Diese Emotionen sind Gift für sie und das Kind
Leider funktioniert das Konzept des Films im Verlauf seiner etwas mehr als anderthalb Stunden irgendwann immer weniger. Ein tatsächlich existierendes Syndrom, unter dem viele Kinder weltweit leiden, als Grundlage eines fiktionalen Films zu verwenden, erfordert viel Verantwortungsbewusstsein. Wenn dieser Film dann zur dystopischen Science-Fiction inklusive Verschwörung durch einen manipulativen Staatsapparat gerät, wird er seinem Thema nicht mehr gerecht.
Je länger der Film läuft, umso mehr Szenen sehen wir, die uns feststellen lassen: so funktioniert das aber nicht. Nicht nur inhaltliche Ungereimtheiten stören bald den Gesamteindruck. Ist dieser Film noch Dystopie oder sollte das eher schon Satire sein? Als Drama mag er nicht mehr funktionieren. Alexandros Avranas hat sein Drehbuch mit einem Co-Autor, Stavros Pamballis, verfasst. Sicher hätte diesem Drehbuch eine weitere Überarbeitung gut getan.
Irgendwann rächt sich auch die stets kühle, distanzierte Inszenierung, weil wir mit den Protagonisten nicht warm werden und kaum Nähe zu ihnen empfinden. Sein neuer Film erreicht nie die deprimierende Kälte und unfreiwillige Komik von Avranas‘ „Dark Crimes“. Aber wer diesen Film und nun „Quiet Life“ gesehen hat, muss sich irgendwann fragen, ob Alexandros Avranas‘ Blick auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest nicht ein bisschen ungesund ist.
In diesem Film gelingt es den Schauspielern nicht wirklich, Personen darzustellen. Chulpan Khamatova („Good Bye Lenin!“) wird als Mutter noch am ehesten für uns greifbar. Aber Grigory Dobrygin bleibt als Vater eher ein Konzept als eine Person. Die beiden Jungdarstellerinnen Naomi Lamp und Mirsolava Pashutina hätten zwei oder drei zusätzliche, gut geschriebene Szenen gebraucht, um das Publikum mit ihnen vertraut werden zu lassen.
Kompetente schwedische Darsteller*innen wie Alicia Eriksson („Triangle of Sadness”), Lisa Loven Kongsli (“Wonder Woman”) oder Lena Endre („Kingsman: The Golden Circle“) vermitteln die gruselige Sicherheit eines funktionierenden Systems. Tatsächlich berühren kann uns nur die Darstellung von Avranas‘ Stammschauspielerin Eleni Roussinou.