***Mad Max: Fury Road***

mmfr kritik
 
Autor: Manuel Boecker
 
Anfang der 80er Jahre raste der bis dahin noch unbekannte Mel Gibson als Max Rockatansky in einem aufgemotzten Ford durch die australische Wüste, in der B-Movie-Trilogie roch es nach Benzin, Schrottplatz und marodierenden Rockerbanden. 30 Jahre später legt Regisseur George Miller sein eigenes Kultwerk neu auf und verleiht dem nun erscheinenden vierten Teil „Mad Max – Fury Road“ filmtechnische Perfektion, aber leider keine Handlung.
 
Ganz im Sinne von Darwins Evolutionstheorie „Survival of the fittest“ überlebt auch im Filmbusiness nur der an den Markt Angepassteste, in „Mad Max – Fury Road“ kann man diesen Entwicklungsschritt als Tribut an moderne, computertechnisch unterstützte Actionspektakel, perfekt beobachten. Die billige Kiesgruben-Optik der ersten Filme, die ungestüme Hauptfigur und die einzelnen Scharmützel in einer charmanten Schrottplatzästhetik verwandeln sich drei Jahrzehnte später in eine endlose apokalyptische Mega-Materialschlacht in Hochglanzbildern.
 
„Mad Max- Fury Road“ stellt alle bisherigen Endzeitdramen in den Schatten: Die nur noch zu Fratzen verkommenen Nebenfiguren werfen sich mit Todessehnsucht in den Untergang, die Wracks zerstörter Fahrzeuge bleiben nicht einfach am Wegesrand liegen, sondern werden in Sandstürmen biblischen Ausmaßes in den Himmel gesaugt und explodieren wie eine Sylvesterrakete. George Miller gönnt seinen Hauptfiguren genauso wie den Zuschauern keine Erholungspausen, fast über die gesamte Filmlänge zieht sich eine einzige Verfolgungsjagd hin, wer bei dem Höllenritt von den getunten Auto-Monstren stürzt verendet im heißen Wüstensand. Menschen verkommen zu reinem Material, in „Mad Max- Fury Road“ feiert George Miller eine zukünftige Welt ohne jede Moral als höllische Rock-Oper.
 
 
Und der Altmeister beherrscht sein Handwerk so grandios, dass auch im vierten Teil noch Benzin in der Luft liegt, wenn die Kamera eng an der Seite der Darsteller in den Krieg zieht. Hier kaschieren keine schnellen Schnitte choreographische Ungereimtheiten, der Zuschauer behält im Tumult immer den Überblick, welcher Fiesling gerade von Max zu erledigen ist und von wo neues Unheil heran rückt. Die Ausstattung ist so akribisch aufs Detail versessen, dass Autofreaks in einem Ratespiel genau herausfinden können, welche Karossen genau zu den absurden Kampf-Trucks verschweißt wurden. Doch ein möglicher Ausstattungs- oder Kamera-Oscar ist die eine Seite des Films, die andere ist die völlige Sinnfreiheit der Handlung und der Dialoge.
 
Hauptdarsteller Tom Hardy ist sein erstes Wort nach über einer halben Stunde vergönnt, vorher grunzt und stöhnt der Actionstar in seiner Rolle als Max durch eine eiserne Maske seine Schmerzen heraus. Aber auch ohne Metall vor dem Mund bleibt Hardy blass und kommt später mit anderthalb Gesichtsausdrücken durch den Film. Pech für ihn, die blubbernden V8-Motoren und die Angriffswerkszeuge der Feinde sind die eigentlichen Hauptdarsteller und stehlen der Titelfigur die Show.
 
Charlize Theron als Furiosa merkt man die innere Stärke zu jeder Sekunde an, sie kämpft sich mit einem halben Armstumpf durch die stahlharte Männerwelt und sucht Erlösung in der Suche nach der untergegangen Welt ihrer Kindheit. Theron´s amazonenhafte Furiosa ist der Lichtblick im Figurenkabinett, ansonsten verbergen sich hinter den Horror-Masken meist nur die Abziehbilder der üblichen Filmbösewichter. Neben Charlize Theron sticht noch Nicholas Hoult menschlich hervor, sein „Nux“ ist ein typischer Gestaltwandler und bringt emotionale Abwechslung in die Rauchschwaden.
 
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Die Handlung birgt keine Überraschungen, dramaturgisch schließt Miller an den dritten Teil der Filmserie an, die Flashbacks in „Fury Road“ beziehen sich jedoch sogar noch auf den ersten Teil, in dem Max sein Kind sterben sah. Dieses Kind lockt den übermüdeten Max nun mehrmals fast in die Hände der Feinde: Ein küchenpsychologischer Schachzug des Drehbuchs, um Rockatansky mehr Tiefe zu verleihen.
 
Ansonsten ist Max ein abgehalfterter Lonely Fighter, der mit erloschenen Augen einen Sinn zum Weiterleben sucht. Den findet er im Dauergemetzel an der Seite von Imperator Furiosa (Charlize Theron), die auf der Flucht mit einer Schar junger Frauen im Bikini das verlorene grüne Paradies ihrer Kindheit wieder finden will. Am Ende hat man die Motoren und turmhohen Karossen der Gangs besser kennen gelernt als die menschlichen Schicksale und eine Fehlzündung des Fluchtlasters lässt den Atem mehr stocken als die Qualen einer schwangeren Frau im Todeskampf.
 
Denn echte Beziehungen bestehen eigentlich nur zwischen den Outlaws und ihren Vehikeln. Gegen Ende treibt eine Szene diese Mensch-Maschinen-Liebe ironisch auf die Spitze, als Nux seinem Truck mehr Power verleiht, in dem er als menschliche Turbo-Einspritzdüse Benzin aus seinem Mund in den Ansaugstutzen bläst.
 
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„Mad Max – Fury Road“, was soviel heißt wie Dreckpiste, und davon gibt es im Film genug, ist eine schmutzige Endzeit-Gewaltorgie, dessen Sinnlosigkeit viele Zuschauer abschrecken wird. Die filmische Brillanz, Präzision und Bildgewalt, mit der George Miller den rohen Überlebenskampf der letzten Menschen zeigt, ist jedoch nicht zu leugnen.