Die Qualität von Regie und Drehbuch pendeln während des restlichen Films zwischen sehr gut und ungeschickt hin und her. Ein Dialog, darüber was für einen schlechten Begleiter das von der Diva eingenommene Rauschmittel abgibt, ist ebenso witzig wie genial. Wenn sich die Diva dann aber einen Reporter einbildet, der sie interviewen soll und dieser den Namen des Medikaments trägt, ist das furchtbar plump. Wenn wir sehen, wie die Diva erfolglos Pillen in Taschen sucht, in denen sie diese zuvor versteckt hat, stellt das einen traurigen Einblick in die letzten Jahre dieser faszinierenden Frau dar. Wenn das Ganze dann nochmal im Dialog erklärt wird, nimmt diese Redundanz der vorangegangenen Szene viel von ihrer Wirkung.
Die Szenen, in denen die alternde Diva versucht, ihre Stimme wiederzufinden, berühren tief. Die schlechten Tonbandaufnahmen und ein skrupelloser Reporter ziehen das Drama um eine der größten Sängerinnen der Operngeschichte leider auf das Niveau einer Soap-Opera hinunter. Szenen in denen „La Callas“ durch Paris spaziert und Chöre für sie singen, sind herrlich anzusehen. Aber immer wieder stört allzu viel erklärender Dialog die Wirkung des Films. Maria Callas war vieles: eine Sängerin, eine große Künstlerin, eine liebende Frau, eine gequälte Seele, … in diesem Film verkommt sie streckenweise beinahe zur bloßen Erzählerin von Anekdoten.
Vissi D'Arte
Wenn wir in diesem Film dann doch eine Sängerin, eine große Künstlerin, eine liebende Frau, eine gequälte Seele und sogar etwas von der „Primadonna Assoluta“ zu sehen bekommen, dann liegt das vor allem an Angelina Jolie. Sie macht alles richtig, wenn sie uns keine Imitation eines bekannten Vorbilds sondern eine Interpretation des Wesens eines echten Menschen anbietet. Man mag mit dieser Interpretation nicht immer einverstanden sein. Selbst das Leben und Wirken des Vorbilds mag und darf jeder selbst unterschiedlich wahrnehmen. Aber Angelina Jolie liefert hier eine gestalterische und darstellerische Leistung, wie wir sie nur selten im Kino zu sehen bekommen.
Angelina Jolie ist „La Callas“ und kann daher recht banale Sätze wie „I’m seeking something that I lost“ mit echter Gravitas aussprechen. Sie macht aus mittelmäßigen Dialogzeilen wie „I’m afraid audiences expect miracles“ bedeutungsvolle Aussagen. In seltenen, intimen Szenen wird Jolie dann von „La Callas“ sogar zu „Maria“. Eine kurze Szene mit der großartigen Valeria Golino als Schwester bricht uns beinahe das Herz. Wir sehen keine Diva, sondern fühlen mit dem verletzten Kind.
Wie im Leben von „La Callas“ gibt es auch in „Maria“ nur eine Hauptdarstellerin. Die Nebendarsteller*innen können froh sein, wenn sie nicht bloße Komparserie bleiben. Haluk Bilginer spielt Aristoteles Onassis so, dass wir uns auch die nächsten 60 Jahre fragen können, was Maria an ihm gefunden haben mag. Kodi Smit-McPhee („Alpha“) schlägt sich tapfer in einer Rolle, die man besser gestrichen hätte. Pierfrancesco Favino („Der Graf von Monte Christo“) und Alba Rohrwacher (“Die Einsamkeit der Primzahlen“) als treues Personal lassen das Publikum erfahren, wie die letzten Jahre dieser ganz besonderen Frau tatsächlich abgelaufen sein mögen.