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Kritik: Maria

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Pablo Larraín hat seinen dritten Film über eine ganz besondere Frau des zwanzigsten Jahrhunderts gedreht. Und wiederholt dabei wieder ähnliche Fehler, wie ebendiese „Peculiar Ladies“, die seine Vorbilder waren …
 
Ave Maria
 
16. September 1977: Maria Callas, ist tot. Der Leichnam der größten Operndiva ihrer Zeit - und vielleicht aller Zeiten – wurde tot in ihrer Pariser Wohnung aufgefunden, die sie während ihrer letzten Lebensjahre nur mit ihrem treuen Butler und einer ergebenen Haushälterin geteilt hat. So beginnt der neue Film von Regisseur Pablo Larraín, bevor er uns die letzte Woche im Leben der Sopranistin und eine Vielzahl an Rückblenden zu bedeutenden Momenten ihres Lebens zeigt.
 
Pablo Larraín hat mit „Jackie: Die First Lady“ und „Spencer“ bereits zwei Filme gedreht, in deren Mittelpunkt faszinierende attraktive Frauen standen, die es sicher nicht immer leicht hatten, die es aber auch sich selbst leider nicht immer leicht gemacht haben. Ich wollte ursprünglich von der „Durchgeknallte Weiber-Trilogie“ schreiben, aber meine Frau hat darauf nicht sehr positiv reagiert. Meine Bemerkung, Pablo Larraín könne diese Serie problemlos bis an sein Lebensende fortsetzen und es würde ihm niemals der Stoff ausgehen, fand sie auch nicht witzig. Nennen wir das Ganze also „Peculiar Ladies-Trilogy“ und weiter im Text …
 
Ebenso wie die Heldinnen der „Peculiar Ladies-Trilogy“ scheint es sich Pablo Larraín gerne selbst schwer zu machen und sich mit Männern (in Larraíns Fall: Drehbuchautoren) einzulassen, die nicht die Richtigen für ihn sind. Bereits das Drehbuch zu „Jackie: Die First Lady“ verzettelte sich im Laufe der Handlung. In „Spencer“ brachte Autor Steven Knight, der auch das Drehbuch zu „Maria“ verfasst hat, am Ende neurotische und psychotische Wahrnehmung durcheinander und brachte den Film so beinahe zum Kippen.
 
 
Nun, in „Maria“ macht es sich Larraín gleich zu Beginn wieder selbst schwer, wenn er auf die kurze, stille Eröffnungsszene eine Montage mit den Höhepunkten des Lebens von Maria Callas folgen lässt. Im Verlauf dieser minutenlangen Sequenz sehen wir die großartige Angelina Jolie als „La Callas“ auf dem roten Teppich, in ihren größten Rollen auf der Opernbühne und so weiter. Larraín lässt diese Montage von Callas‘ Interpretation von „Ava Maria“ aus Verdi’s „Otello“ untermalen und zeigt uns immer wieder seine Hauptdarstellerin, wie sie diese Arie in Nahaufnahme frontal in die Kamera singt. In gestochen scharfen, fast schon forensisch exakten Schwarzweißbildern zeigt er uns Angelina Jolie, wie sie die Lippen zum Klang der Stimme von „La Callas“ bewegt UND NATÜRLICH FUNKTIONIERT DAS NICHT!
 
Wenn man es dem Publikum so früh im Film und so überdeutlich zeigt, dann kann selbst der geneigteste Betrachter einfach nicht ignorieren, dass Angelina Jolie hier selbstverständlich nicht selbst singt! Nicht selbst singen kann! Aber warum macht Larraín sich selbst, seiner Hauptdarstellerin und am Ende auch dem Publikum mit dieser selbstzerstörerischen Entscheidung das Leben schwer? Wozu sollte das gut sein?
 
Während des ganzen Films hilft der Regisseur seiner Hauptdarstellerin bei den Gesangsszenen mit allem ihm zur Verfügung stehenden filmischen Mitteln. Mal sehen wir Jolie von hinten, öfter in einer Totalen oder mit beweglicher Kamera aufgenommen, sodass wir, die wir Jolie zu diesem Zeitpunkt bereits als Maria Callas akzeptiert haben, uns gerne der Illusion hingeben. Die beinahe klinischen Nahaufnahmen zu Beginn des Films machen uns das unmöglich. Diese selbstzerstörerische künstlerische Fehlentscheidung ruiniert den Film beinahe bereits in seiner zweiten Szene.
 
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Die Qualität von Regie und Drehbuch pendeln während des restlichen Films zwischen sehr gut und ungeschickt hin und her. Ein Dialog, darüber was für einen schlechten Begleiter das von der Diva eingenommene Rauschmittel abgibt, ist ebenso witzig wie genial. Wenn sich die Diva dann aber einen Reporter einbildet, der sie interviewen soll und dieser den Namen des Medikaments trägt, ist das furchtbar plump. Wenn wir sehen, wie die Diva erfolglos Pillen in Taschen sucht, in denen sie diese zuvor versteckt hat, stellt das einen traurigen Einblick in die letzten Jahre dieser faszinierenden Frau dar. Wenn das Ganze dann nochmal im Dialog erklärt wird, nimmt diese Redundanz der vorangegangenen Szene viel von ihrer Wirkung.
 
Die Szenen, in denen die alternde Diva versucht, ihre Stimme wiederzufinden, berühren tief. Die schlechten Tonbandaufnahmen und ein skrupelloser Reporter ziehen das Drama um eine der größten Sängerinnen der Operngeschichte leider auf das Niveau einer Soap-Opera hinunter. Szenen in denen „La Callas“ durch Paris spaziert und Chöre für sie singen, sind herrlich anzusehen. Aber immer wieder stört allzu viel erklärender Dialog die Wirkung des Films. Maria Callas war vieles: eine Sängerin, eine große Künstlerin, eine liebende Frau, eine gequälte Seele, … in diesem Film verkommt sie streckenweise beinahe zur bloßen Erzählerin von Anekdoten.
 
Vissi D'Arte
 
Wenn wir in diesem Film dann doch eine Sängerin, eine große Künstlerin, eine liebende Frau, eine gequälte Seele und sogar etwas von der „Primadonna Assoluta“ zu sehen bekommen, dann liegt das vor allem an Angelina Jolie. Sie macht alles richtig, wenn sie uns keine Imitation eines bekannten Vorbilds sondern eine Interpretation des Wesens eines echten Menschen anbietet. Man mag mit dieser Interpretation nicht immer einverstanden sein. Selbst das Leben und Wirken des Vorbilds mag und darf jeder selbst unterschiedlich wahrnehmen. Aber Angelina Jolie liefert hier eine gestalterische und darstellerische Leistung, wie wir sie nur selten im Kino zu sehen bekommen.
 
Angelina Jolie ist „La Callas“ und kann daher recht banale Sätze wie „I’m seeking something that I lost“ mit echter Gravitas aussprechen. Sie macht aus mittelmäßigen Dialogzeilen wie „I’m afraid audiences expect miracles“ bedeutungsvolle Aussagen. In seltenen, intimen Szenen wird Jolie dann von „La Callas“ sogar zu „Maria“. Eine kurze Szene mit der großartigen Valeria Golino als Schwester bricht uns beinahe das Herz. Wir sehen keine Diva, sondern fühlen mit dem verletzten Kind.
 
Wie im Leben von „La Callas“ gibt es auch in „Maria“ nur eine Hauptdarstellerin. Die Nebendarsteller*innen können froh sein, wenn sie nicht bloße Komparserie bleiben. Haluk Bilginer spielt Aristoteles Onassis so, dass wir uns auch die nächsten 60 Jahre fragen können, was Maria an ihm gefunden haben mag. Kodi Smit-McPhee („Alpha“) schlägt sich tapfer in einer Rolle, die man besser gestrichen hätte. Pierfrancesco Favino („Der Graf von Monte Christo“) und Alba Rohrwacher (“Die Einsamkeit der Primzahlen“) als treues Personal lassen das Publikum erfahren, wie die letzten Jahre dieser ganz besonderen Frau tatsächlich abgelaufen sein mögen.
 
Fazit
 
Regie und Drehbuch wollen Großes erreichen und machen doch immer wieder sich selbst und damit dem Publikum das Leben schwer. Angelina Jolie will Großes und erreicht Großartiges. Sie wird in diesem Film zur „Attrice Assoluta“.
 
 
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