falsch gemacht hat, geht es hier um die grundsätzlichen Mechanismen im Journalismus, die gerade in Amerika Überhand nehmen und deren Sensationsgeilheit nicht einmal vor den eigenen Kollegen Halt macht. En passant wird auch noch die Beziehung zwischen Vater und Tochter seziert, wobei die zwei Protagonisten jeweils im anderen den perfekten Ersatz zu dysfunktionalen oder nicht vorhandenen Familienstrukturen gefunden haben.
 
Die Chemie zwischen den beiden Darstellern ist wirklich gut und dementsprechend schaut man ihnen auch in einem eher spannungsarmen Film gerne zu.Beste Mühe gibt sich auch die Filmmusik (Brian Tyler), sehr klassisch und effektvoll eingesetzt versucht sie den wenigen emotionalen Momenten eine zusätzliche Tiefe und Dramatik zu verleihen. Die Nahaufnahmen (Kamera: Mandy Walker) von verzweifelten Reportergesichtern werden also dick mit anschwellenden Streichern unterlegt. All diese Kniffe sorgen zwar für ein sehr gefälliges Kinoerlebnis, die Erzählweise lässt aber auch kaum echte Reibungen zu. Eine relativ harmlose Verfilmung einer relativ unbedeutenden Geschichte mit relativ wenig Auswirkungen.
 
 
 
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Zu nah dran ist manchmal doch zu weit weg
 
Während zum Beispiel The Big Short versucht das große Bild zu zeichnen und sich dabei manchmal zugegebenermaßen übernimmt, ist Die Stunde der Wahrheit durch seine Reduktion auf zwischenmenschliche Beobachtungen einfach nicht ambitioniert genug um wirklich ein spannendes Momentum zu entwickeln. Zu keiner Sekunde hat man das Gefühl hier geht es um etwas Existentielles, weder droht jemand zu sterben, noch hat man wirklich Angst um die finanzielle Grundlage der Figuren.
 
Die meisten Szenen sind zwar stimmungsvoll, die Dialoge gut geschrieben (Buch und Regie: James Vanderbilt), doch es bleibt der Verdacht der subjektiven Voreingenommenheit. Das ist nicht weiter verwunderlich wenn man bedenkt, dass das prosaische Buchvorlage von Mary Mapes selbst geschrieben wurde und verständlicherweise vor allem deren Darstellung der Ereignisse wiedergibt. Dem Film hätte es allerdings gut getan, die Hauptfigur an manchen Stellen auch von einer anderen Seite zu beleuchten und dadurch etwas ambivalenter erscheinen zu lassen.
 
 
 
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Fazit

Ein Film ohne Biss, aber mit schönen Bildern einer emotionalen Geschichte und ambivalenten Charakteren. Wer gerne Cate Blanchett und Robert Redford beim Reden zusieht und nebenbei noch etwas von dem journalistischen Kaffeeklatsch mitbekommen will, ist hier goldrichtig. Der Film macht nichts falsch, erzählt aber auch nichts Neues und liefert keinen spannenden, unbekannten Blickwinkel.
 
Wer sich also für die wirkliche politische Tragweite solcher Enthüllungen interessiert, der sei an die investigativen Nachrichtensendungen verwiesen. Oder doch mal wieder in einem Geschichtsbuch blättern.