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***Heidi***

heidi kritik
 
Autorin: Angelika Wessbecher
 
„’Heidi’ ist besser als Schweizer Schokolade und viel berühmter als unsere Banken“, äußerte Bruno Ganz zu Beginn der Neuverfilmung von Johanna Spyris Weltbestseller. Dabei hatte sich der Regisseur anfangs gar nicht getraut, den renommierten Charakterdarsteller für die Rolle des Alm-Öhi zu erbitten.
 
Umso erstaunter war er, als dieser rasch zusagte. Schon wieder eine Heidi-Verfilmung? Aber ja doch! Etwas skeptisch aber war anfangs die Autorin Petra Volpe, als sie von der Produktionsfirma ‚Zodiak-Pictures’ für das Drehbuch angefragt wurde. Sie kannte bislang nur die zahlreichen, eher mit heimatseligen Klischees arbeitenden Vorgängerproduktionen, darunter den japanischen Zeichentrickfilm von 1974.
 
Noch eine gefühlt 100. Wiederholung?
 
Dann aber entdeckte sie in Johanna Spyris zweiteiligem Roman von 1879/81 eine emotionale Wucht und Zeitlosigkeit, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen anzusprechen vermag. Neben großartigen Hauptdarstellern besticht der Film durch seine imposanten Landschaftsaufnahmen (Kamera: Matthias Fleischer ) Aus der Vogelperspektive wird der Zuschauer im Wettflug mit einem Adler an Heidis künftige Heimat herangeführt. Eine packende Filmmusik (Niki Reiser), die bewusst auf älplerische Anklänge verzichtet, unterstreicht den tänzerischen Rhythmus der Kameraführung.
 
 
Der Alpen-Bestseller in neuem Gewand
 
Die neue Adaption der in 50 Sprachen übersetzten Vorlage unter der Regie von Alain Gsponer (bekannt durch „Das kleine Gespenst“, 2013) schildert das schwere Schicksal verwaister Kinder am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie zeigt die scharfen Kontraste zwischen der bitteren Armut der Schweizer Bergbauern und dem dekadenten Überfluss eines Frankfurter Industriellenhaushalts. Mit hartem Realismus zeichnet sie Charaktere, die ohne Schwarz-Weiß-Darstellung auskommen. Angesprochen werden universelle Themen wie Zugehörigkeit; Freundschaft und Identität.
 
Nach dem Tod ihrer Eltern wird die kleine Heidi (Anuk Steffen) von ihrer Tante (Anna Schinz) auf die Alm zu ihrem Großvater (Bruno Ganz) gebracht, einem verbitterten Menschenfeind. Bald gelingt es dem Mädchen, das Herz des Alten und zugleich einen neuen Lebensraum zu erobern.
 
Und sie gewinnt noch einen kleinen Freund dazu, den etwas tölpelhaften Geißen-Peter (Quirin Agrippi). Helikopter-Eltern von heute mögen schockiert darüber sein, dass sich da zwei Minderjährige den lieben langen Tag unbeaufsicht im Freien aufhalten und quasi Kinderarbeit leisten. Aber für die kleinen Kinobesucher ist es Abenteuer pur, Heidi und Peter beim Umhertollen mit den Ziegen zu beobachten. Die paradiesischen Zustände haben für Heidi ein Ende, als sie von der Tante entführt und in den Haushalt eines Frankfurter Industriellen als Gesellschafterin für die kleine gelähmte Klara (Isabelle Rottmann) regelrecht verkauft wird.
 
Das Aufeinandertreffen zweier Welten birgt einiges an Situationskomik, etwa wenn die nicht vorhandenen Tischsitten des Naturkindes Heidi auf das strenge Reglement der strengen Gouvernante Rottenmeier (Katharina Schüttler) treffen. Als die Kleine in dem neuen beengenden Zuhause krank vor Heimweh wird, findet sie in Klaras Großmutter (Hannelore Hoger) eine warmherzige Verbündete.
 
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Professionelle Machart sowie überragende kleine und große Darsteller
 
Gedreht wurde der Film im dem Schweizer Bergdörfchen Latsch, das schon als Kulisse für die Schwarz-Weiß-Verfilmung von 1952 diente. Am Ende musste einiges an Strommasten und modernen Straßen herausretuschiert werden, um den Anschein an Ursprünglichkeit darzubieten. Die Filmszenen im Frankfurt des Originalromans wurden wegen des fast vollständig erhaltenen Stadtbilds in den ostdeutschen Städten Quedlinburg, Halberstadt und Altenburg gedreht. Eine 75-köpfige Ziegenherde mit den Leittieren Schwänli und Bärli wurde am Set von einem speziellen Tiertrainer bei Laune gehalten.
 
Beim Casting der Hauptdarstellerin stand relativ schnell die neunjährige Anuk Steffen aus Chur fest. Sie zeigt die Anmut, Beweglichkeit und Wildheit eines Kobolds, einer ‚Pippi Langstrumpf der Berge’. Diese Heidi verkörpert, verglichen mit früheren Filmfassungen, ein androgynes Wesen, das mit seinen kurzen Haaren und Berghosen für einen Jungen durchgehen könnte. Die aktuelle Heidi ist ein wildes, ursprüngliches Wesen mit einem großen Herzen.
 
Umso statuarischer und verhärteter wirkt anfangs der Alm-Öhi (Bruno Ganz, u.a. „Der Himmel über Berlin“, 1987, „Der Untergang“, 2004). Er verleiht seiner Figur eine Tiefe, Mehrdeutigkeit, und Entwicklungsfähigkeit, die sich im Wechselspiel mit der kleinen Enkelin entfalten darf. Dieser Alm-Öhi ist kein Mann der sentimentalen Worte, sondern ein tief verletzter Mensch. Seine anfängliche Ablehnung von Heidi macht er durch konkrete Handlungen wieder gut, etwa als er ihr ein eigenes Essgeschirr und einen Stuhl schnitzt.
 
Ein Glücksgriff war die Wahl des 12-jährigen Quirin Agrippi für die Rolle des Geißen-Peters, der den ewig hungrigen und burlesken Gegenpart zu der anmutigen Heidi spielt. Dieser hat die Lacher auf seiner Seite, wenn er Heidi heimlich ihr Essen wegfuttert und mit der Sturheit der Ziegen hadert. Der Film beschönigt allerdings auch nicht die drakonischen Erziehungsmethoden des unerbittlichen Dorflehrers, wenn es Peter einfach nicht gelingen will, Lesen zu lernen.
 
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Prädikat „Familienfilm – Besonders wertvoll“
 
Alles in Allem ist ‚Heidi’ ein schöner, professionell gemachter Film mit pittoresken Landschaftsaufnahmen, ideal für die Vorweihnachtszeit und auch für kleinere Kinder in Begleitung ihrer Eltern gut geeignet. Zum Start des Films wird zudem ein Hörspiel sowie ein Buch erscheinen.