***Carol***

carol kritik

Autorin: Simone Michel
 
Der von Kritikern gefeierte Regisseur Todd Haynes kreiert mit der dramatischen Romanze „Carol“ einen Arthouse-Film, der von seinen beiden Protagonistinnen getragen wird – einem lesbischen Liebespaar im New York der 1950er Jahre.
 
Therese Belivet (Rooney Mara) ist eine eher zurückhaltende junge Frau. Die Angestellte eines New Yorker Einkaufszentrums hat zwar ihre Verehrer, doch ihr geht nur eine Person nicht mehr aus dem Kopf: Die Begegnung mit der imposanten Carol Aird (Cate Blanchett) in der Spielwarenabteilung des Einkaufszentrums, bedeutet den Beginn einer komplizierten Liebesgeschichte. Eigentlich will Carol nur eine Puppe für ihre Tochter Rindy (Kennedy K. Heim) kaufen, doch es kommt alles anders für die Mutter mittleren Alters und die junge, verträumte Verkäuferin. Im Weg steht der aufblühenden Romanze Carols Ehemann Harge (Kyle Chandler), der mit allen Mitteln versucht seine Frau an sich zu binden. Eine schwierige Situation für Carol und Therese, denen das gesellschaftliche System der 1950er Jahre zum Verhängnis werden droht.
 
 
Kontrastreiche Protagonistinnen
 
Todd Haynes ist bekannt für eher gesellschaftskritische Inhalte, die vor allem die Queer-Thematik einschließen. So überrascht auch das Thema von „Carol“ nicht. Gefeiert wurde das neuste Werk des Regisseurs bereits bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 2015. Zur Belohnung gab es für Hauptdarstellerin Rooney Mara den Preis als Best Actress.
 
Rooney Mara mag den meisten Zuschauern auf den ersten Blick nicht bekannt vorkommen, dabei spielt die junge Darstellerin in zahlreichen bekannten Kinofilmen mit, wie in „Her“ oder aktuell in „Pan“. Den meisten wird ihr Gesicht aber vermutlich als düstere Lisbeth Salander in David Finchers Verfilmung des Stieg Larsson-Romans „Verblendung“ bekannt sein. Als Therese in „Carol“ zeigt sie sich nun von einer ganz anderen Seite, als eher zurückhaltender, aber leidenschaftlicher Charakter. Mara spielt die junge Verkäuferin, die zum ersten Mal ihre Liebe zu einer Frau entdeckt, als schüchterne Träumerin.
 
Cate Blanchett dürfte hingegen vielen Zuschauern ein Begriff sein. Die schöne Schauspielerin mit dem unverwechselbaren Aussehen, passt perfekt auf die Rolle der titelgebenden Carol. Diese fällt vor allem durch ihr Auftreten auf, in dickem Pelzmantel mit den edelsten Kleidern und elegantesten Frisuren. Blanchett verkörpert diese Eleganz und Stärke von Natur aus. Carol bildet hierbei den Kontrast zu ihrer Geliebten Therese. Im Gegensatz zu dieser hatte Carol bereits eine Beziehung zu einer Frau, was ihr Mann nie verkraftet hat.
 
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Wichtige Nebencharaktere in „Carol“ bilden Ehemann Harge Aird und beste Freundin Abby Gerhard. Die Rolle des Harge wird von Kyle Chandler übernommen, den man aus Filmen wie „Zero Dark Thirty“ sowie „The Wolf of Wallstreet“ kennt und aktuell in der US-Serie „Bloodline“ zu sehen ist. Er spielt den verzweifelten Ehemann, welcher die Wahrheit um jeden Preis ignorieren will, sehr überzeugend.
 
Wenn auch selten zu sehen, aber einen interessanten Charakter, stellt Carols beste Freundin und ehemalige Geliebte Abby dar. Sie wird von Sarah Paulson gespielt, die vor allem aus der US-Hitserie „American Horror Story“ bekannt ist. Paulson schafft es ihrer Figur in den wenigen Szenen ihres Auftretens eine bemerkenswerte Präsenz zu verleihen. Sie zeigt Abby als starke, selbstsichere Frau, die ihrer besten Freundin in jeder Situation beisteht und Harge dabei auch gerne vor den Kopf stößt.
 
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Willkommen in den 50er Jahren
 
Neben dem gut gewählten Cast, ist es aber wohl in erster Linie das Setting von „Carol“, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Genauso stellt man sich die 1950er Jahre vor: begonnen beim Einkaufszentrum mit einer Variation an Spielzeugen, bis hin zu den Gebäuden und Straßen, welche von unzähligen heutigen Oldtimern befahren werden. Die detaillierten, farbenfrohen Kostüme machen die Illusion perfekt, wobei insbesondere Carols Aussehen auffällt. Also eine optimale Nachempfindung der 1950er Jahre im damaligen New York.
 
Zuletzt bleibt jedoch die Handlung zu diskutieren, die in Teilen an Spannung zu wünschen lässt. Sicher, es handelt sich weder um einen Thriller, noch um einen „Mainstream“-Film, so dass man an dieser Stelle mit der Kritik behutsam umgehen muss, um sich nicht als Kunstbanause bezeichnen zu lassen. Natürlich ist es ein Independent Movie, der keine breite Masse an Kinozuschauern anziehen wird, doch es fehlt einfach eine stärkere Betonung des Konfliktes. So relevant und visuell imposant aufbereitet das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe und der damit verbundenen gesellschaftlichen Problematik auch sein mag, ein bisschen mehr Drama würde der Handlung von „Carol“ gut tun.
 
Sowohl Thematik als auch Besetzung werden aus Perspektive einiger Filmliebhaber triftige Gründe für einen Kinobesuch darstellen. Dennoch ist „Carol“ vermutlich für viele kein Film, der einen lang anhaltenden Eindruck hinterlassen wird. Ich bin mir sicher, der Film wird die Geister scheiden.