***Filmtipp***

 dsusb tipp
 
Autor: Sascha Fersch
 
IM KINO: Der Spion und sein Bruder!!
 
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"Der Spion und sein Bruder" ist die neueste Komödie von Sacha Baron Cohen und man hat das Gefühl er nähert sich mit jedem Film ein bisschen mehr dem Hollywood-Mainstream an. Das sorgt streckenweise für gutes Popcorn-Kino und viele gewohnt aberwitzige Momente.
 
Actionfilm trifft auf Buddy-Movie
 
Die Einladung zur Pressevorführung war bereits explizit mit dem Hinweis versehen „Es gibt Freibier“, was ein klares Signal setzt, für welche Zielgruppe der Film eigentlich gemacht ist. Für den obligatorischen Kumpelsabend am Wochenende im Kreise vergnügungswilliger und leicht angetrunkener Leute. Und da mittlerweile auch Frauen Kumpels sind, hat der Film sich in einer Gratwanderung zwischen infantilem Jungenhumor und feministischer Agenda versucht. Doch dazu später mehr.

Die Geschichte geht grob um zwei in der Kindheit getrennte Brüder, deren unterschiedliche Sozialisierung dazu führt, dass der eine ein hochintelligenter, durchtrainierter und eiskalter Geheimagent wird, während der andere ein versoffener, gescheiterter aber herzensguter Hooligan ist. Als ihre Wege sich mehr oder weniger zufällig wieder kreuzen, beginnt deren behutsame Wiederannäherung, sie erkennen die Wertigkeit des jeweils anderen, während sie nebenbei in einer wilden Jagd um den halben Globus die Welt vor einem tödlichen Virus retten müssen.
 
So konstruiert wie diese Geschichte klingt, fühlt sie sich auch meistens an. Es werden in regelmäßiger Frequenz Peniswitze gemacht, Sachen in die Luft gejagt und dazu gesellen sich noch ein paar reflektierte Momente, mit ein wenig Platz für Gefühle und Romantik. Im Ensemble sind neben dem Geschwisterpaar (Sacha Baron Cohen und Mark Strong) noch Rebel Wilson als liebenswerte Unterschichtenbraut und sogar Penélope Cruz gibt sich die Ehre.

 
 
 
Viel Komik in einer zweitrangigen Story
 
Es ist eindeutig zu sehen wie Sacha Baron Cohen mit seinen Figuren stets soziale Milieus aufs Korn nimmt, mit viel Mut zur Übertreibung und nicht ohne eine gewisse versöhnliche Note. Diesmal hat es das englische Prekariat erwischt und jedes Stereotyp will abgearbeitet werden. Die Leute sind dumm aber herzlich, trinken zu viel, schauen leidenschaftlich Fußball, sind generell faul, aber wenn es darauf ankommt doch gewaltbereit genug, um ihre Ideale zu verteidigen. Die Gags sind dementsprechend meistens platt und unterhalb der Gürtellinie.

Trotzdem merkt man Sacha Baron Cohen, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, seine soziale Intelligenz an. Er hat nicht nur wohlkalkuliert den einfachen Stolz dieser Menschen für seine emotionalen Film-Momente instrumentalisiert, sondern schafft es darüber hinaus auch eine, wenn auch oberflächliche Gesellschaftskritik unterzubringen und das Gesamtwerk trotz des teilweise abgründigen Humors durchaus feministisch und auch irgendwie politisch korrekt wirken zu lassen. Nicht zuletzt dank einiger Seitenhiebe auf Donald Trump, die durch dessen Erfolg im aktuellen Wahlkampf sogar politische Brisanz haben.
 
Auch die Homophobie zieht sich zum Beispiel als grundsätzliches Thema durch fast all seine Filme und sorgt dafür, dass gemeinsam mit den Figuren im Film auch das Publikum diese Problematik überwinden muss, und das geht anscheinend am besten, wenn man gemeinsam darüber lachen kann. Auch die Frauenfiguren sind facettenreicher als man es von diesem Level an Klamauk erwarten würde, es werden sogar geltende Schönheitsideale hinterfragt, da der Protagonist eindeutig auf etwas ausladende Hintern steht. Ob das alles natürlich in seiner Banalität zu nachhaltigen Effekten beim Publikum führen kann, wage ich nicht zu beurteilen.
 
 
 
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Dem absurden Treiben fehlt die Authentizität
 
Leider fehlt dem bunten Konglomerat aus Spannung, Emotion und Spaß in jedem Fall eine authentische Note. Man kauft dem Regisseur (Louis Leterrier) schon ab, dass er in erster Linie einen guten Actionfilm abliefern wollte. Und man versteht auch, dass Sacha Baron Cohen als klassischer Clown die Handlung derart durcheinander bringt und so mehr zufällig eine Komödie entsteht. Doch das Problem ist die fehlende Glaubwürdigkeit und damit ein nötiger Gegenpol zu den durchgeknallten Einfällen der ausgestellten Kunstfiguren.
 
Am besten hat das noch funktioniert, als Borat im dokumentarischen Stil durch Amerika gereist ist, je realer die Menschen wirken, mit denen vermeintlich unfreiwillig interagiert wird, um so höher ist das komödiantische Potenzial, die grundsätzliche Fallhöhe. In diesem Film ist alles von einer so offensichtlichen Künstlichkeit, dass selbst eine Figur wie Nobby trotz aller Versuche nirgends wirklich anecken kann. Man wähnt sich keine Sekunde in der Gefahr, selbst diesem Treiben ausgesetzt zu werden oder zumindest peinlich berührt zu sein. 
 
 
 
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Fazit
 
Die Geschichte alleine kann die Spannung nicht halten, weil sie doch etwas generisch daherkommt und auch die meisten Witze sind zu simpel gestrickt um wirklich unerwartet und damit lustig zu sein. Selbst die wenigen inhaltlich wirklich grenzwertigen Szenen, bergen kaum Aufregungspontenzial, weil sie sich in ihrer übertriebenen Künstlichkeit sofort selbst entschärfen.
 
Alles was übrig bleibt ist also streckenweise durchaus unterhaltsames Popcornkino mit vielen infantilen Gags und einer relativ durchschaubaren Story.