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Kritik: Eden

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Warum wurde die Ereignisse, die sich auf der Galapagos-Insel Floreana im Jahr 1934 zugetragen haben, nicht längst verfilmt? Auf der Grundlage dieser bizarren und doch so menschlichen Geschichte könnte man die unterschiedlichsten interessanten Filme drehen …
 
Humanity at its worst – Humanity at its best
 
1929: Dr. Friedrich Ritter und seine an Multipler Sklerose erkrankte Lebensgefährtin Dore Strauch lehnen die bürgerlichen Werte ihrer Gesellschaft ab und lassen sich auf der bis dahin unbewohnten Insel Floreana im Galapagos-Archipel nieder. 1932 folgt ihnen die Familie Wittmer. Vater Heinz hatte in deutschen Zeitungen Berichte über die Aussteiger gelesen und erhofft sich ein neues, besseres Leben für seine Frau Margret und seinen Asthma-kranken Sohn Heinz. Das Leben und auch das Zusammenleben auf Floreana ist nicht einfach. Die Situation eskaliert, als sich eine Hochstaplerin, die sich „Baronin Eloise Bosquet de Wagner Wehrborn“ nennt, mit ihrem Gefolge auf der Insel niederlässt …
 
Eine Verfilmung der sogenannten „Galapagos-Affäre“ könnte ein Lehrstück über soziales Verhalten sein. Man könnte in so einem Film auf die Parallelen der aktuellen politischen Situation mit den Gegebenheiten der frühen Dreißigerjahre eingehen und damit einen für unsere Zeit überaus relevanten Film machen. Man könnte auf der Grundlage dieser Vorlage einen spannenden Thriller drehen, vielleicht sogar einen erotischen Thriller, wenn es denn sein muss. Ron Howard hat daraus einen teilweise recht schön anzusehenden, über weite Strecken langweiligen, absolut vorhersehbaren Film gedreht, der leider ein paar Jahrzehnte zu spät herauskommt.
 
 
Ron Howard ist mittlerweile über siebzig Jahre alt und seit mehr als 65 Jahren im Filmgeschäft. Er hatte seinen ersten Auftritt als Kinderdarsteller 1959. 1973 spielte er eine der Hauptrollen in George Lucas‘ zweitem Spielfilm „American Graffiti“ und anschließend in der Fernsehserie „Happy Days“. Seinen ersten Film als Regisseur inszenierte er 1977. Damals hieß der amerikanische Präsident gerade Jimmy Carter, in Deutschland wurden noch VW Käfer gebaut und die deutsche Nationalmannschaft wusste noch gar nicht, dass es in Argentinien auch ein Córdoba gibt.
 
Im Lauf der folgenden Jahrzehnte hat Howard einige erfolgreiche Filme gedreht. „Willow“ war ein etwas langweiliges Fantasy-Spektakel, „Backdraft“ ein dünnes aber effektiv inszeniertes Feuerwehrmänner-Spektakel. Schon das Drama „In einem fernen Land“ wirkte 1992 recht altmodisch. „Apollo 13“ war technisch brillant, aber in jeder anderen Hinsicht recht betulich umgesetzt. In „A Beautiful Mind“ retteten die Darsteller das wieder recht dünne Drehbuch. Die insgesamt drei (!) von Ron Howard inszenierten Dan-Brown-Verfilmungen konnten nicht einmal die Darsteller retten. „Solo: A Star Wars Story“ konnte sein enormes Potential nicht umsetzen. Und je weniger man über „Hillbilly-Elegie“, nach einem Buch vom amtierenden Vize-Rüpel der USA, JD Vance, spricht und schreibt, umso besser.
 
Man kann es nicht anders sagen: Ron Howard ist ein alter Mann, der mittlerweile altmodische Filme macht. Hätte er „Eden“ vor einigen Jahrzehnten gedreht, wäre der Film auch nicht besser gewesen. Das hätte Howards eigenes, uninspiriertes Drehbuch mit seinen klischeehaften Figuren leider verhindert. Aber der Film hätte vor dreißig oder vierzig Jahren eine gewisse Wirkung entfalten und einen Eindruck beim Publikum hinterlassen können. Im Jahr 2025 hat das Publikum einfach längst zu viel Interessanteres und Besseres gesehen.
 
Vor allem haben wir Interessanteres und Besseres gesehen als Howards langweilige, kommerzielle Regie. Wenn er immer mal wieder Archiv-Aufnahmen der auf Galapagos lebenden Meerechsen in den Film schneiden lässt, die Viecher aber in keiner einzigen Szene mit den Darstellern zu sehen sind, verstärkt das doch bloß die Gewissheit, dass dieser Film nicht auf den Galapagos-Inseln entstanden ist (gedreht wurde in Queensland, Australien). Wenn die wenigen Sex-Szenen einerseits wie nachträgliche Einfälle wirken, sich aber andererseits ganz klar innerhalb der Vorgaben der amerikanischen Freigabe „PG-13“ bewegen, erkennt man, Howard ist mindestens ebenso sehr Produzent wie er Regisseur ist.
 
Aber vor allem sind wir mittlerweile Interessanteres und Besseres gewohnt, als die vielen Dialogszenen in denen uns alles immer und immer wieder erzählt wird, statt dass es uns einfach gezeigt würde. „Eden“ erzählt eine Geschichte von selbstgewählter Isolation, von Natur und von Einsamkeit. Das sind doch Themen, die man als halbwegs begabter Filmemacher vor allem in Bildern und nicht bloß durch endlosen Dialog vermittelt. Aber über das harte Leben auf der Insel wird immer nur gesprochen. Gezeigt wird es uns kaum jemals. Die einzige Ausnahme bildet eine Geburtsszene, die aber auch recht flott vorüber ist. Da plagen sich manche Mütter in Kreissälen des 21. Jahrhunderts schlimmer.
 
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Do not run from pain! Embrace it!
 
Nicht nur wird das harte Leben auf der Insel kaum jemals wirklich gezeigt. Man sieht auch von der Insel selbst immer wieder nur die gleichen drei Drehorte: den Strand, die Ecke in der das eine Haus steht und die andere Ecke, in der das andere Haus steht. Hat Ron Howard etwa mit festmontierten Kameras gedreht? Da bekommt man ja bei „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ mehr Dschungel zu sehen.
 
Und ungefähr so klischeehaft wie das Personal im Dschungelcamp kommen uns auch die Figuren in „Eden“ vor. Howard hat das Drehbuch zusammen mit einem jungen Autor namens Noah Pink verfasst, der bisher Drehbücher für zwei Filme und eine TV-Serie verfasst hat, von denen ich noch nie gehört hatte. Howard und Pink schaffen es nie, die für sich doch schon überaus interessante Geschichte irgendwie spannend zu gestalten.
 
Die Figuren bleiben reine Chargen. Eine Figur leider an Multipler Sklerose. Daher geht sie in der Hälfte ihrer Szenen am Stock. Nicht in allen, bloß der Hälfte. Eine andere Figur hat Asthma und das merkt man daran, dass uns davon erzählt wird, sonst nicht. Eine der Männer leidet seit dem ersten Weltkrieg an einer Kriegsneurose (heute würde man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung sprechen). Wie bekommen wir dieses furchtbare Leiden im Film vermittelt? Der Mann wacht einmal Nachts aus einem Alptraum auf und wird von seiner Frau darauf angesprochen. Das war’s.
 
Eine andere Figur tippt immer wieder Plattitüden wie, „What is the meaning of life? Pain!“ in die Schreibmaschine und liest sie dabei dem Publikum natürlich auch vor. Hier sind die letzten Worte eines Sterbenden auch schon mal, „I curse you with my dying breath!“. Alles, aber auch alles wird aus- und angesprochen. Und sämtliche Figuren in „Eden“ sprechen fließend Klischee.
 
Filmfans, die „Eden“ in der englischen Originalversion sehen, erwartet ein besonderes Vergnügen, wenn sie versuchen zu ergründen, warum die allesamt deutschsprachigen Charaktere mit recht unterschiedlich ausgeprägtem deutschem Akzent sprechen. Da gibt es auf der einen Seite die von der Britin Vanessa Kirby dargestellte Dora, die so spricht, wie Vanessa Kirby eben in jedem Film spricht. Auf der anderen Seite dieses breiten Spektrums hören wir Daniel Brühl, der klingt wie er als Nazi-Held in „Inglorious Basterds“ geklungen hat.
 
Irgendwo in der Mitte haben wir Jude Law, bei dem man nicht sicher sein kann, ob seine Art zu sprechen ein deutscher Akzent sein oder vermitteln soll, dass seiner Figur die Zähne fehlen. Howard verschwendet nicht nur das Potential seiner Vorlage und seiner Figuren sondern auch das seiner Besetzung. Jude Law („Captain Marvel“, „Dumbledores Geheimnisse“) hätte in seiner Rolle mindestens 50% mehr geben müssen. Ron Howard hat es nicht geschafft, diesen Darsteller zu mehr Intensität zu motivieren. Daniel Brühl bleibt komplett farblos und hinterlässt hier kaum mehr Eindruck als in „The King´s Man: The Beginning“.
 
Vanessa Kirby macht, was sie in fast jedem ihrer Filme tut: sie blickt andere Darsteller eindringlich unter beeindruckenden Wimpern hervor an und zeigt, wie anbetungswürdig ihr langer Hals wirkt. Das hat in zwei Teilen der „Mission Impossible“-Reihe so halbwegs funktioniert, in „The Son“ kaum und in „Napoleon“ gar nicht. Hier fragt man sich, was sie in diesem Film verloren hat.
 
Ana de Armas („Knives Out”) ist sicher auch keine große Mimin. Aber wenigstens erkennt sie, im Gegensatz zu ihrer Kollegin, dass sie in ihrer Chargenrolle als Hochstaplerin Gas zu geben hat. Also setzt sie den Fuß aufs Pedal und nimmt ihn während des gesamten Films nicht wieder runter. Subtil ist das alles nicht, aber wenigstens bekommt das Publikum bei ihr etwas zu sehen. Am ehesten gelingt es noch Sydney Sweeney („Wo die Lüge hinfällt“, Madame Web“) so etwas ähnliches wie einen echten Menschen darzustellen. Aber vielleicht wirkt das bloß im Vergleich zum Rest der Besetzung so.
 
Fazit
 
Auf der Grundlage dieser bizarren und doch so menschlichen Geschichte hätte man die unterschiedlichsten interessanten Filme drehen können. Ron Howard hat einen altmodischen und vor allem langweiligen Film gedreht, der das Potential der Vorlage weitgehend verschwendet.
 
 
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